von Eckhard Mieder
Gut, das mit dem Geld ist eine blöde Sache. Die es haben, wollen möglichst viel davon behalten. Die es nicht haben, wollen möglichst viel davon haben. Dieses Ungleichgewicht muss balanciert werden, und zwar so, dass weder die einen die anderen totschlagen noch die anderen die einen von oben herab betrachten. Eine klare Schiedsrichter-Angelegenheit für den Staat und seine Finanzämter.
Wiederum fliegt der eine oder die andere auf, weil es ihnen gelungen ist, Geld am Fiskus vorbeizuschleusen. Schwarzergeld. Oder verschmitzte Moneten. Oder hoeneßte, verlinsste Penunse. Dann ist das Geschrei laut, die Moral donnert durchs Land, und alles, was mehr besitzt als zwei Euro Fuffzich zieht den Kopf ein und hofft, nicht erwischt zu werden; und ist zugleich voller Schadenfreude, weil es den anderen, den reicheren erwischt hat. Hähä, auch das Behumsen will gelernt sein, von nüscht kommt nüscht, und wer beim Bescheißen erwischt wird, der ist zu dämlich, sich mit dem Klopapier der Gesetzesbücher… na und so weiter, tiefer sinken möchte ich jetzt nicht; und den Neid gibt’s zuhauf obendrauf. Den Neid derjenigen, die Moralkeulen schwingen und am liebsten doch auch auf der Yacht über ein Meer von Champagner schipperten, eine Miss Titanic im Arm, und von fernher klimpert ein Banjo. („Ein Banjo? Wieso ein Banjo?“ – „Wieso ein Banjo nicht? Klischee ist Klischee, Alter, wir befinden uns im Weltreich der Klischees! Merkste diss nich?“ – „Aber ein Banjo, ein unschuldiges Banjo?“ – „Ach, halt’s Maul, Alter, und gieß nach!“)
Mir wäre das Geheule und Gezeter am Anus vorbeigegangen, hätte mich nicht Freund Tütenholz vor zwei Tagen besucht und mich gezwungen, mit ihm drei Flaschen Rheingau-Riesling des Jahrgangs 2011 zu trinken; ein passabler Jahrgang, glaube ich. Und während wir becherten, entwarf er, immer mal wieder in die Trickkiste der Weltgeschichte greifend, ein Steuermodell, von dem ich in etwa Folgendes behalten habe:
Es gab Steuern schon im 3. Jahrtausend vor unser aller Sohn. Es gab Jahrtausende lang Steuern in Naturalien. Weizen, Fische, Jungfrauen, Weintrauben, Oliven wurden allmählich durch das Geld abgelöst. Das war ein Fortschritt, und es war ein Schritt von der Waage ins Vage. Ein Sack Weizen, zwei Fische, eine Jungfrau, ein Pfund Weintrauben oder Oliven – das war haptisch. Das wurde hingegeben, hingeschüttet –, und bis zur nächsten Steuer-Gabe war Ruhe im Karton. Aber dann, die Welt rückte zusammen und es wurde gewissermaßen demographisch unübersichtlich (obwohl damals auf einen Menschen vermutlich vier Hektar Wildwuchs und zehn Kilometer Fluss kamen), kam die Menschheit aufs Geld.
Geld, das weiß jeder, ist nun mal die Ware aller Waren. Geld vereinfachte die Beziehungen zwischen den Menschen enorm. Wer Geld hatte, konnte alles haben. Wer Geld geben musste, verlor eine Menge (bis alles). Geld bot zudem die Möglichkeit der Möglichkeit. Geld war und ist immer ein Konjunktiv. Ein Sack Weizen könnte zwei Taler kosten, vielleicht aber auch drei. Und für eine Jungfrau biete ich dir fünf Taler, woanders müsste ich zehn Taler berappen, aber woanders ist weit weg, weshalb du sie mir für vier Taler überlassen solltest; oder du kriegst gar kein Geld. Und die Jungfrau, nun, lass uns noch mal überlegen und ein bisschen rechnen…
Soweit der Handel, der noch nicht unbedingt etwas mit dem Steuerzahlen zu tun hat.
Wiederum doch. Denn der Verkehr von Menschen und Waren (soweit diese beiden nicht Tautologie sind) braucht die Ordnung, Schutz, Verwaltung. Dafür wiederum werden Steuern erhoben. Da wir uns bereits im Zeitalter des Geldes befinden, welches auch vor ein paar Jahrtausenden oder Jahrhunderten (sieht doch keine Sau außer Professor Unsinn durch!) angefangen hat, kommen wir der Gegenwart näher.
Geld ist eine Perversion. (Ich folge noch immer den Gedanken meines Freundes Tütenholz; es sind nicht meine Gedanken; ich wollte, ich hätte mehr von dieser Perversion – um ordentlich Steuern zu zahlen.) Geld ist eine sich selbst verzehrende Speise. Zugleich soll es den Leviathan (Staat) ernähren, der wiederum den Bedürftigen auf die Konsum-Sprünge hilft. Es wäre doch (jetzt kommt’s!) eine Überlegung wert, die ganze Chose umzukehren. Also die Geldsteuer in eine Naturaliensteuer zurückzuverwandeln. (Ich weiß noch, an dieser Stelle, es war gegen Ende der zweiten Flasche, kriegte ich einen Hustenanfall, lief im Gesicht rot an und musste von Freund Tütenholz mit kräftigen Schlägen auf den Rücken ins Leben zurückgeholt werden.)
Denkbar wäre es doch („denkbar“ – wie blöd ist das denn? wer „denkt“ denn noch ohne „Bares“?), es wäre doch denkbar, der Staat triebe die Steuern wieder in Form von Naturalien ein. Automobile, Häuser, Mobiliar, Kunstgegenstände, Frauen (alles auch zu achteln, zu vierteln, zu halben Teilen, je nachdem) – alles, was Besitz geworden ist infolge von Geldausgaben, die Materie geworden sind, wird mit Forderungen belegt. Und abgeholt. Oder von den Einsichtigen abgeliefert.
Es müssten dann die Besitzenden zugreifen auf ihre Gelder, die sie an Staat und Finanzamt vorbeigemogelt haben, um zu ersetzen, was der Staat ihnen genommen hat. Zu Recht genommen hat, wenn sich herausstellt, dass die Besitzenden/Betreffenden die Allgemeinheit hintergangen haben.
Dies wäre ein Prozess, der gut ein paar Jahrzehnte anhalten würde – aber in Betracht der Tatsache, dass die ersten Steuern drei Jahrtausende vor der Geburt … Was sind ein paar Jahrzehnte, wenn es um die Herstellung von Steuergerechtigkeit geht? (Dies fragte Tütenholz widerborstig, als ich ihn ins Taxi schob, welches ihn nach Hause fahren sollte; und der Taxifahrer würde sich für die alte Ledertasche, die Tütenholz stets bei sich trägt, statt der 20 Euros gewiss sehr freuen.)
Das mit dem Geld ist wirklich eine blöde Sache. Vielleicht ließe es sich anders regeln. Im Tütenholzschen Sinne? Nee, das glaube ich nicht. Dann ginge es gegen das Heiligste der Gesellschaft, gegen das Eigentum. Wiederum: Ist das Eigentum nicht das ins Haptische verwandelte Geld, und wäre demzufolge der Entzug von Eigentum (soweit es aus unrechtem Geld entstand) nicht doch eine Möglichkeit, aus einem Steuer-Saulus einen Steuer-Paulus zu machen?
Schlagwörter: Eckhard Mieder, Eigentum, Geld, Steuern