16. Jahrgang | Nummer 16 | 5. August 2013

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Heribert Prantl, neuerlich Geehrter – Tucholsky-Preisträger sind Sie schon des längeren, und weitere honorige Auszeichnungen können Sie die Ihren nennen. Nun sind Sie auch noch mit dem Publizistikpreis der Landeshauptstadt München bedacht worden – und das hochverdient. Verbunden mit großem Respekt und – zugegeben – auch ein ganz klein wenig Neid (bezüglich Ihrer publizistischen Fähigkeiten), gratuliert das Blättchen herzlich und schließt sich der Begründung der Jury für diese Preisverleihung gerne an:
„Der gebürtige Oberpfälzer Heribert Prantl, langjähriger Chef des innenpolitischen Ressorts der Süddeutschen Zeitung und seit 2011 auch Mitglied der Chefredaktion, erhält den Publizistikpreis der Landeshauptstadt München. Seine journalistische Leistung in unzähligen Artikeln, Kommentaren und Essays ist seit Jahren sowohl stil- als auch meinungsbildend in der deutschsprachigen Medienlandschaft und darüber hinaus. Seine scharfe analytische Darstellung der Fakten eröffnet neue Sichtweisen und fordert zum kritischen Diskurs heraus. Im Zusammenspiel mit seiner ebenso geschliffenen wie poetischen Sprache, die das rhetorische Florett dem Säbel vorzieht, werden so selbst komplexe Zusammenhänge in einer an Informationen überbordenden Gesellschaft nachvollziehbar und verständlich.
Der praktizierende Qualitätsjournalist ist zudem ein engagierter und vehementer Verfechter des weltoffenen und sozialen Rechtsstaats mit einem auf den Grundrechten basierenden Wertekanon. Seine Bezüge auf die Rechtshistorie zeigen ebenso sinnlich wie intellektuell Zusammenhänge der gemeinsamen europäischen Geschichte. Auch als Buchautor versteht es Heribert Prantl, seine Finger in die Wunden des Rechtsstaats zu legen und die notwendige Ernsthaftigkeit in der Wahrung und Verteidigung unserer Grundrechte zu fordern. Zu aktuellen Themen der Gesellschaft ist er mit seiner wohl durchdachten Argumentation darüber hinaus ein wohltuend sachlicher Gast in Fernsehgesprächsrunden. Hier versteht er es hier mit ruhiger Präzision – dem unverwechselbaren Dreiklang von Erklären – Bewerten – Einordnen – so manche Aufgeregtheiten der Mitdiskutanten auf den inhaltlichen Punkt zu bringen. Ihm ist seine besondere Verantwortung als meinungsbildender Journalist stets bewusst, und er verteidigt das Prinzip der Gewaltenteilung als Grundlage unseres Rechtssystems, wo immer es nötig ist. Gleichzeitig fordert er die drei Gewalten dazu auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und unseren Rechtsstaat in eine gemeinsame europäische Zukunft zu führen. Aktiv, Partei ergreifend ohne parteiisch zu sein, engagiert: mehr kann man von einem Publizistikpreisträger des Jahres 2013 nicht erwarten.“

Otto Schily, Ironman deutscher Sicherheit – „In einem demokratischen Rechtsstaat spionieren Geheimdienste keine Bürger aus, sondern dienen der Gefahrenabwehr“, haben Sie uns hinsichtlich der NSA-Praktiken beruhigt, mit denen die deutschen Geheimdienste in ihrer fast schon kindlichen Unschuld bekanntlich so gar nichts zu tun haben. Tucholsky, in „Justitia schwoft“ zwar auf andere Gegebenheiten, aber den grundsätzlich gleichen Sachverhalt bezogen, dazu: „Achtunddreißig Hühner treten auf, lachen und trippeln wieder ab.“

Jonathan Meese, grenzenlos Kunstsachverständiger – Dass Sie bei einem Spiegel-Gespräch an der Uni Kassel den Hitlergruß praktiziert haben, sei eine Kunstaktion gewesen, mit der Sie Ihrer Forderung nach einer „Diktatur der Kunst“ Ausdruck verleihen wollten, haben Sie das gegen Sie verhandelnde Gericht wissen lassen. Unabhängig von dessen Urteil warten wir nun auf Kunstaktionen, bei denen Menschen gemeuchelt werden, um gegen das Meucheln von Menschen zu protestieren.

Thomas Lengfelder, Dehoga-Chef – Als Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes haben Sie den Mitgliedern ihrer Vereinigung empfohlen, dem berüchtigten Holocaust-Leugner David Irving keine Räumlichkeiten zu vermieten, wenn er im September in Berlin seine rechtsextremistischen Parolen unter seine Anhänger bringen will. Auch wenn der Brite und seine hiesigen Vasallen sicher Wege finden werden, diesem Verdikt zu entgehen: Es ist ermutigend, wenn jemand wie Sie und die Dehoga-Mitglieder Flagge zeigen. Denn etwas Jämmerlicheres als den bei Courage-Fracksausen gern gebrauchten Hinweis, dass das, was man ablehnt, halt andere machen würden, gibt es kaum.

Efraim Zuroff, Direktor des Simon Wiesenthal Centers Unter dem Motto „Operation Last Chance II“ will Ihre Menschenrechtsorganisation die letzten noch lebenden NS-Kriegsverbrecher aufspüren. Dass Sie dabei auch auf die Unterstützung der Bundesregierung hoffen, ist naheliegend. Wobei sich Ihr Optimismus offenbar in Grenzen hält: „Selbstverständlich wäre es wünschenswert bei diesem so wichtigen Projekt für die finale Aufarbeitung und Bewältigung dieses Abschnitts der deutschen Geschichte, die Bundesregierung auf unserer Seite zu haben und eine Unterstützung bei der Suche zu bekommen. Doch das ist leider bisher nicht erfolgt.“ Damit wird wohl auch künftig in nur sehr übersichtlichem Maße zu rechnen sein. Will der reine Zufall doch, dass zur etwa gleichen Zeit Ihrer Bemühungen die profilierte und engagierte „Nazi-Jägerin“ Kirsten Götze mit ihrer bisherigen Arbeit bei der „Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“ in Ludwigsburg aus ihrem Amte befördert und ihr dafür der freilich viel relevantere Posten als stellvertretende Leiterin eines Gefängnisses in Schwäbisch Hall anvertraut worden ist. So geht Nazi-Verfolgung im Deutschland des Jahres 68 nach dem 8. Mai 1945 …

Angela Merkel, Grökaz bisheriger deutsch-demokratischer Zeiten – Diese Bundesregierung“, hatten Sie uns bereits im Vorjahr wissen lassen, „ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung”. Das zeugt von allerhand Humor, denn mit vielerlei Faktischem darf man das besser nicht abgleichen. Zum Beispiel mit dem Ergebnis einer neuen DGB-Analyse, der zufolge der Staat im vergangenen Jahr 6,1 Millionen Bürger mit Hartz-IV-Leistungen über Wasser halten musste. Und auch damit nicht, dass laut Forschungsinstitut IAB knapp ein Viertel aller Beschäftigten in Deutschland einen Niedriglohn von weniger als 9,54 Euro brutto pro Stunde bezieht und es in Europa nur in Litauen mehr Geringverdiener gibt als hierzulande. Es wird nicht mehr lange dauern, und die Ihnen nahestehenden Zeitungen mit Bild an der Spitze werden wie im Neuen Deutschland von einst Briefe von Werktätigen an die Regierung abdrucken, in denen sie den Regenten – hier nun mit Ihnen an der Spitze – für die kluge und erfolgreiche Politik danken.