15. Jahrgang | Nummer 18 | 3. September 2012

Antworten

Neil Armstrong, Verstorbener – Als erster Mensch, der jemals einen anderen Himmelskörper betreten hat, sind Sie seither und auf immerdar eine Legende. Keine andere geschichtliche Tat hat bisher dergestalt die Entwicklung zivilisatorischer Fähigkeiten unserer Spezies dokumentiert wie jene, menschliche Fußstapfen außerhalb unseres Planeten zu hinterlassen. Seinerzeit aus ideologischen Wettbewerbsgründen im Ostblock entweder ignoriert oder befehdet, galt und gilt allemal ihr wohleinstudierter Satz beim ersten Schritt auf dem Erdtrabanten am 21. Juli 1969: „That’s one small step for (a) man, one giant leap for mankind.“

Philip Wallach Blondheim, gänzlich Unbekannter unter diesem bürgerlichen Namen – Wir hatten ewig nichts mehr von Ihnen gehört, und nun sind Sie am 18. August an den Folgen einer langjährigen chronischen Erkrankung gestorben. Sie hatten in Ihrer Karriere nur einen einzigen Hit – aber was für einen! Wer das Stück 1967 zum ersten Mal gehört hat, der kann die Melodie heute noch summen und hat den Anfang des Textes auf der Zunge. Es sollte nur ein kleines Werbeliedchen für das damalige Monterey-Festival werden, aber der Song fegte in kürzester Zeit um den Globus und kümmerte sich dabei einen feuchten Kehricht um Systemgrenzen. Gespielt wird das Stück heute immer noch – vielleicht auch zu Ihrer Begrüßung im Himmel der Pop-Heroen. Apropos: Grüßen Sie uns doch bitte herzlich Janis und Jimi, Elvis, John und Jim und all die anderen, die uns so herrlich jung sein ließen. Den meisten von jenen, die Sie nun wiedertreffen, waren Sie wahrscheinlich auch nur unter Ihrem Künstlernamen bekannt – Scott McKenzie –, und der Anfang Ihres legendären Songs lautet nach wie vor: „If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair.“

Friede Springer (70) & Mathias Döpfner (49), Prinzipalin & Vorstandschef von BILD & Co. – Wow! Das ist der Stoff, aus dem in Zeiten von Finanzindustrie und Turbokapitalismus die Romanzen sind. Sie schenkt ihm mal eben so zwei Prozent der Springer-Aktien im Nennwert von über 70 (in Worten: siebzig) Millionen Euro, und er revanchiert sich mit einem Tango-Kurs als Geschenk zu ihrem 70.! Allein diese Kongruenz der Zahlen erzeugt einen wohligen Schauer. Und erst die bange Frage: Was steckt dahinter? Sie will ihn enger an das Haus Springer binden, war den Medien zu entnehmen. Warum denn das? Macht er einer anderen Witwe schöne Augen? Liz Mohn (71)? Oder einer Jüngeren? Nein – doch nicht etwa Friedes bester Freundin (59)? Der mit der fetten Villa vis-à-vis vom Reichstag. Und da taucht sie auch schon auf, die nächste, nicht minder bange Frage: Ob zwei Prozent genügen werden, ihn zu halten, wenn er davon 50 Prozent als Schenkungssteuer an den Fiskus abdrücken muss? Wahlweise 36 Millionen Lohnsteuer, er ist ja quasi ihr Angestellter, sind auch keine wirklich prickelnde Alternative. Da darf mitgezittert werden! Vielleicht gelingt es ja, das Aktienpaket unter der im Erbschaftssteuerrecht geltenden Verschonungsregel für Betriebsvermögen zu parken – dann wären immerhin 85 Prozent der milden Gabe steuerfrei. Bliebe noch der Tango-Kurs, den der Jüngere der Älteren geschenkt hat. Zum gemeinsamen Absolvieren, wohlgemerkt. Bisschen mickrig vielleicht, aber hoch symbolträchtig! Schließlich hat bei keinem anderen Tanz der Macho, äh, der Mann die Hosen so dominant an wie bei diesem argentinischen Schmalz-Schieber. Die Botschaft scheint klar, gebiert jedoch sofort die nächste bange Frage: Ob weiter Friede herrscht, wenn Friede weiter herrscht? Wow! Wow!

Claudia Obert, scharfsinnige Analystin – Als Modeunternehmerin haben Sie Millionen gemacht, es sei Ihnen gegönnt. Und Sie haben im Verlauf besagter Karriere offenbar auch gesellschaftspolitische Erfahrungen sammeln können, deren Relevanz im Unterschied zur Mode axiomatischen Charakter und somit für unser Gemeinwesen einen großen Nutzen haben könnten, gingen Sie damit nur in die Politik. „Ich bin sowieso der Meinung, dass es in Deutschland keine Arbeitslosen gibt, sondern nur Arbeitsscheue“, haben Sie das TV-Publikum via Maischberger wissen lassen – wenn das nicht zu einem Führungsposten in der FDP reicht!

Ferdinand Dudenhöffer, „Auto-Wissenschaftler“ der Universität Duisburg-Essen – „Noch nie hatten in Deutschland neue Autos so hohe Motorisierungen“, haben Sie als Experte im Zuge einer Studie den Trend zusammengefasst, der belegt, dass seit 2010 immer mehr kraftvolle Wagen gekauft werden. Hatten neue Autos 2010 laut Essener Studie im Schnitt 130 PS, so waren es 2011 rund 135 PS. Das, so können Sie unschwer folgern, belegt, dass die Autofahrer in Deutschland „so gut wie nicht auf Treibstoffpreise reagieren“. Steigende Preise würden den Trend zu mehr PS nicht stoppen. Deswegen seien Kohlendioxidauflagen der EU nötig. Das ist ebenso folgerichtig wie folgenlos. Das Auto als Alibi-Ausdruck einer ansonsten nur selten gegebenen individuellen Kraft ist manipulativ als Lebenswert viel zu verinnerlicht, als dass da Analysen und Appelle etwas Nennenswertes bewirken könnten. Und das Wagnis, zwecks CO2-Ausstoß ein Tempolimit einzuführen, wie es in fast allen anderen europäischen Ländern gilt, traut sich keine deutsche Regierung. Ob CDU oder FDP, Grüne oder FDP – den Kampf gegen die Volkspartei ADAC könnten sie nur verlieren. Also heucheln alle munter weiter.

Lars Windhorst, Stehaufmännchen – Als einen „Jungen, der an die Zukunft glaubt“, hat der ewige Kanzler Helmut Kohl einst Ihren – damals noch sehr jungen -– Unternehmungsgeist geadelt, auf dessen Basis Sie forsch Unternehmungen begründeten und so als „Wunderkind“ Furore machten. Nun sind diese Ex-Firmen längst pleite und Sie wiederum in 27 Fällen wegen Untreue vom Berliner Landgericht verurteil worden. Ein echtes Wunderkind lässt seinen Unternehmungsgeist indes von solchen Petitessen nicht stoppen. Und so sind Sie, mittlerweile „schon“ 35, nun Mitinhaber einer Firma, die neuerlich Zukunftsträchtiges unternimmt: Sie kaufen für Investoren Ackerland im afrikanischen Sambia. Wie die Afrikaner dürfen auch wir Umtriebigen wie Ihnen dankbar dafür sein, dass Kolonialismus sich heute so unblutig und smart vollzieht…

Jan Zijderveld, Europa-Chef von Unilever – Mit Ihrer Feststellung „Die Armut kehrt nach Europa zurück“, haben Sie als Repräsentant des drittgrößten Konsumgüterherstellers der Welt einmal mehr belegt, dass die Wirtschaft – schon um ihres Fortbestehens Willen – gesellschaftliche Entwicklungen oft realistischer wahrnimmt als die Politik. Und dass sie flexibel darauf reagiert, indem eben Unilever nach einschlägigen Erfahrungen seines Vertriebs in armen Ländern nun auch in Europa Kleinpackungen für jene anbieten will, deren Geldbeutel dünn bestückt ist. Damit lässt sich nach Ihrer Aussage noch immer „ordentlich Geld verdienen“. Was allerdings auch bei Realisten wie Ihnen eine Fehlstelle bleibt, ist die Frage, welchen politökonomischen Mechanismen die Rückkehr der Armut nach Europa zu verdanken ist.

Jürgen Trittin, Empfohlener – „Wenn die Grünen klug sind, machen sie Trittin zum Spitzenkandidaten“, hat Altkanzler Schröder zu Ihrer Kandidatur fürs kommende Wahljahr angemerkt. Einen entsprechenden „staatsmännischen Habitus“ hätten Sie sich jedenfalls erarbeitet. Ob Schröders Engagement für Sie als Unterstützung oder Belastung zu verstehen ist, liegt aber sicher im Auge des Betrachters.

Alexander Dobrindt, christsozialer Generalscharfmacher – Wir wissen längst, dass die vornehmliche Aufgabe von (nicht nur) CSU-Generalsekretären darin besteht, als Wadenbeißer Positionen zu verlautbaren, die Ihre Partei gern in toto verträte, sich aber zunächst vorsichtig der öffentlichen Reaktionen darauf versichern muss, um Gerede wie das Ihre gegebenenfalls als Einzelmeinung abzutun. So gesehen sind Leute wie Sie Watschenmänner, was einem fast schon leid tun kann. Es ist aber als Karrierephase wohl unumgänglich, um sich zu noch Höherem zu qualifizieren. Dass es diesmal um Ihre Bild-gerechte Äußerung geht, dass an einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone kein Weg vorbeiführt, sei hier fast nur beiläufig angemerkt, es ist ja nur ein Beispiel von vielen. Und dass solch Griechenland-Bashing selbst von jeder Menge Politiker-Kollegen als „verantwortungslos“ charakterisiert wird, ebenfalls. Die Ihnen parteipolitisch aufgetragene „Verantwortung“ haben Sie generalsekretärisch jedenfalls wieder einmal vorbildlich erfüllt.

Erich Honecker, nun 100jährig – dieses Ihres Jubiläums ist medial hierzulande umfänglich und vielgestaltig gedacht worden: Die Palette reichte erwartungsgemäß von Häme über Nostalgie bis zu Sachlichkeit; anteilig etwa in dieser Reihenfolge. Ihr Schicksal: Belastet mit der Lebenserfahrung der Verfolgung als Andersdenkender, hatten Sie diese im Umkehrschluss in Ihre Machtausübung übernommen. Im Gegensatz zu all Ihren Verlautbarungen hatte Sie das Misstrauen gegen das eigene Volk nie verlassen. Das Schicksal „Ihres“ Volkes: Es hat sich entmündigen lassen; dies größtenteils aber bereitwillig, jedenfalls nicht wirklich widerständig. Nun gibt es für Völker ja kein Geburtsjubiläum; gäbe es eines, würde dem Gros der DDR-Belegschaft auch kein Ruhmesblatt auszustellen sein.

Gertrud Höhler, Kassandra im Fadenkreuz? – Sie sollten ab sofort den Wohnungsschlüssel von innen zweimal herumdrehen, auch die Kette nicht vergessen und keinesfalls in den Bereich der Fenster treten. Dass unsere Bundeskanzlerin für Sie das „Mädchen Angela, herübergeweht aus dem deutschen Begleitboot des Supertankers Sowjetunion“ ist – geschenkt. Dass Merkel eine Kanzlerin mit „Erfahrungsvorsprung im Gleichschaltungsregime“ sei und bereits „ein autokratisches Regime installiert“ habe – Gekläff einer düpierten Beraterin, die wie einst Koch, Merz, Oettinger und Co. zur Kenntnis nehmen musste, dass sie im Dunstkreis der politischen Führung keinen Fuß mehr auf den Teppich bekommt. Und dass niemand „unter den Tätern, die Europa durch Rechtsbrüche und Verfassungsverstöße retten wollen, […] für diese lautlose Sprengung der Pfeiler, auf denen Europa und seine Staaten ruhten, eine so natürliche Qualifikation […] wie die deutsche Kanzlerin“ mitbringe – das war zwar fein beobachtet, wäre Ihnen aber wohl auch noch durchgegangen. Nun aber legen Sie, erst in der FAZ, aufgegriffen vom Spiegel, und jetzt in Ihrem brandheiß in den Buchläden liegenden Pamphlet „Die Patin“ ein Schlagwort nach, bei dem, so fürchten wir, die Freundschaft aufhört: Im „System M“ (wie Merkel) sei ein „autoritärer Sozialismus“ angelegt. Ja, sind Sie denn des Teufels? Sie glauben doch nicht etwa, dass Sie es nur mit dem „Mädchen“ zu tun haben? Die war Agit-Prop-Funktionär in der FDJ! Wissen Sie nicht, was Seilschaften sind? Sie haben es doch terminologisch präzise auf den Punkt gebracht – „das System M“. Und Systeme – ob mit Patin oder ohne – sind ganz und gar nicht amused, wenn Ihre Absichten breitgetreten werden. Also – drehen Sie den Schlüssel jetzt besser zweimal herum …

Franz Peter Tebarz-van Elst, Premium-Bischof von Limburg – „Das ist der Mensch des Glaubens – bettelarm und gnadenreich“, verkündigten Sie ihren Schäfchen dereinst in einer Weihnachtsansprache. Und zu Mariä Himmelfahrt legten Sie nach: „Wer die Armut in sich selbst wahrnimmt, wird die wirkliche Größe Gottes entdecken.“ Das war wacker getönt für einen Amtsträger jenes Katholizismus, dessen Prunk, Protz und Üppigkeit dem Betrachter nicht nur in oberbayrischen Barockkirchen ob des Kontrastes zu dem ärmlichen jüdischen Zimmermann, zu dessen Ehren dergleichen errichtet worden sein soll, immer wieder den Atem verschlagen. Doch nun wurde dieser Tage öffentlich, dass Sie gottseidank doch nicht gänzlich aus der Art geschlagen sind. Als Sie unlängst nach Indien unterwegs waren, um Kindern zu helfen, „die in Steinbrüchen tätig sind“, reisten Sie höchst standesgemäß im Oberdeck eines Jumbojets – First Class. Ob Sie sich dabei allerdings in einer besonders subtilen Art der Askese kasteiten und den Service (Champagner, Kaviar, ein Bett) verschmähten, ist nicht bekannt. Vielleicht mussten Sie ja auch nur einfach mal ein paar Tage raus, damit die Handwerker in Ihrer Residenz in Limburg richtig ranklotzen konnten. Apropos: Es klingt schon ein wenig nach Baumarkt, wenn Sie beteuern, dass dabei „nur heimische Materialien verwendet“ wurden, zum Beispiel „Kalkstein aus dem Altmühltal, Schiefer von der Mosel, Holz aus Mittelhessen“. Aber es sollte Ihrer Diözese, in der allenthalben Geld für Kircheninstandhaltungen und konfessionelle Kindergärten fehlt, ja auch nicht zu teuer kommen. So hat die Rekonstruktion Ihrer bescheidenen 120-Quadratmeter-Kemenate denn auch nur 200.000 Euro gekostet. Insgesamt soll der Residenzkomplex inklusive exklusiver Privatkapelle aber doch auf 5,5 Millionen kommen, wie die Schmähgazette Spiegel hämisch auflistete. Die warf Ihnen auch vor, dass Sie Ihren Gläubigen „nicht Wein, sondern Wasser“ predigten. Ja was denn sonst! Als ob es nicht noch teurer würde, wenn die auch noch alle Champagner söffen.