von Ulrich Busch
Die Rechnung ist einfach: Legt man Geld auf ein Konto, so gewinnt oder verliert man dadurch die Differenz zwischen der Verzinsung und der Teuerung. Hält man sein Geld dagegen in bar, so verliert man immer, sofern die Teuerungsrate über Null liegt, also positiv ist. Konkret folgt hieraus, dass ein Geldbetrag von beispielsweise 100.000 Euro in bar gehalten bei einer Inflationsrate von durchschnittlich zwei Prozent am Ende des Jahres nur noch 98.000 Euro wert ist. Würde man diesen Betrag dagegen auf einem verzinsten Konto anlegen, so wäre der Verlust geringer, da sich der Anlagebetrag nominal durch die Verzinsung verwertet. Bei einem Zinssatz von 1,5 Prozent hätte man am Ende 1.500 Euro mehr, real aber trotzdem 500 Euro weniger, also 99.500 Euro.
Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit, denn Zinserträge unterliegen der Steuer. Von den 1.500 Euro nominalem Zinsertrag gehen 25 Prozent Kapitalertragsteuer und darauf bezogen nochmal 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag ab, zusammen also rund 26,4 Prozent oder 396 Euro. Es verbleibt ein Zinsgewinn von 1.104 Euro, dem ein Inflationsverlust des eingesetzten Kapitals von 2.000 Euro gegenübersteht. Das Resultat der Geldanlage ist also ein realer Verlust in Höhe von 896 Euro. (Auf die Berücksichtigung der Kirchensteuer und die Anrechnung des Sparerpauschbetrages wird verzichtet).
Aus der Beispielrechnung lässt sich ableiten, dass, will man mit einer Geldanlage keinen Verlust erleiden, der jährliche Zinssatz mindestens so hoch sein muss wie die erwartete Inflationsrate plus Kapitalertragsteuerabzug und Solidaritätszuschlag. Das wären rund 2,7 Prozent. Schaut man sich daraufhin die Offerten der Banken an, so muss man feststellen, dass zu diesem Zinssatz bei Sparguthaben, Sparbriefen oder Termingeldern derzeit keine Angebote zu finden sind. Soweit die Evidenz der Fakten, was bei den Sparern für Unmut sorgt, tatsächlich aber ohne Konsequenzen bleibt. Die Sparquote ist zuletzt zwar leicht gesunken, liegt mit zehn Prozent im internationalen Vergleich aber immer noch recht hoch. Die Sparer akzeptieren also die niedrigen beziehungsweise negativen Realzinsen.
Aber was steckt eigentlich dahinter? Man mache sich zunächst die Dimension klar: – Allein in Deutschland beträgt das private Geldvermögen mehr als fünf Billionen Euro. Der überwiegende Teil davon wird gar nicht oder nur geringfügig, im Durchschnitt mit den genannten 1,5 Prozent, verzinst. Die Inflationsrate ist momentan ebenfalls gering, im Jahresmittel jedoch signifikant höher. Legt man die Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von knapp zwei Prozent zugrunde, so beträgt der inflationäre Entwertungsverlust bei den privaten Geldvermögen pro Jahr rund 100 Milliarden Euro. Ebenso hoch aber ist der „Inflationsgewinn“ bei den Kreditnehmern, also beim Staat und bei Unternehmen, die sich auf diese Weise entschulden. Zudem findet eine gigantische Umverteilung statt zwischen den Besitzern von Nominalvermögen, also Geld und Finanztiteln, einerseits und den Eigentümern von Realvermögen, also Immobilien und Produktivvermögen, andererseits. Aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Dahinter liegt ein noch viel umfangreicherer Umverteilungsprozess: Die Reduktion des extrem aufgeblähten Kredit- und Geldvolumens auf den tatsächlich erwirtschafteten Wertumfang.
Wir haben es hier also mit einer dreifachen Entwertung und Redistribution zu tun: Erstens mit der Entwertung der Geldvermögen der Bevölkerung und dem nur teilweisen Ausgleich des auftretenden Wertverlustes über die Verzinsung. Symptomatisch hierfür sind negative Realzinsen für entsprechende Geldanlagen und eine ziemlich flach verlaufende Zinsstrukturkurve. Zweitens bedeutet dieser Prozess spiegelbildlich eine Entschuldung der Kreditnehmer, namentlich des Staates und der Unternehmen, da diese zu günstigen Konditionen Kredite aufnehmen können, sich ihr Schuldenbestand aber durch die Inflation mit jedem Tag real ein wenig verringert. Dies impliziert zugleich eine Umverteilung volkswirtschaftlichen Reichtums zu Lasten der privaten Haushalte und zu Gunsten der Unternehmen und des Staates. Hierin eingeschlossen ist die Begünstigung der Realkapitalbesitzer gegenüber den Besitzern von Geldkapital. Und drittens erfolgt eine Reduktion der infolge der Krise und der Krisenbekämpfung aufgeblähten Kredit- und Geldbestände zu Lasten der Sparer, welche die Zeche zahlen, und zu Gunsten der Kreditnehmer und Realkapitalbesitzer, deren Vermögen davon nicht tangiert wird.
Der hierin zum Ausdruck kommenden kalten Enteignung können sich die Sparer kaum entziehen: Eine Umschichtung der Ersparnisse in riskantere Wertanlagen erhöht das Risiko und hat zur Folge, dass man im Falle eines Crashs sehr schnell sehr viel mehr verlieren würde als durch die moderate Inflation. Eine Investition in Sachwerte würde zwar das Vermögen vor einer weiteren inflationären Aushöhlung retten, käme zum jetzigen Zeitpunkt aber ziemlich teuer, da die „Blase“ bei Aktien und Immobilien bereits im Wachsen begriffen ist und ihr Platzen nur eine Frage der Zeit. Die Folge wäre auch hier ein schlagartiger Vermögensverlust. Da erscheint es ratsamer, das Schicksal einer schleichenden Enteignung zu ertragen und darauf zu hoffen, dass der kommende Crash die Banken der Sparer verschont.
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