von Bernhard Romeike
Worum geht es eigentlich in Sachen Russland? Geht es um Putin oder die Punk-Damen in Moskau? Was ist mit den deutschen Medien? Fangen wir mit den deutschen Medien an. Der Gleichklang (und damit eine ideologisch-politische Kampagne) der Großmedien in Deutschland wird regelmäßig dann hergestellt, wenn Der Spiegel, die FAZ und die BILD-Zeitung sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Dann nehmen die anderen Blätter sowie die Fernseh-Anstalten diese Bälle auf und spielen sie weiter. Dazu braucht es bekanntlich keinen Reichspropaganda-Minister, das stellt sich (oder man) her.
Nun sind die Punk-Damen aus Moskau also verurteilt. Sofort steigt das entsprechend vorbereitete Mediengeschrei auf. Der Spiegel hatte am Montag, dem 13. August, auf dem Titelblatt schon ein entsprechendes Bild der armen Mädchen, und die Titelei lautete: „Putins Russland. Auf dem Weg in die lupenreine Diktatur“. Am Freitag, dem 17. August, heißt es nach der Urteilsverkündung bei SpiegelOnline: „Straflager für Pussy Riot. Der Kreml sät Hass.“ Die Frage, inwieweit in Russland die Gerichte selbständig gemäß den geltenden Gesetzen urteilen, wird einfach ausgeblendet. Und wer hier welchen Hass sät, ist eine andere Frage. BILD.de teilt am 17. August mit: „Der Pussy-Riot-Prozess. Das Urteil: 2 Jahre Straflager“. Und FAZonline: „Nach Protest gegen Putin. Zwei Jahre Lagerhaft für Pussy Riot.“ Die Süddeutsche Zeitung tut wieder etwas mehr drauf, ganz wie der Spiegel: „Russland und die ‚Pussy Riots‘: Ungenierter Abschied vom Rechtsstaat.“
Der Hintergrund für solch Agieren ist zunächst die innere Lage Russlands. Nach den angeblich gefälschten Parlamentswahlen am 4. Dezember 2011, bei denen unbefangene Beobachter berichtet hatte, dass in weiten Teilen des Landes nichts zu beanstanden war, und dann der erneuten Wahl Putins zum Präsidenten am 4. März 2012, bei der von allen Seiten zugeschaut werden konnte, hatten offenbar verschiedene Kräfte im Westen gehofft, Russland nach ukrainischem Muster destabilisieren zu können. Die „Revolution“ blieb aber aus. Die Demonstrationen in Moskau – selbst wenn es, nach Angaben der Veranstalter, je 100.000 gewesen sein sollten, waren das in einer Metropole von 15 Millionen Einwohner immer nur vergleichsweise wenige – schwollen nicht an, sondern ebbten ab. Was sich „Opposition“ nannte, waren Kommunisten, Liberale, Nationalisten und Bürgerbewegungen. Sie einte lediglich die Gegnerschaft zu Putin. Eine gemeinsame Position, wozu auch immer, hatten sie nie. Blieben Facebook, Performances jugendlicher Gruppen, die ohne die Putin-Beschimpfung nie bis Deutschland berühmt geworden wären, und die westlichen Medien.
Und der Westen mit seiner Politik? Wenn es in Moskau eine ernsthafte Auseinandersetzung innerhalb der entscheidenden Gruppierungen gegeben haben sollte, ob man lieber eine eigenständige Macht – im Bündnis mit China – oder Junior-Partner des Westens sein wollte, so trat die offen zutage, nachdem der russische Vertreter im UNO-Sicherheitsrat im Frühjahr 2011 die Libyen-Resolution (die dem Westen den Krieg gegen Gaddafi ermöglichte) mit Enthaltung passieren ließ. Putin (damals noch Ministerpräsident) kritisierte die Zustimmung kurz nach Kriegsbeginn öffentlich, weil der Westen sie ungeniert zum Krieg nutzte. Daraufhin erklärte Medwedjew (damals Präsident), die Außenpolitik mache der Präsident. Und Putin kandidierte wieder.
Der Westen schreit nicht so laut wegen der Pussys, sondern weil Russland unter Putin eben nicht Junior-Partner des Westens sein will. Der Westen erhält im UNO-Sicherheitsrat kein Interventions-Zertifikat gen Syrien, sondern Russland besteht darauf, dass beide Seiten – Assad und die Gegentruppen – die Gewalt einstellen müssen. Die russische Position zu unterstreichen, sind russische Kriegsschiffe und Soldaten auf dem Stützpunkt in Syrien. Das stört die NATO-Kreise. Russland behindert zugleich die Vorbereitungen eines Krieges gegen den Iran. Geplant ist eine Modernisierung der russischen strategischen Waffensysteme, um das Gleichgewicht mit den USA aufrecht zu erhalten.
Und Deutschland? Egon Bahr, der langjährige Vordenker deutscher Außenpolitik, hat immer betont, auch wenn es Ziel der USA-Politik sein sollte, Russland weiter zu schwächen, möglichst weiter zu zerstückeln, Ziel deutscher Außenpolitik muss es sein, gute Beziehungen zu Russland zu erhalten.
Das wird gerade konterkariert. Die Kampagne gegen Putin ist eine gegen Russland. Und damit folgt sie den Interessen der USA. Nicht den deutschen. Und die Menschenrechte sind wieder einmal Instrument imperialistischer Politik. Es soll auch Linke gegeben haben, die sich freuten, vor der russischen Botschaft in Berlin Teil der Kampagne sein zu dürfen und also endlich einmal im Mainstream angenommen zu werden.
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