von Günter Hayn
Ein Proteststurm wehte am 7. Juli über Thüringens beliebtesten Höhenweg, den Rennsteig. Genau genommen wehte er auch nicht über den Rennsteig. Er wehte durch einige Amtskorridore in der Landeshauptstadt Erfurt und knappe zwei Tage lang über die Frequenzen des vollkommen regierungsfernen Rundfunksenders MDR-Thüringen. Es ging um den Verfassungsschutz. Nicht dass Sie jetzt denken, man regte sich über dessen Versagen im Falle der hiesigen Nazi-Szene auf. Oder gar über die Tatsache, dass ein unter Vergesslichkeit leidender Innenstaatssekretär einem noch vergesslicheren Innenminister einen Menschen als Chef-Schlapphut unterjubelte, der das auch nicht so richtig mitkriegte, weil er nach eigener Aussage zum Zeitpunkt der Mitteilung der bevorstehenden Ernennung nicht ganz fahrtauglich war.
Nein, die Erregung richtete sich gegen die Benennung einer zutiefst geheimen Operation des Bundesamtes für Verfassungsschutz – in Kooperation mit dem Thüringer Verfassungsschutz, aber der weiß ja sowieso von Nichts, und dem Militärischen Abschirmdienst –, für die man sich den poetischen Namen „Operation Rennsteig“ hatte einfallen lassen. Man regte sich auch nicht darüber auf, dass wegen ebendieser „Operation“ am 20. Oktober 1997 die Staatsanwaltschaft zurückgepfiffen wurde, die seinerzeit ziemlich nahe an der braunen Mafia dran war. Wenige Tage zuvor hatte man in der Nähe von Saalfeld das bis dato größte Waffenlager der Thüringer Nazi-Szene ausgehoben. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Die Akten sind nicht auffindbar. All das regte aber weniger auf als die vorgenommene Benamsung. Die trage nämlich dazu bei, unseren Rennsteig in ein zutiefst ungerechtes rechtes Licht zu rücken: Er ist nicht braun, er ist grün! Unerhört fanden die thüringischen Tourismus-Werber und die Fremdenverkehrsverbände das Vorgehen des Bundesamtes, zutiefst geschäftsschädigend und den Freistaat stigmatisierend. Der Verfassungsschutz habe den Rennsteig mit „brauner Soße“ überzogen, meinte der Chef des Rennsteig-Laufes Jürgen Lange. Und ein gewisser Florian Meusel vom Verband Naturpark Thüringer Wald schob die von großer Sensibilität für die eigene Tasche gekennzeichnete Bemerkung nach: „Damit hat man uns ganz schön ins Knie geschossen.“ Wohlgemerkt, ins Knie! Schließlich habe, so der kollektive Aufschrei der Empörten, schon Herbert Roth mit seinem „Rennsteig-Lied“ dem alten Grenzweg und damit ganz Thüringen ein positives Image geschaffen. Das werde durch solche Decknamen auf verantwortungslose Weise beschädigt. Auf unseren Rennsteig lassen wir nichts kommen!
Übrigens war die „Operation Rennsteig“ ein Beitrag zu der von vielen, vor allem den so genannten Linken geforderten „Transparenz der Dienste“. Von den etwa 150 Mitgliedern des „Thüringer Heimatschutzes“, der militanten Nazi-Vereinigung gegen die man ermitteln wollte, indem man die Ermittlungen gegen waffenhortende Faschisten einstellte – ihr gehörte auch das NSU-Mördertrio an –, versuchte man rund 35 als V-Leute zu werben. Bei solcher Quote dürften auch die restlichen vier Fünftel von der Sache erfahren haben. Wenn die Einbeziehung der zu Observierenden in ihre eigene Observierung kein Zeichen von offener Geheimdienstarbeit ist! In anderen Gegenden nennt man das, was hier im Freistaat gelaufen ist, allerdings Beihilfe, Beihilfe zu einem Straftatbestand, der nach deutschem Recht nicht verjährt. Wohlgemerkt, die Mordserie der braunen Truppe begann erst einige Zeit nach dem Einstellen der Ermittlungen gegen die braunen Horden im mittleren Saaletal. Aber was kümmert das die Landesregierung in Erfurt. Aufklärung sei eben ein Prozess, meinte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), als Mitte Juli völlig unerwartet Akten aus den Ablageschränken der Kriminalpolizei auftauchten, deren Inhalte die Geheimdienste mit Fleiß aus Gründen des Datenschutzes geschreddert hatten. „Ich bin ein lust’ger Wandersmann, so völlig unbeschwert“, trällerte einst Herbert Roth. Passt!
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