von Alfons Markuske
Der Titel der Exposition „Der geteilte Himmel. Die Sammlung. 1945 – 1968“ wurde natürlich unter Anspielung auf Christa Wolfs gleichnamigen Roman gewählt, was die Ausstellungsmacher einem Teil des Publikums gegenüber für erklärungsbedürftig halten, womit sie sicher richtig liegen. Auch ist eine Sequenz des ebenfalls gleichnamigen, auf Wolfs Roman basierenden DDR-Films in der Ausstellung zu sehen. Im Übrigen steht „Der geteilte Himmel“ als Metapher für den Ost-West-Gegensatz, der sich in diesem Fall zeitlich allerdings etwas willkürlich auf die Spanne von 1945 bis 1968 beschränkt, wie es im Untertitel der Schau von Werken aus der Sammlung der Nationalgalerie heißt. Gezeigt werden exemplarische Werke vor allem der Malerei – bürgerlicher, insbesondere abstrakter Kunst auf der einen Seite und auf der anderen der gegenständlichen Bildenden Kunst des Ostens, die fast ausschließlich durch Künstler aus der DDR vertreten wird, die nicht durchweg, aber auch keinesfalls in jedem Fall zu ihrem Nachteil dem ideologisch fest eingehegten sozialistischen Realismus zuzuordnen sind. Was der letzte Teil der Aussage meint, erschließt sich dem Betrachter zum Beispiel vor Werner Tübkes „Lebenserinnerungen des Dr. jur Schulze III“ von 1965, vor Harald Metzkes (weißem) „Pferd“ (vor taubenblauem Horizont) von 1968 und nicht zuletzt vor Hans Grundigs Selbstporträt von 1946 mit seiner an Caravaggio erinnernden Kontrastierung von hellen und dunklen Bildbereichen. Grundig nutzt diese Kontrastierung, um das Porträt mittels einer vertikal verlaufenden Linie in zwei gleichwertige Hälften zu teilen – viel Spielraum für auch gegensätzliche Interpretationen. Schade, dass die Ausstellung diesem Werk nicht das nahezu gleichformatige, mit derselben Hell-dunkel-Kontrastierung und -Schematisierung arbeitende Selbstporträt Grundigs von 1933 beigegeben hat, das ebenfalls zur Sammlung der Nationalgalerie gehört. Dunkles und Helles in der Welt, die der hochpolitische, kommunistische Künstler Grundig reflektierte – nicht nur am Beginn der Naziherrschaft, sondern auch nach deren Ende …
Insgesamt wird wer mit abstrakter Kunst, die die Ausstellung insgesamt dominiert, nichts anfangen kann, dieser Schau wahrscheinlich wenig abgewinnen können. Wer vielleicht trotzdem hineingerät, weil die sehr beeindruckende Vorgängerausstellung „Moderne Zeiten. Die Sammlung. 1900-1945“ entsprechende Erwartungen geweckt hatte, der findet gleichwohl einige höchst beeindruckende Kunstwerke – wie etwa Fritz Cremers überlebensgroße Bronzeplastik „O Deutschland, bleiche Mutter“, geschaffen für die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Auch Wieland Försters „Verzweifelter“ in Erinnerung an die Einäscherung Dresdens im Februar 1945. Auch Franz Radziwills Allegorie „Flandern – Wohin in dieser Welt?“ (geschaffen 1940 bis 1950), das an die Bilder von Otto Dix über den Ersten Weltkrieg erinnert. Und vor allem Renato Guttusos grandioses Gemälde „Die rote Wolke“, dem die Ausstellung sehr folgerichtig einen zentralen Platz einräumt – weil es eine Schnittstelle, einen Brückenschlag zwischen dem abstrakten Mainstream des Westens und dem gegenständlichen des Ostens darstellt. Der Kommunist Guttuso verweigerte sich den ideologisch dogmatisierten formalen Vorgaben des sozialistischen Realismus ebenso wie der Auflösung alles Gegenständlichen im Abstrakten, ließ aber Stilmittel beider Pole in sein Œvre einfließen.
Noch bis 8. September 2013, Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50
10785 Berlin; Dienstag, Mittwoch, Freitag: 10:00 bis 18:00 Uhr, Donnerstag 10:00 bis 20:00 Uhr, Samstag/Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr, Schließtag: Montag. Eintritt: 10,00, ermäßigt 5,00 Euro.
Schlagwörter: abstrakte Kunst, Alfons Markuske, Moderne, Neue Nationalgalerie, sozialistischer Realismus