von Sarcasticus
Zur überfälligen Ehrenrettung von Franz-Peter Tebartz-van Elst, mindestens aber um der irdischen Gerechtigkeit willen soll hier auch einmal aufgezählt werden, was der allseits verfemte Limburger Bischof alles nicht getan hat. Er hat zu keinem Kreuzzug aufgerufen, nicht Häretiker noch auch nur Hexen verbrennen lassen. Ebenso wenig wurde er seelsorgend an der Seite der Conquistadoren gesichtet, die in der Neuen Welt ganze Völkerstämme ausgerottet haben. Er hat keine unliebsamen Widersacher, Konkurrenten oder Nebenbuhler um die Ecke bringen lassen, wie so mancher Renaissance-Papst und keineswegs bloß Alexander VI. (Rodrigo Borgia). Er hat weder Waffen gesegnet, mit denen anschließend Menschen auf Schlachtfeldern oder in kolonialen Strafexpeditionen gemeuchelt wurden, noch war er auch nur Teil jener Rattenlinie, auf der katholische Kleriker Nazi- und Kriegsverbrechern nach 1945 die Flucht nach Südamerika ermöglichten. Nicht einmal Ablasshandel zur Finanzierung seines bischöflichen Baugeschehens hat Tebartz-van Elst betrieben.
Nun mögen besonders böswillige Kirchenfeinde an dieser Stelle geltend machen, dass der Limburger Amtsträger all dies womöglich nur mangels einschlägiger Gelegenheiten unterlassen habe. Aber derartigen Spekulationen soll hier kein Raum gegeben werden, zumal sie nichts an der Tatsache änderten, dass die katholische Amtskirche in ihrer 2.000-jährigen Geschichte nun wahrlich veritablere Missetäter hervorgebracht hat – und zwar nicht wenige. Wer an weiteren Details interessiert ist, der lese Karlheinz Deschners Kriminalgeschichte des Christentums in voluminösen zehn Bänden, die zwar bereits mit dem 18. Jahrhundert enden, von denen aber allein die ersten sieben auf immerhin zusammen 4.500 Seiten praktisch ausschließlich mit den Werken katholischer Herrscher und Würdenträger angefüllt sind.
Diese imposanten Hekatomben geschichtlicher Leistungen scheinen die heutige Kritikaster des Bischofs in Medien, Öffentlichkeit, Klerus und Politik auszublenden. Stattdessen sind sie mit immer neuen Anwürfen – im großen historischen Kontext gleichwohl allesamt Pillepalle – über ihn hergezogen. Das gilt nicht minder für seine Limburger Gemeinde, denn anderenfalls hätte man doch dort, statt dem diözesanen Oberhirten in der Manier kleinkrämerischer Korinthenkacker ans Bein zu pinkeln und Rücktrittsforderungen zu skandieren, besser ein Stoßgebet gen Himmel gerichtet – inbrünstig und voller Dankbarkeit, dass der Herr es nicht noch weit schlimmer hat kommen lassen! Gemessen an den historischen Verdiensten des katholischen Klerus jedenfalls machen die Verfehlungen des Franz-Peter Tebartz-van Elst den doch allenfalls zum kleinen Kirchenlicht und keinesfalls zur lodernden Feuersbrunst im Weinberg des Herrn.
Aber was heißt hier eigentlich Verfehlungen? Die Unwahrheit gesagt haben soll Franz-Peter Tebartz-van Elst – etwa im Zusammenhang mit der unmaßgeblichen Frage, ob er anlässlich einer Dienstreise nach Indien nun Business-Class oder wohl doch eher First Class geflogen sei. Eine nassforsche Hamburger Staatsanwaltschaft hat gar Strafbescheid wegen Falschaussage an Eides statt beantragt. Als ob der Mann während des Transfers nichts anderes zu tun gehabt hätte, als ständig darauf zu achten, ob er die Beine ordentlich ausstrecken konnte oder nicht! Er hatte sich auf ein ambitioniertes Programm vorzubereiten: Besuch der Ärmsten der Armen, Beschaffung von Edelsteinen für das häusliche Baugeschehen und was man sonst noch so zu tun hat, wenn man schon mal in Indien weilt. Darüber hinaus aber stellt sich hier auch grundsätzlich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Simon Petrus hat Jesus bekanntlich, und zwar als dem der Tod drohte, dreimal verleugnet; er wurde dennoch dessen Nachfolger. Dieser Sachverhalt – und nicht irgendein kleingeistiger irdischer Paragraph – wäre doch wohl der angemessene Bezugsrahmen, das Tun eines Dieners des Herrn wie des Bischofs zu Limburg zu beurteilen!
Bleibt nur zu hoffen, dass Berlin noch rechtzeitig ein Machtwort in Richtung Hamburg spricht, bevor ebenso unsensible wie hanseatisch-protestantische Staatsanwälte irreparabel erodieren, was im Westfälischen Religionsfrieden mühsam kodifiziert worden ist und bis heute gehalten hat.
Und dann ist da natürlich noch das örtliche Baugeschehen. Dieser Teil der Affäre macht das Schelmenstück endgültig zur Groteske. Das beginnt damit, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst vom Blättchen flugs zum Limburger Protzbischof hochgeschrieben wurde. Ein berüchtigtes Hamburger Nachrichtenmagazin setzte mit einem seiner undifferenzierten Rundumschläge noch eins drauf: Der Bischof verkörpere „die unter seinesgleichen noch immer verbreitete Prunksucht“. OK, zugegeben – das Limburger Diozösezentrum samt bischöflichem Haus, einschließlich Privatkapelle (2,9 Millionen Euro), 783.000-Euro-Garten, hängendem Adventskranz (100.000 Euro) und Privatwohnung (3,0 Millionen Euro), wird zum Schluss wohl eher 40 Millionen Euro gekostet haben, da der Interimscharakter der bisher meist genannten Summe (31 Millionen) sich immer deutlicher abzeichnet. Aber dass der Limburger Bischof über die Kostendimension des Vorhabens von vornherein Bescheid gewusst habe, wie dessen Chefplaner vor einigen Tagen mit denunziatorischem Unterton meinte, der Journaille mitteilen zu müssen, ist doch wohl wirklich selbstverständlich. Schließlich stecken nur dilettantische Bauherren den Kopf in den Sand und riskieren eine Kostenexplosion.
Dafür loben nun aber auch alle Betrachter des Limburger Ensembles einmütig dessen stimmiges Erscheinungsbild. Dem tut selbst eine etwas exaltierte Badewanne (Modell Duravit Starck, mit Fußgestell und Nackenstützen, 15.000 Euro) nicht wirklich Abbruch. Franz-Peter Tebartz-van Elst steht mit diesem Bau vielmehr in einer großen Traditionslinie: Seit 2.000 Jahren gehören Sakralbauten zum Herrlichsten und Bleibendsten überhaupt, was der christliche Glaube hervorgebracht und hinterlassen hat. Im Übrigen: Es käme wohl niemand auf die Idee, die Bauherren der gotischen Kathedralen Europas für ihren Größenwahn und ihre nachgerade sanguinische Lust an der Verschwendung „zur größeren Ehre Gottes“, wie der diesbezügliche katholische Euphemismus jahrhundertelang gelautet hat, zu schelten. Ganz abgesehen davon, dass derlei Gemaule zur Zeit der Erbauer ohne viel Federlesen und Erbarmen als Blasphemie geahndet worden wäre. Und nicht zu vergessen – die Krönung des Ganzen: der Petersdom. Der wurde einzig und allein errichtet, weil ein Papst (Julius II.) der Meinung war, so hätte eine angemessene Umgebung für seine Grabstelle auszusehen. Da erscheint doch Franz-Peter Tebartz-van Elsts Ausspruch, wer ihn kenne, der wisse, dass er kein pompöses Leben brauche, gleich in einem völlig neuen Licht.
Fazit – wenn die Aufforderung je berechtigt war, dann in der Causa Tebartz-van Elst: „Also wirklich Kinder, nun lasst aber mal die Kirche im Dorf!“
P.S.: Ausdrücklich widersprochen werden soll allerdings einem Kollegen vom Wochenblatt Die Zeit, der meint: „Was in Limburg geschieht, betrifft weder die meisten Deutschen noch ihr Geld. […] Es ist für den gemeinen Steuerzahler irrelevant, ob […] fünf oder dreißig Millionen verbaut werden. […] Dort werden Kirchengelder eingesetzt, keine öffentlichen Mittel.“ Weit gefehlt, lieber Kollege. Kirchengelder bestehen in Deutschland seit langem überwiegend aus direkten und indirekten Leistungen des Staates, also aus allgemeinen Steuermitteln – derzeit knapp 20 Milliarden pro Jahr. (Nicht gerechnet die weiteren 65 Milliarden an Zuschüssen für die christlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas.) Selbst das Gehalt des Limburger Bischofs – Amtskollegen von ihm erhalten etwa 12.000 Euro, monatlich – berappt der Steuerzahler.
Demgegenüber liegt das Kirchensteueraufkommen weit niedriger. 2012 waren das für die katholische Kirche nur 5,2 Milliarden.
Schlagwörter: Franz-Peter Tebartz-van Elst, Sarcasticus