15. Jahrgang | Nummer 17 | 20. August 2012

Ach Rheinsberg

von Angelika Leitzke

Rheinsberg rückt in diesem Jahr in den Brennpunkt der Fridericomania. Das bedeutet: Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theater ohne Ende. Das bedeutet auch: steigende Zahl der Touristen, mögen sie nun aus Berlin, Buxtehude, dem Lande Brandenburg oder Bangkok kommen. Glücklich gepriesen sei, wer ein Auto besitzt, vermerkte doch auch der viel zitierte Theodor Fontane: „Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen ist nicht leicht. Die Eisenbahn zieht sich auf sechs Meilen Entfernung daran vorüber und nur eine geschickt zu benutzende Verbindung von Hauderer und Fahrpost führt schließlich an das ersehnte Ziel. Dies mag es erklären, warum ein Punkt ziemlich unbesucht bleibt, dessen Naturschönheiten nicht verächtlich und dessen historische Erinnerungen ersten Ranges sind.“
Fontane notierte dies 1862, anno 1899 traf das erste Dampfross in der Stadt ein. Doch merkwürdig: Über hundert Jahre später, als uns der 300-jährige Friedrich aus seiner Gruft von Schloss Sanssouci bar nun aller Sorgen zu lacht, ist es immer noch nicht leicht, den so sehenswerten Ort zu erreichen, obgleich die Optionen höchst vielfältig sind – sofern sie von der Bahn offeriert werden.
Nehmen wir als Start den zentral gelegenen Berliner Bahnhof Zoo an. Hier benötigen Reisende nach Rheinsberg gute zwei bis drei Stunden, sofern die S-Bahn fährt, man als Nichteinheimischer das Ticket am Fahrkartenautomaten knacken kann und weiß, in das richtige Zugabteil des Regios einzusteigen. Man nehme dann am S-Bahnhof Henningsdorf den RE 6 nach Wittenberge und versäume es nicht, in Neuruppin an der verführerischen Haltestelle Rheinsberger Tor (nein, wir sind noch nicht da!) auszusteigen, von wo aus dann ein Bus – Fahrräder nicht gestattet – in einer guten dreiviertel Stunde bis vor das Rheinsberger Schloss schaukelt: durch Fontanes viel besungene Ruppiner Schweiz mit ihren Kiefern-, Eichen- und Buchenwäldern. Man kann auch von Zoo aus mit der S-Bahn nach Spandau fahren und von dort über Falkensee-Henningsdorf mit dem RE 6 Richtung Wittenberge respektive Wismar nach Neuruppin reisen, wo man umzusatteln hat auf einen Zug, welcher den Fahrgast über Lindow nach Rheinsberg bringt, dies aber nur sonntags.
Verschlungen sind stets die Wege, die einen glücklich ans Ziel bringen, vor allem, wenn es Rheinsberg heißt. Bis voraussichtlich Mitte Oktober 2012 fährt wegen des von Bundesverkehrsminister Ramsauer begrüßten, geschwindigkeitsfördernden Ausbaues der Strecke Berlin-Rostock mit EU-Geldern, der Oranienburg als Bahnhof ausschaltet, die Regionalbahn nicht über Löwenberg, vom S-Bahnhof Oranienburg in 20 Minuten mit dem Regio zu erreichen, sondern Neuruppin nach Rheinsberg. Der RE 6 via Spandau-Falkensee-Henningsdorf ohne Stopp Zoologischer Garten startet dabei in Berlin-Gesundbrunnen, wo wiederum der Bau der geplanten Empfangshalle noch auf sich warten lässt. Der kürzeste Weg zwischen Löwenberg und Rheinsberg direkt dauert sage und schreibe drei Stunden! Um Verzögerungen einzukalkulieren, empfiehlt die Deutsche Bahn freundlicherweise die Lektüre ihrer Website unter dem Stichwort „Bauarbeiten“. Es muss immer mit allem gerechnet werden, besonders wenn ein deutscher ICE auch noch den Namen „Rheinsberg“ trägt.
Neuruppin ist die Stadt Fontanes. Dorthin zu gelangen ist geradezu ein Kinderspiel, was den Schluss zulässt, dass der Hugenottenspross vielleicht von den Zuständigen doch mehr geschätzt wird als der olle Fritz. Immerhin beglückwünschen wir das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn zu ihrem Erfindungsreichtum bezüglich der Möglichkeiten, nach Rheinsberg zu gelangen. Am sichersten wäre es heute aber bestimmt, nach Rheinsberg zu Fuß zu gehen. Fahrzeit? Vielleicht eine halbe Tagesreise, dies gratis. Sofern der Märkische Sand nicht zu gut durchfeuchtet ist.