18. Jahrgang | Nummer 3 | 2. Februar 2015

Regierer-Ideen

von Günter Hayn

Berlin ist doch nicht Kalkutta! Der Anblick schmuddeliger Kinder mit triefender Nase ist nicht erfreulich. Ekliger ist nur noch der Anblick stillender Mütter mit irgendeinem vollgekrakelten Pappschild und einem Münz-Tellerchen neben sich. Gott sei Dank wird das künftig nicht mehr geduldet werden. „Innensenator Frank Henkel (CDU) will das Betteln durch Kinder und in Begleitung von Kindern in Berlin verbieten“, meldete die dpa am 20. Januar. Man plane die Einstufung kindlicher Bettelei als Ordnungswidrigkeit, teilte Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) mit. Dann könne man nämlich ein Bußgeld erheben. Das ist übrigens ganz einfach: Nehmt doch den Kids am Ende des Sammeltages die Münzen ab, das spart Verwaltungskosten und hat einen wunderbaren erzieherischen Effekt. Die Kinder bekommen schon im zartesten Alter sehr nachdrücklich vermittelt, dass Herzenswärme und deutsches Staatshandeln zwei Dinge sind, die niemals nie zusammengehen können!
Henkels Bettelvogt ist übrigens eine recht wohlgenährte Erscheinung. Auch Christian Schmidt, Bundesernährungsminister (CSU), steht gut im Futter. Leichtsinnigerweise testete Schmidt kürzlich ein Angebot seines eigenen Ministeriums zur Herbeiführung einer gesunden Ernährungsweise unter den viel zu viel um sich herumfressenden Deutschen. Auf der ministeriellen Homepage kann man den eigenen BMI (Body-Maß-Index) berechnen lassen. „So um die 29“, zitierte der Spiegel, liege der des Ministers. Also doch eher etwas über 30 … Seine Experten stufen jeden mit solchen Werten als fettleibig ein. Schmidt meint allerdings, dass eine Adipositas nach seinem Verständnis erst bei einem „BMI von 40 bis 50“ anfange (also liegt der Schmidt’sche wohl doch eher um die 35). Warum das Ministerium dann solche Warnzettel herausgebe, wurde er im Weiteren befragt. Sein Rat: „Schmeißen Sie den Zettel einfach weg.“ Das schätzen wir an unseren Regierungen: Für viel Geld werden ganze Wälder der Merkblatt-Produktion zugeführt – zum letzten Zwecke des Wegwerfens. Vielleicht sollte das Volk sich endlich solcher Bürokraten entledigen?
Minister Schmidt könnte auch an seinem BMI arbeiten, in einer Therme beispielsweise. Ich empfehle die Toskana-Therme in Bad Sulza. Möglicherweise kommt er dann einmal mit etwas Positivem ins Fernsehen. Die Unternehmensgruppe toskanaworld GmbH, der gehört das salzige Warmwasserbad in Sulza, betreibt nämlich einen eigenen Fernsehsender: Salve TV. Und Salve TV hat ein neues Format aufgemacht, das ausschließlich positive Nachrichten bringt: „Ramelow & Co.“. Am 16. Januar beglückte der erste Achtminutenbeitrag die Welt: Der Ministerpräsident besuchte artig Herrn Dr. Jahn von der Unterlagen-Behörde, trank Kaffee in einer Suppenküche, besuchte die VR Bank wegen alternativer Energien, empfing die Sternsinger in der Staatskanzlei, und Kleinbauern hat er auch noch heimgesucht. Am Schluss tauchte er in einem Oberhofer Skistadion auf. In roter Jacke natürlich, wie witzig. Der Mann kommt rum! Schön, dass er bei Salve TV selber erklärt, was er da so treibt. Das kennen wir von früher, doofen Reportern fehlen eh die nötigen Einsichten. Nur die SPD nölt rum und meint, das habe mit Journalismus nix zu tun. Das ist eine billige Retourkutsche! Damit wollen die Sozis nur davon ablenken, dass es sozialdemokratische Kultusminister waren, die Sternsingern die Tür wiesen.
Ansonsten verteidigt besonders energisch die Thüringer Allgemeine (TA) die Medienfreiheit im Lande gegen diesen infamen Versuch der Einführung eines sozialistischen Staatsfernsehens. Kim Il Ramelow karrte auf üble Weise zurück, indem er auf ein „ganz ähnliches Video-Projekt der Zeitung 2007 mit dem damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus“ verwies. So zitierte es jedenfalls genüsslich das neue deutschland. Das ist aber ein himmelweiter Unterschied! Herr Althaus (CDU) war als Rostbratwurst-Premier ein lupenreiner Demokrat von der ersten Windel an und ein Skifahrer dazu. Was Herr Ramelow ist, wissen wir noch nicht so richtig. Jedenfalls guckt er lieber feige beim Biathlon zu, einer Lieblingssportart militanter Russophiler, als selbst todesmutig wie sein Vor-Vorgänger die Pisten herunterzufegen! Die TA gehört übrigens zur Funke Mediengruppe. Die erwuchs aus der Essener WAZ, einer sehr politikfernen und absolut neutralen Postille. „Funke“ ist in Thüringen mit der zitierten TA, der OTZ und der Thüringischen Landeszeitung so etwas wie ein Platzhirsch. Und für den werden die lokalen Funk- und Fernsehstationen zunehmend interessanter. Aus dem Schaum der Eitelkeit geborene Steilvorlagen wie „Ramelow & Co.“ kommen da nur gelegen … Inzwischen befasst sich die Landesmedienanstalt Thüringen mit der Angelegenheit. Der natürlich vollkommen CDU-ferne Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat die selbstverständlich noch nie interessiert. Aus „Salve!“ (Sei willkommen!) kann ganz schnell ein „Vale!“ (Lebe wohl!) werden, wie alle Lateiner wissen.