von Frank-Rainer Schurich
Hans Ernst von Globig gehört neben Huster, Sonnenfels und Hommel zur vordersten Front der deutschen Aufklärer, die sich im Kampf gegen den Inquisitionsprozess verdient gemacht haben. Der studierte Jurist war am Oberhofgericht zu Leipzig tätig, ab 1806 wurde er Geheimrat, Konferenzminister und Direktor der Gesetzeskommission in Dresden. Er beeinflusste die Gesetzgebung in Preußen und fiel in Bayern in Ungnade, weil er den Entwurf des bayerischen Strafgesetzbuches auseinandernahm (1808). 1755 im sächsischen Kurkreis geboren, starb Globig als echter Sachse 1826 in Dresden.
An Globig musste ich denken, als ich neulich aus meinem „Archiv“ alte Kriminalfälle ans Tageslicht beförderte. Es war in der DDR etwas Ungeheuerliches passiert, worüber sogar das Forum der Kriminalistik, das Fachorgan der Kriminalpolizei, 1972 im Heft Nr. 9 berichtete.
Ein junger Mann hatte ein Auto geklaut und es mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Betonmast gesetzt. Totalschaden am Pkw, sogar der obere Teil des Lenkrades war abgebrochen, und auf dem Fahrersitz fanden die Kriminalisten einen abgebrochenen Schneidezahn.
Die Fahndung lief auf Hochtouren, unterstützt von der Diagnose eines Zahnarztes: Ein männlicher Missetäter, Alter 20 bis 25 Jahre, starker Raucher, das Gebiss stark vernachlässigt. Man brauchte folglich den Verdächtigen nur in den Mund schauen und nachsehen, wie es dem zweiten oberen rechten Schneidezahn so geht. Die Fahndung verlief im Sande, obwohl alle Zahnärzte der Region informiert worden waren. Aber einen passenden Patienten hatten sie nicht zu bieten.
Wie immer in derlei Fällen gab plötzlich und unerwartet der Kommissar Zufall Hilfestellung. Bei einer anderen Straftat wurde einige Zeit später ein Zwanzigjähriger festgenommen. Dem Kriminaltechniker fiel bei dessen erkennungsdienstlicher Behandlung „ein globiger, stark vergilbter rechter oberer Schneidezahn“ auf. Da der Festgenommene sich weigerte, dem Kriminalisten sein heruntergekommenes Gebiss vorzuführen, sollte ein Zahnarzt zur Tat schreiten. Schon beim Wort „Zahnarzt“ schlotterten dem jungen Mann so die Knie, dass er noch auf dem Weg dorthin ein umfassendes Geständnis zu allen Missetaten ablegte. Der handwerklich nicht ungeschickte junge Mann hatte sich nach dem Totalschaden aus einem Schweinzahn eine „Prothese“ gebastelt!
Aber wo spielte das Verbrechen vor 40 Jahren, über das Leutnant der K Lothar Döring berichtete? Zu eben dieser Zeit war es im Forum der Kriminalistik zum Schutz des Vaterlandes und zur Verwirrung des Feindes streng verboten, Orte oder Landschaften zu nennen. Es konnte sich ja bekanntlich in der DDR immer alles überall abgespielt haben.
Die Antwort steckt in dem Artikel selbst. Denn „globig“ sagen die Sachsen zu „klobig“, und der „globige“ Schweinezahnfall spielte folglich im Sachsenlande, womit sich der Kreis zu Hans Ernst von Globig auf ziemlich kuriose Weise schließt.
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