14. Jahrgang | Nummer 19 | 19. September 2011

9/11 und weiter Fragen

von Erhard Crome

„Die übliche Weise, eine Verschwörung zu vertuschen, ist die energische Erklärung, dass es keine Verschwörung gibt.“ Hier ist an den Apostel Paulus zu erinnern, der im Brief an Titus darauf verwies, dass einer der Kreter gesagt habe, die Kreter seien immer Lügner. So ist es auch mit dem Satz zur Verschwörung: Die Leugnung der Verschwörung ist Beweis dafür, dass es eine Verschwörung gibt; oder aber die verschwörungstheoretische Erklärung wird als Beweis dafür genommen, dass es keine Verschwörung geben kann
So geistern die Argumentationsfiguren seit dem 11. September 2001 durch die Interpretationen und Debatten. Die einen schwören Stein und Bein, es sei eine Verschwörung gewesen, allerdings nicht von bin Laden und al Qaida, sondern interessierter Machtzentren der USA. Ohne den 11. September sind die tiefgreifenden weltpolitischen Veränderungen der vergangenen zehn Jahre mit Afghanistan- und Irak-Krieg, Durchschnüffelung der Bankdaten von Millionen unbescholtener Bürger und „Sicherheitsgesetzen“ einschließlich Verbots, den im Urlaub gekauften Lieblingswein auf dem Heimflug im Handgepäck zu transportieren, nicht zu erklären. Natürlich haben wir all die schrecklichen Bilder doch gesehen! Andreas von Bülow, bis 1982 Minister im Kabinett des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, hatte jedoch bereits im Januar 2002 Zweifel angemeldet und darauf verwiesen, dass die Anschläge von New York geheimdienstliche Handschrift tragen. „Da sind Spuren wie von einer trampelnden Elefantenherde“, schrieb er, doch niemand hat sie verfolgt. Lediglich die Bin-Laden-Spur wurde präsentiert. – Und die anderen nehmen die Tatsache, dass Verschwörungstheorien im Umlauf sind, als Beleg dafür, dass es keine derartige Verschwörung gegeben haben konnte.
Auch der Journalist Mathias Bröckers hatte bereits damals ein Buch über den US-amerikanischen 11. September publiziert, in dem er einem verschwörungstheoretischen Erklärungsansatz folgte. Jetzt, zehn Jahre später, hat er ein neues Buch vorgelegt, in dem er fortbestehende Ungereimtheiten der offiziellen Version aufdröselt. Da wurde das Flugzeug in den Nordturm, wie es heißt, von dem Ägypter Mohammed Atta gelenkt. Zwei Tage später fanden sich am Bostoner Flughafen zwei Gepäckstücke, die Atta zugeordnet werden konnten und angeblich die definitiven Beweisstücke für den Anschlag enthielten – alle anderen Gepäckstücke waren mit an Bord genommen worden, nur diese „versehentlich“ stehen geblieben. Zu den abenteuerlichen Materialien im Gepäck gehörte ein Testament. Aber wenn die Gepäckstücke mit an Bord genommen werden sollten, und nur vergessen wurden, warum war darunter der „Letzte Wille“ mit Erklärung der Tat, der doch nur Sinn hatte, wenn er der staunenden Nachwelt übermittelt wird? – Dann konnte das Testament sinnvoller Weise nicht in jenem Koffer sein.
Der Untersuchungsausschuss, der die Tragödie der ganzen Nation untersuchen sollte, hatte ursprünglich ein Budget von drei Millionen Dollar, das dann stillschweigend auf 15 Millionen aufgestockt wurde – der Untersuchungsausschuss, der die Affäre des vorherigen Präsidenten Bill Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinsky aufklären sollte, hatte ein Budget von dreißig Millionen Dollar. Die Ermittlungs-Reichweite eines solchen Ausschusses steigt mit seinen Möglichkeiten, die auch über den Haushalt reguliert werden. Angeblich gab es einen Kronzeugen, Khalid Scheich Mohammed, der in Guantanamo einsaß und verhört wurde. Das Verhör bestand darin, dass er 183mal mit Waterboarding gefoltert wurde, woraufhin er allerlei zugab. Dem Untersuchungsausschuss durfte er aus Gründen „der nationalen Sicherheit“ allerdings nicht vorgeführt werden, und seine Vernehmer durften aus den selbigen Gründen ebenfalls nicht aussagen. Eine ehemalige inoffizielle Mitarbeiterin der CIA mit Namen Susan Lindauer wollte dagegen aussagen: Sie war im August 2001 von einem CIA-Mitarbeiter gewarnt worden, nicht nach New York zu reisen, weil dort ein großer Anschlag bevorstehe. Sie wurde 2004 wegen „Spionage“ verhaftet und angeklagt und anschließend für geisteskrank erklärt. Nachdem sie auf ihrer Aussagefähigkeit beharrte – ein Großcousin von ihr war früherer Stabschef des Weißen Hauses – wurde die Klage zurückgezogen. Das sind nur einige der Fragen, die in der Sache „9/11“ bisher nicht beantwortet, die nicht aufgeklärt sind.
Im aktuellen Friedensjournal, herausgegeben vom Bundesausschuss Friedensratschlag, hat Sabine Schiffer vom Erlanger Institut für Medienverantwortung ebenfalls einige dieser Fragen in Erinnerung gerufen. Darunter sind: Warum stürzte der zweite und weniger schwer getroffene WTC-Turm zuerst ein? Wie konnte ein einziger Gegenstand, (zufällig der Personalausweis eines Terroristen) den Einsturz der Türme unbeschadet überstehen? Wieso konnte als drittes Gebäude das 47 Stockwerke hohe Gebäude WTC7 am Abend in sich zusammensacken, obwohl dieses über 100 m vom eingestürzten Nordturm entfernt war? Und warum fiel an diesem Tag erst- und einmalig das doppelte und weltweit sicherste Luftraumüberwachungssystem der USA aus?
Nun ist – im Sinne des oben identifizierten „Verschwörungstheorie-Paradoxons“ – die Frage, ob ich, indem ich auf diese verschwörungstheoretisch relevanten Fragen verweise, einen Beitrag zur Verbreitung oder zur Widerlegung der verschwörungstheoretischen Grundannahme geleistet habe. Ich weiß es nicht. Aber im Blättchen kann man diese Fragen ja wenigstens stellen. Anderswo ist das anders. Sabine Schiffer wurde – nach Veröffentlichung ihres Beitrages im Friedensjournal – von einer „großen deutschen Wochenzeitung“ gebeten, für die Leserdebattenseite eine gekürzte Fassung dieses Artikels zu verfassen. Das war mit einer Publikationszusage verbunden. Am nächsten Tag erhielt sie eine Absage folgenden Wortlauts: „…bevor Sie weiter an dem Artikel arbeiten, muss ich Ihnen schreiben, dass wir uns leider gegen eine Veröffentlichung entschieden haben. Ich habe noch einmal mit meinen Kollegen über den Text gesprochen. Gemeinsam sind wir zu dem Beschluss gekommen, dass Sie sich in dem Artikel nicht deutlich genug von den Verschwörungstheorien distanzieren, für die Sie eine höhere Beachtung in den Medien fordern. Wir erleben immer wieder, dass vereinzelte User diese Verschwörungstheorien in unseren Leserdebatten propagieren, und möchten dies nicht noch weiter befördern.“
Das hat natürlich seine Logik. Wenn die Fragen tatsächlich relevant wären für das Verständnis dessen, was da in New York und anderswo 2001 geschah, wirkte die Anwesenheit von George W. Bush an dem neuen Denkmal am 11. September 2011 irgendwie verlogen; die „uneingeschränkte Solidarität“ (Gerhard Schröder) der Bundesrepublik Deutschland mit den USA, die schließlich die zehnjährige Beteiligung am Afghanistankrieg zur Folge hatte, stünde dann ebenfalls auf unsicherem Boden. Da das nicht sein kann, weil es nicht sein darf, ist die Zurückweisung der verschwörungstheoretischen Annahmen Staatsraison bzw. Ausdruck politischer Korrektheit. Da muss eine „große deutsche Wochenzeitung“ schon darauf achten.
Das gilt übrigens auch für andere kritische Positionen. Nachdem Matin Baraki, aus Afghanistan stammender Politikwissenschaftler, der an der Universität Marburg arbeitet, verschiedentlich in Gesprächsrunden auch in Fernsehen und Rundfunk sehr kritische Worte gegen den Afghanistankrieg des Westens, die Hofierung von Karsai und seiner Entourage, die dortige Korruption und Perspektivlosigkeit gefunden hatte, ließ Herr Markwort im Focus entlarven, dass Baraki auch einen Artikel in der „trotzkistischen“ Zeitschrift Marx 21 veröffentlicht hatte. Danach wurde Baraki nicht wieder in die öffentlich-rechtlichen Anstalten, die doch der wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet sein sollen, eingeladen. Das Denk-, Rede- und Schreibverbot in Sachen verschwörungstheoretischer Problematisierung des 11. September ist nur die Spitze eines Eisberges. Dessen größerer Teil, der unsichtbare, heißt Verteidigung der Pressefreiheit.

Mathias Bröckers / Christian C. Walther: 11.9. – zehn Jahre danach. Der Einsturz eines Lügengebäudes, Westen Verlag, Frankfurt/Main 2011, 320 Seiten, 16,99 Euro