15. Jahrgang | Nummer 26 | 24. Dezember 2012

Antworten

Heinz Jakubowski, Teil-Demissionär – Von Anbeginn seiner Existenz eng mit dem Blättchen verbunden, werden Sie sich nun gesundheitsbedingt gänzlich aus dem redaktionellen Geschehen zurückziehen, was wir sehr bedauern, aber auch verstehen. Beruhigt sind wir allerdings von Ihrer Ankündigung, dieser Zeitschrift als Herausgeber auch weiterhin eng verbunden zu bleiben, und so freuen wir uns auf künftige Zu-, Ein- und – wenn es denn sein muss – auch Widersprüche Ihrerseits.

Kurt Tucholsky, Nicht-vorgestellt-zu-werden-Brauchender – Stets aufs Neue lesen wir Sie lernend, mit Vergnügen und Gewinn. Mit einigen Sachen würden Sie allerdings in den heutigen Zeiten stupider political correctness und eines unsouveränen Feminismus nicht mehr ungeschoren davonkommen – „Sieh diesen vorsitzenden Frauen einmal in die Augen, und du erkennst: sie sitzen da, weil sie nicht richtig liegen“ –, selbst wenn Sie Recht hätten.

SPD, alte Tante – In Ihrem Grundsatzprogramm findet sich der Satz: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Das unterstellt im Umkehrschluss, dass Frauen a priori die besseren Menschen sind. Und wenn sie sich als Führungskräfte – wir denken da von Margret Thatcher über Angela Merkel und Friede Springer bis zu Alice Schwarzer – im Falle des Falles nicht weniger rüde benehmen als ihre männlichen Kollegen, dann können das nur die Ausnahmen sein, die die Regel bestätigen. Bisweilen treibt diese Art von Gleichstellungsphilosophie allerdings eigenartige Blüten. So sollen, darüber berichtete jüngst ein bekanntes Hamburger Nachrichtenmagazin, in einem Film, der als Teil des Mahnmals für homosexuelle NS-Opfer gedacht ist, zwei sich küssende Frauen gezeigt werden. Lesbische Frauen waren allerdings im Unterschied zu schwulen Männern keiner vergleichbaren systematischen Verfolgung durch die Nazis ausgesetzt. Gegen diese „Verfälschung der Geschichte“ haben Leiter von KZ-Gedenkstätten protestiert. Waren wahrscheinlich alles Männer, deren Einspruch dann auch folgerichtig nichts bewirkt hat.

Mayas, kalendarische Erblasser – schade, dass auf nichts mehr so recht Verlass ist; wenigstens ein Teil der irdischen Gegebenheiten hätten mit dem 21. Dezember ruhig untergehen können. Da sich Euer Kalender nun aber final erledigt hat, ist auch die letzte Hoffnung dahin.

Horst Seehofer, Politchamäleon – „Es gibt keine Überschreitung, auch nicht ein Touchieren unserer roten Linien“, haben Sie nach Ihrem jüngsten Gespräch mit dem griechischen Premier Samaras verlautbart. Nun könnte man eigentlich erfreut sein, wenn Politiker die Größe zeigen, sich gelegentlich zu korrigieren – nur: Meinen Sie wirklich, dass das Wahlvolk fähig oder willens ist, jede Ihrer Volten nach- oder gar mitzuvollziehen?

Hans Barlach, als bisheriger Minderheitseigner anscheinend erfolgreicher Streiter um die künftige Suhrkamp-Oberhoheit – Wir wollen und können uns nicht anmaßen, ein kundiges Urteil über all das abzugeben, was sich seit geraumer Zeit an Entwicklungen im und um den Suhrkamp-Verlag abspielt. Wenn die Wiedergabe der Ihnen durch Anwalt Peter Raue zugeschriebenen Aussage allerdings korrekt ist, haben wir bezüglich der Suhrkamp-Zukunft  das Gegenteil eines guten Gefühls: „Es ist doch viel günstiger, wenn wir gar keine neuen Büchermehr produzieren, sondern nur noch die Backlist bedienen.“

Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Unschuldslamm, treuherziges – „Es war nie und es wird nie Politik unseres Hauses sein, die Interessen der deutschen Apothekerschaft per Scheckbuch zu vertreten”, haben Sie uns mit Blick auf die jüngst publik gewordene, jahrelange Datenspionage im Bundesgesundheitsministerium wissen lassen. Wir haben herzhaft gelacht; was gut passt – so mitten im Karneval.

Boris Becker, Intelligenzbestie –Großer Bewunderer von Angela Merkel! Ich bin sehr stolz und werde Patriot, als sie Friedensnobelpreis gewonnen hat!“ – haben Sie in die große weite Welt hinaus getwittert. Soviel sachliches und sprachliches Unvermögen bestätigt unsere schlimmste Befürchtung, dass nämlich in Ihrer Zeit als Aktiver beim Tennis-Doppel der Aufschlag des eigenen Partners wohl einmal zu oft Ihren Hinterkopf traf.

Christine Lieberknecht, Thüringen-MPin – 23 Jahre nach dem Deutschland vereinigenden Mauerfall haben Sie für die in einer aktuellen Untersuchung über das Verhältnis von Ost- und Westdeutschen den „Wessis“ konzedierte Fähigkeit zur permanenten Nabelschau eine Erklärung, die eine Landesfürstin (und vormalige FDJ-Sekretärin) wie Sie intellektuell ausgesprochen adelt: „Die ständige Selbsthinterfragung, der intensive Diskurs gehörte im Westen zur Kultur. Aus einer Diktatur kommend kennt man das so nicht.“ Chapeau, für beide Teile dieser grandiosen Analyse! Da auch Sie aus einer Diktatur kommen, ist Ihnen vermutlich die Ironie, mit der wir das meinen, ebenfalls fremd, und daher sei auf diese – eigens für Sie – extra hingewiesen!

Cyril Ramaphosa, Wechseltierchen – 1982 haben Sie im damals rassistischen Südafrika mit wirklich revolutionärem Mut die Gewerkschaft der (zuallermeist schwarzen) Minenarbeiter gegründet und – allemal verdienstvoll – deren Vorsitz ausgeübt. Nach folgenden Jahren im Exil wurden Sie 1991 zum Generalsekretär des ANC und nach dem Ende der Apartheid 1994 zum Vorsitzenden der Verfassungsgebenden Versammlung gewählt. Ende des Jahres 2012 wird Ihr Name von dem medialen Attribut „Erfolg-reicher (Bindestrich von der Redaktion) Geschäftsmann Südafrikas begleitet, und von Forbes werden Sie in der Liste der 40 reichsten Afrikaner geführt. Immerhin hat sich der Kampf für Sie gelohnt – oder, wie schon Altmeister Brecht meinte: „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm.“