14. Jahrgang | Nummer 23 | 14. November 2011

Bemerkungen

Ein deutsches Künstlerleben

In der Nacht vom 5. zum 6. April 1944 erhängte sich der Zeichner Erich Ohser in seiner Zelle. Am 6. April sollte vor Roland Freislers „Volksgerichtshof“ gegen ihn und seinen Freund, den Schriftsteller Erich Knauf, verhandelt werden. Knauf wurde „wegen defätistischer Äußerungen im Luftschutzkeller“ zum Tode verurteilt und am 2. Mai 1944 im Zuchthaus Brandenburg mit dem Fallbeil umgebracht. (Warum nennen manche den Mord immer noch „Hinrichtung“ – wissen sie nicht um die Verharmlosung, die in diesem Wort mit dem Anstrich von Rechtsstaatlichkeit steckt?). Der Luftschutzkeller gehörte zum Haus Am Feldberg 3, das steht in Berlin-Kaulsdorf. Die beiden hielten sich seit November 1943 dort auf, weil ihre Wohnungen durch den Bombenkrieg zerstört waren – Ohser wohnte am Hoffman-von Fallersleben-Platz 2 in Wilmersdorf. In einem Brief schrieb er von den „Straßenleichnamen“ Berlins. Nach Stalingrad und Kursk und dem Erlebnis der immer schutzloser werdenden deutschen Städte musste es jedem Denkenden klar sein, dass der Krieg verloren war. Ohser und Knauf sagten das laut. Und ihr Problem war, dass im selben Luftschutzkeller ein Berufskollege saß, der als Hauptmann bei OKW tätige Bruno Schultz. Der erstattete seinem Chef am 22. Februar 1944 schriftlich Meldung. Die Verhaftung erfolgte am 28. März. Ein Freund Ohsers, der Journalist Gerhart Weise, hätte ihn warnen können. Er unterließ es. Dafür bestätigte Weise die Glaubwürdigkeit des Denunzianten gegenüber dem Reichspropagandaministerium. Am 7. März! Dies berichtet Eva Züchner in einer Biografie ihres Vaters, eben jenes Gerhart Weise, die unter dem Titel „Der verschwundene Journalist“ 2010 im Berlin Verlag erschienen ist. Das Goebbels-Ministerium hatte offenbar Zweifel. Die beiden Angezeigten waren keine Unbekannten. Erich Knauf arbeitete als Pressechef bei der Terra Film und schrieb den Text einer der bekanntesten Nazi-Schnulzen „Heimat, deine Sterne“ für die Propagandakomödie „Quax, der Bruchpilot“ (1941). Erich Ohser war erfolgreicher Zeichner von politischen Karikaturen der Wochenschrift Das Reich, in der Joseph Goebbels regelmäßig den Leitartikel schrieb. Widerstand kann man das nun nicht gerade nennen. Das waren auf subtilere Weise eher die populären Vater-und-Sohn-Comics Ohsers, die er von 1934 bis 1937 in der Berliner Illustrierten Zeitung unter dem Pseudonym e.o.plauen veröffentlichte. Zur Zeit informiert eine Ausstellung im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf über den Lebensweg und das Werk dieses Künstlers, der, wie seine Plauener Nachlassbetreuerin Elke Schulze formulierte, wirkungsvolle Propagandazeichnungen verfertigte, damit er „seine Haut für die Nazis nicht zu Markte tragen“ müsse und der dennoch – weil er mit seiner Meinung zunehmend nicht hinter dem Berg halten konnte – ihr Opfer wurde.

Wolfgang Brauer

Erich Ohser (1903-1944) – e.o.plauen. Lebensbild und Künstlerschicksal. Eine Ausstellung der Erich Ohser – e.o. plauen Stiftung mit Ergänzungen des  Bezirksmuseums Marzahn-Hellersdorf, bis 8. Januar 2012, Mo/Die/Do 10 bis 17 Uhr, Mi 10 bis 19 Uhr; So 11 bis 17 Uhr; Eva Züchner, Der verschwundene Journalist. Eine deutsche Geschichte, Berlin Verlag, Berlin 2010, 288 Seiten, 22 Euro.

 

Der Souverän als Depp

Immer, wenn das Volk, beziehungsweise etwa dessen Hälfte, seine Stimme zu einschlägigen Wahlen abgibt und irgendeine der beiden Großparteien als – natürlich klarer –Sieger hervorgeht, dann wird „unseren Menschen“ von den nun mit Regierungsmacht Ausgestatteten attestiert, dass sie der Souverän sind und SPD oder CDU mit der Regierung beauftragt haben. Und dass sie jeweils richtig und weise gewählt haben, versteht sich.
Solcherlei hört man seltsamerweise nicht, wenn es um eine für unser Gemeinwesen existentielle Frage geht, wie etwa den Beitritt zum Euro oder die Bestätigung des milliardenschweren und durchaus auch das eigene Eingemachte bedrohende Rettungspaket für eben jenen Euro. Der Souverän ist – anders als in Frankreich, Dänemark und Irland – nie gefragt worden, obwohl es sich um essenzielle Fragen der gesellschaftlichen Zukunft handelt. Die Regierung hat ja ihr Mandat, beständig wie Kleinanzeigen in DDR-Zeitungen, die einst unter der Überschrift „Gilt Immer“ irgendwelche Schwarzarbeitsdienste anboten. Es scheint in Deutschland, dem Volk nicht nur der Dichter, sondern auch der Denker, mit der Urteilsfähigkeit seiner Bewohner nicht mehr weit her zu sein, wenn man betrachtet, wie wenig Widerstand sich dagegen regt, unter dem Banner der Demokratie demokratisch entmachtet zu werden.
Wobei der Gipfel all dessen grade zu erleben war, als Papandreous Idee, die Griechen in die Lösung der extrem schweren Situation des Landes einzubeziehen, hierzulande richtiggehend verteufelt wurde. Wenn es in erster Linie darum geht, Banken zu retten, ist und bleibt der Souverän der Depp. Es sei denn, er gehört zur Liga der finanziell Auserwählten – dann braucht sich der Souverän nicht darum zu sorgen, dass die schließlich auch von ihm gewählten Regenten ihn im Regen stehen lassen; Rettungsschirme werden ohne lästige Volksbefragung behende aufgespannt. Nicht, dass ich nun der Ansicht wäre, eine Mehrheitsentscheidung sei auch in jedem Falle eine vernünftige und die damit jeweils optimalste; bewahre. Aber wie die Demokratie als eines der wertvollsten Kulturgüter der Menschheit immer wieder und mehr und mehr zur Hure gemacht wird, wenn sie nicht gerade gebraucht wird, um sich auf sie zu berufen, ist – nun ja, Max Liebermann hat es bekanntlich ebenso drastisch wie trefflich formuliert …

Hajo Jasper

Der ehrbare Kaufmann

Sucht man in der Literatur nach Zeugnissen für das Verständnis der Ehrbarkeit eines Kaufmanns, stößt man zwangsläufig auf den Italiener Francesco Pegolotti, der im 14. Jahrhundert in seinem Werk „La Practica della Mercatura“ quasi eine europäische Wirtschaftskultur zu definieren versuchte. Dieses Handbuch für Kaufleute wird mit einem Vers eröffnet, den wiederzugeben sich heute vielleicht mehr lohnt denn je – auch wenn aus zeitgenössischer Sicht ein Kirchgang von Kaufleuten nicht mehr zwingend dessen Ehrbarkeit ausmacht.
In freier Übersetzung:

Der Kaufmann, der Ansehen genießen will,
muß immer gerecht handeln,
große Weitsichtigkeit besitzen
und immer seine Versprechen einhalten.
Wenn möglich, soll er liebenswürdig aussehen,
wie es dem ehrenwerten Beruf, den er gewählt hat, entspricht
aufrichtig beim Verkauf, aufmerksam beim Kauf sein,
er soll sich herzlich bedanken und von Klagen Abstand halten.
Sein Ansehen wird noch größer sein, wenn er die Kirche besucht,
aus Liebe zu Gott spendet, ohne zu feilschen
seine Geschäfte abschließt und sich strikt weigert,
Wucher zu betreiben. Schließlich soll er vernünftig
seine Konten führen und keine Fehler begehen.
Amen

Ackermann I

Da dank Foodwatch nun der Skandal der Bankengeschäfte mit Agrarspekulationen öffentlich gemacht worden ist – vorher freilich nicht –, hat sich der sonst erwiesen dickhäutige Josef Ackermann zu einer ausladenden ethischen Geste aufgerafft. Er teile das „Betrübnis darüber, dass viele Menschen auf dieser Welt immer noch in Armut leben und Hunger leiden müssen“. Die Deutsche Bank werde den von Foodwatch veröffentlichten Bericht „Die Hungermacher“ „gründlich prüfen“ und gegebenenfalls „entsprechende Konsequenzen“ daraus ziehen. Nun ist die Bedenkenlosig- und Widerlichkeit, mit der Banken aus jedem und allem Gewinne pressen, alles andere als neu und auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass es außer den Anbietern solcher Wertpapiere schließlich auch Käufer dafür gibt. Erwin Pelzigs Vorschlag in der jüngsten ZDF-„Anstalt“, auch deren Namen mal öffentlich zu machen, gefällt mir gar gut …

hpg

Ackermann II

Es ist erst wenige Wochen her, da hat Josef Ackermann den Schuldenschnitt für Griechenland persönlich mit ausgehandelt. Nun folgt sein Zähneklappern, denn man habe damit die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Und das wiederum könne für die Finanzierung der Staaten schwere Folgen haben. Ei gewiss, nur dass die jahrzehntelange bedenkenlose Kreditausgabe der Banken dafür das ihre getan hat; der Bock warnt vor dem Gärtner. Weiß der Geier, warum ich mich – wieder mal – an Tucholsky erinnert fühle: „Und gehts gut, so ist der Kapitalist ein tüchtiger Kerl, auch zeigt dies, daß die Wirtschaft nicht auf private Initiative verzichten kann. Geht’s aber schief, so ist das ein elementares Ereignis, für das natürlich nicht der Nutznießer der guten Zeiten, sondern die Allgemeinheit zu haften hat.
Wirf den Bankier, wie du willst: er fällt immer auf dein Geld.“ (1932)

HWK

Das Fanal ist da

Noch immer rätseln Weltrettungsbeauftragte: Was in Deutschland wäre in der Lage, die Bürger wirklich massenhaft aufzurütteln, um ihnen klarzumachen, dass die sozialökonomische Talfahrt bald am Baum enden wird. Aber ach, zu den mühevoll organisierten Demos kommen selten mehr Menschen als es die Organisatoren bereits sind. Und aus dem Occupy-Zelten wird öffentlichkeitswirksame Protestform schon deshalb nichts, weil es viel zu umständlich ist, dafür die behördlichen Genehmigungen einzuholen. Ja, die bisherige Lage war deprimierend für all jene, die dem Finanzkapital möglichst final in den Arm fallen wollen.
Aber nun ist es da, das Fanal! „Brauereien erhöhen Preise. Bier wird teurer“ hat die Süddeutsche Zeitung getitelt und investigativ geoffenbart, dass der deutsche Schluckspecht für den heimischen Gerstensaft künftig bis zu fünf Prozent mehr zahlen soll. Wenn das keine revolutionäre Wirkung hat wie dereinst der Schuss der „Aurora“ in Petersburg, dann ist der Michel allerdings endgültig verloren. Zumal die globalisierten Verhältnisse es diesmal nicht bei der lokalen Wirkung der „Münchener Bierrevolution“ von 1844 belassen werden, die Ludwig der I. nach einer ebensolchen Bierpreiserhöhung durch deren Rücknahme grade mal noch hatte begütigen können. Diesmal steht eine Eruption in Aussicht wie nach der französischen Brotpreiserhöhung von 1789. Was der folgte, ist geschichtsnotorisch: Erst der Sturm auf die Bastille und dann eine europäische Geschichtswende.
Also: Biertrinker aller Länder, hört die Signale und vereinigt euch! Auf zum letzten Gefecht!

Hans Jahn

 

Unter Gangstern

Versteht sich das Blättchen als alles andere denn ein readers digest, so sind Textwiedergaben aus anderen Publikationen doch immer wieder mal sinnvoll. So auch bei der folgenden Passage aus einem Artikel, der sich am 3. November in der Berliner Zeitung unter der Überschrift „ Das kann ich nicht bezahlen“ damit befasste, dass und wie immer mehr Mieter unter dem Förderstopp für Sozialwohnungen leiden, weil die Vermieter ihre Preise drastisch erhöhen:
Clevere Geschäftsleute haben inzwischen erkannt, dass sich an den Sozialwohnungen gut verdienen lässt – wenn sie denn in einem begehrten Wohnquartier liegen. Wohnungen wie in der Greifenhagener Straße in Prenzlauer Berg lassen sich inzwischen locker für mehr als 10 Euro je Quadratmeter neu vermieten – oder teuer verkaufen. Vorher müssen die alten Mieter nur zum Auszug gedrängt werden. Um das zu erreichen, nutzen die Eigentümer die Möglichkeiten, die sich nach dem Auslaufen der Wohnungsbauförderung bieten. So empfahl ein auf den sozialen Wohnungsbau spezialisierter Berliner Unternehmer im vergangenen Jahr bei einer Informationsveranstaltung für Immobilienleute den Erwerbern von Sozialwohnungen, „die Mieten sofort deutlich über das Marktniveau“ anzuheben, „um einen Wohnungsleerstand gezielt herbeizuführen“.
Bei guten Lagen biete es sich an, „die leeren Wohnungen aufzuhübschen und dann an eine gehobene Mieterklientel zu vermieten oder an Eigennutzer zu verkaufen“. Zwar könne dem Mieter rechtlich „wegen umfangreicher Sondervorschriften nicht gekündigt werden“, räumte der Unternehmer laut einem der Berliner Zeitung vorliegenden Redemanuskript ein. „Tatsächlich läuft dieser Schutz jedoch ins Leere, wenn der Eigentümer die Kostenmiete verlangen kann, die deutlich über der Marktmiete die Zahlungsfähigkeit des Mieters bei weitem übersteigt“, führte der Experte aus. Eine Anleitung dazu, wie Vermieter ihre Bewohner loswerden können. Wenig sozial, aber legal.
Außer dem Hinweis, dass der knappe Schlusskommentar der Redaktion zu dem zitierten zwar stimmig, aber von denn doch merkwürdig vornehmer Zurückhaltung ist, bleibt nichts hinzuzufügen; bestenfalls, dass ein Mann wie Georg Schramm höchst berechtigt von Gesindel spricht, wenn er sich (auch) mit solchen Leuten befasst.

Helge Jürgs

 

Medien-Mosaik

In Ansfelden bei Linz findet sich „Das schlechte Feld“, ein Feld ohne Ertrag, das jahrelang in der Familie von Bernhard Sallmann vergeblich bearbeitet wurde. Der 1967 geborene Regisseur studierte in Babelsberg Film und besticht durch Filme mit langen, wie modernen Gemälden gebauten Einstellungen, die einen Sog entwickeln können. So geht es auch in diesem Film, in dem Sallmann seinen Heimatort zu porträtieren scheint. Doch bald eröffnet sich eine schlimme Geschichte über den Todesmarsch von KZ-Bewohnern, vom Lager, dessen Grundmauern noch unterm Feld zu finden sind. Dass Sallmann selbst die Kamera führt, ist verdienstvoll, weniger schon, daß er auch selbst den Kommentar spricht. Auch, wenn der Film sehr persönlich ist, so hätte ein Schauspieler Sallmanns Text sicherlich plastischer gestalten können.
„Das schlechte Feld“ – ab 22.11. in ausgewählten Programmkinos, darunter Krokodil Berlin.

Theodor Fontanes Italienreisen sind verbürgt. Ob der Schriftsteller aber wirklich im Herbst 1874 in Neapel verhaftet wurde, sei dahingestellt. Nichtsdestotrotz ist es eine spannende Geschichte, die Frank Goyke zu seinem nun schon dritten Fontane-Krimi verarbeitet hat. Diesmal muss seine Frau Emilie die verschlungenen Fäden entwirren, die in diesem Fall Berlin und Neapel verknüpfen. Der schon bekannte Berliner Kommissar Aschinger steht ihr dabei zur Seite. Goyke, der in diesem Monat seinen 50. Geburtstag feiert, hat sich in die süditalienische Seele versetzt und die Story – perdono: racconto – mit vielen schönen Sprachspielen versetzt. Und natürlich vergaß er auch nicht, persönliche Bekannte der Fontanes, in diesem Fall den Baurat Schwatlo, in die verwickelte Geschichte einzuflechten.
Frank Goyke: Nachsaison – Fontane und die Bettler von Neapel, be.bra verlag, Berlin 2011, 270 Seiten, 9,95 Euro

bebe

 

Ozean und Schiffsschraube

Neubrandenburg ist am Tollensesee gelegen und damit ähnlich dicht am Wasser gebaut, wie die polnische Partnerstadt Szczecin. So spielte dieses Element beim Wettbewerb der nunmehr 20. Auflage des dokumentART-Filmfestivals in beiden Städten eine nicht unbeträchtliche Rolle. Am weitesten zurück ging der österreichische Beitrag „Oceano Nox“, in dem Regisseur Georg Wasner 99 Jahre altes Wochenschaumaterial, das nach dem Untergang des Ozeanriesen „Titanic“ entstanden war, neu montierte. Er legte Wert auf die Personen, von denen er einige Paare und kleine Gruppen am Computer herausgriff, so dass wir diesen Menschen, die vor einem Jahrhundert lebten, in die Gesichter sehen können. Man vollzieht ihre Erleichterung nach, gerettet zu sein, und entdeckt bei verlangsamtem Bild auch ihre Scherze, die sie sich im ungewohnten Umgang mit einer Filmkamera erlauben. Der Streifen gewann den Preis der polnischen Studentenjury.
In „Portless“, einem spanischen Film von Talia Leibowitz, liegt ein ausgedientes Frachtschiff seit anderthalb Jahren im Hafen von Barcelona. Vom Besitzer aufgegeben, fühlt sich nur noch der Kapitän für das Schiff verantwortlich und versucht unter vielen Entbehrungen, einen neuen Besitzer zu finden. Der junge deutsche Regisseur János Richter ging für „Guanape Sur“ auf eine Insel vor der Küste Perus, wo hunderte Lohnarbeiter ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um den Dünger Guano abzubauen. Nach getaner Arbeit Filme sehen, ist ihre einzige Abwechslung.
Aus Norwegen kam der Film „Imagining Emanuel“, in dem Thomas A. Oestbye von einem jungen Afrikaner erzählt, der im Hohlraum einer Schiffsschraube vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland geflüchtet war. Emanuel lebt seit 8 Jahren in einer kafkaesken Situation, ohne Identität oder Perspektive. Dieser Film über eine unmenschliche Bürokratie, die diejenige in Deutschland noch übertrifft, erhielt in Neubrandenburg den Preis des Marschalls der Wojewodschaft Westpommern.
Auch der Hauptpreisträger des mit 3.000 Euro dotierten „Latücht“-Preises hat etwas mit der See zu tun. Der deutsche Beitrag von Philip Widmann und Karsten Krause porträtiert „Die Frau des Fotografen“. Eine noch immer gutaussehende alte Dame öffnet den Filmemachern das Archiv ihres verstorbenen Mannes, eines Amateurfotografen aus Karlsruhe. Die gemeinsamen Reisen durch halb Europa, auf denen er sie hunderte Male als Aktmodell aufnahm, führen die beiden am Ende auch an die Ostsee. Den Filmemachern gelingt es, trotz des aufreizenden Themas der Aktfotografie viel von der vorherrschenden Biederkeit der 40 Jahre BRD durchscheinen zu lassen.

F.-B. Habel