von Eckhard Mieder
Es ist eine gute Nachricht, dass die Reichen und Superreichen reicher und mehr sind als gedacht. Gedacht? Heißt vermutlich: mehr als ermittelt, mehr als medial vermittelt, mehr als einem blöden Publikum zugemutet.
Dass sie reich, reicher, am reichsten sind – geht mir am Arsch vorbei. Mehr als ich esse und trinke, können sie auch nicht trinken und essen. Möglicherweise esse und trinke ich sogar besser als sie, weil ich in einer lukullisch-bewussten Gegend lebe, in der es in der TOTAL-Tankstelle zwar auch einen MacDonalds, im Umkreis von etwa 200 Kilometern und ganz in der Nähe aber nicht nur bunt verpackten Schiet- und Schmierkram gibt. Zu schweigen vom Weine und von Lokalen, in deren Küchen sich Lamm-Kotelett auf nicht Leck-oder-mach-mich-fett reimt und Pasta weder mit B geschrieben wird noch nach Buchstaben-Suppe schmeckt.
Dass die Reichen mehr sind, als gedacht oder ermittelt oder anderswie behauptet, finde ich auch gut. Gibt es mehr Reiche, gibt es weniger Arme. (Das ist die einfache Rechnung eines Menschen, der weder in der Polytechnischen noch in der Erweiterten Oberschule das Fach Mathematik abgewählt hat. Weil er es nicht durfte. Noch so ein Malus der Deutschen Demokratischen Repression.) Zumal: Es wird wahrlich weiter unverdrossen Hungers gestorben auf der Welt, aber nicht mehr so arg wie früher.
Obwohl – da müsste ich die nächste Statistik rauskramen. Wird weniger an Hunger, Krankheit, Armut in summa gestorben? Oder werden wir auf der Welt bloß so viel mehr und nicht reicher, dass proportional gerechnet werden kann: Wir werden insgesamt fetter, zufriedener und haben demnächst statt zwei vier Fernsehgeräte im Haushalt. Und können uns, auf die Zimmer verteilt, all die Lügen anschauen, die aufgetischt werden. Wie die Mahlzeiten, die wir regelmäßig und üppig zu uns nehmen. Während anderswo trotzdem welche sterben, statistisch weniger werdend? Oder in summa trotz allem mehr und mehr? Aber vielleicht sind die ja irgendwie doch selber dran Schuld?
Ich muss innehalten. So wohlstandsteutonischer Furor bringt nichts. So allgemeines Unbehagen spürt ja jeder. Jeder, der noch Tassen im Schrank und es warm um sich rum hat, satt ist und im Urlaub nicht allzu sehr knausern muss, weiß doch, dass er es warm hat, dass er satt ist und dass er nicht knausern muss, weil zig-Millionen andere es – quasi für ihn – nicht ganz so warm haben, nicht so satt sind und sowieso nie in Urlaub fahren. Komplizierter Satz eben. Sehr, sehr lang. Dabei geht es natürlich, wie meistens im Leben, ganz einfach und gesetzlich zu:
Das 1. Energieerhaltungsgesetz unserer Existenz lautet: Was ich im Überfluss habe, hat ein anderer nicht im Mindesten.
Das 2. Energiegesetz: Was ich habe, habe ich dem Anderen genommen, und er kriegt es allenfalls karitativ zurück, gegen einen Stempel im Spenderausweis.
Und nun auch noch das 3. Energiegesetz: Was ich habe, braucht der Andere nicht, sonst würde er sich ja melden und anklopfen und fragen, ob ich nicht was abgeben möchte.
Das letztere ist gottseidank ein Gesetz, dem niemand folgt. Was wäre das sonst für ein Getöse und Geschepper und Gebimmel an den Türen – der Reichen und Superreichen? Oder an den Türen der Justiz? Oder der Geheimdienste? (Das wäre eine Idee: Dass die ihre logistischen, wie soll ich es nennen?, Possibilitäten und Possierlichkeiten?, einsetzten, um den kriminellen, gesellschafts- und menschengefährdenden Strukturen auf die Spur zu kommen, auf denen das erste und das zweite Gesetz beruhen! Oder so? O Gott! Das wird jetzt immer komplizierter!)
Nein: Es klopft in der Regel nur an den Türen derjenigen, die ein bisschen mehr haben. Denn an den Pforten der Reichen und Superreichen stehen die Namen nicht. Deren Adressen sind so unbekannt wie es die Adressen – von Toten sind.
Also … die Reichen und Superreichen, von denen ich eben las, dass sie mehr sind als gedacht … Sagte ich schon? Ja, sagte ich schon. Es gibt (halt immer noch) nichts Neues hinterm Mond – den Rest des Gedichtes verkneife ich mir, sonst blitzt Peter Hacks vom Höllenhimmel runter …
Ich merke schon: Es treibt mich ins Pädagogische, ins Ideologische, ins Zitathafte. Kurz vor der Kurve, in der ich nur noch abbiegen kann ins Utopisch-Anarchistisch-Occupy-RAF-Hafte, halte ich an und fahre an den Straßenrand. Luft holen. Durchatmen. Und ganz ruhig memorieren: Lasst uns reich und reicher werden. Schneiden wir den Planeten in Batzen und Fetzen und verpacken sie feinfrostgerecht. Kleben wir ein Preis-Schild auf die letzte Flosse und die Stirn des letzten Menschen, der versucht, in den Wald zu entkommen.
Schönen Sommerurlaub wünsche ich uns allen!
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