14. Jahrgang | Nummer 7 | 4. April 2011

XXL: Bürger und Robespierre gegen den Krieg

Für wen, du gutes deutsches Volk …

von Gottfried August Bürger

Für wen, du gutes deutsches Volk
Behängt man dich mit Waffen?
Für wen lässt du von Weib und Kind
Und Herd hinweg dich raffen?
Für Fürsten- und für Adelsbrut,
Und fürs Geschmeiß der Pfaffen.

War’s nicht genug, ihr Sklavenjoch
Mit stillem Sinn zu tragen?
Für sie im Schweiß des Angesichts
Mit Fronen dich zu plagen?
Für ihre Geißel sollst du nun
Auch Blut und Leben wagen?

Sie nennen’s Streit fürs Vaterland,
In welchen sie dich treiben.
O Volk, wie lange wirst du blind
Beim Spiel der Gaukler bleiben?
Sie selber sind das Vaterland,
Und wollen gern bekleiben.

Was ging uns Frankreichs Wesen an,
Die wir in Deutschland wohnen?
Es mochte dort nur ein Bourbon,
Ein Ohnehose thronen.
…..

(Fragment, um 1792; bekleiben = im Sinne von an der Macht bleiben – Anm. d. Red.)

Rede gegen den Krieg

von Maximilien Robespierre

… Von den beiden Ansichten, die in dieser Versammlung gegeneinander abgewogen wurden, hat die eine alle der Phantasie schmeichelnden Ideen für sich, alle glänzenden Erwartungen, die die Begeisterung entzünden, und selbst ein edles Gefühl, das durch alle die Mittel und Möglichkeiten gestärkt wird, welche die rührigste und mächtigste Regierung entfalten kann, um Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen; die andere Ansicht stützt sich nur auf die kühle Vernunft und die traurige Wahrheit. Um zu gefallen muss man die erstere verteidigen; um nützlich zu sein, muss man die letztere unterstützen, wenn auch in der Gewissheit, allen denen zu missfallen, die zu schaden vermögen. Dieser Ansicht schließe ich mich an. Werden wir Krieg machen, oder werden wir den Frieden erhalten? Werden wir unsere Feinde angreifen, oder werden wir sie in unserer Heimat erwarten? … Worauf es … vor allem ankommt, ist: die Nation über ihre eigenen wahren Interessen und über die ihrer Feinde aufzuklären; der Freiheit nicht die letzte Stütze dadurch zu nehmen, dass man in diesen eindrucksvollen Zeiten die öffentliche Meinung irreführt.
… Gewiss, ich bin ebenso wie Herr Brissot für einen Krieg, der zu dem Zweck geführt wird, die Herrschaft der Freiheit auszudehnen, und ich könnte mich ebenso wie er dem Vergnügen hingeben, im voraus schon alle möglichen wunderbaren Dinge darüber zu erzählen. Wenn Frankreichs Geschick in meinen Händen läge, wenn ich über seine Streitkräfte und seine Hilfsquellen frei verfügen dürfte, hätte ich schon längst ein Heer nach Brabant geschickt, wäre den Einwohnern von Lüttich beigestanden und hätte die Ketten der Bataver zerbrochen. … Aber angesichts des Zustandes, in dem sich mein Land befindet, blicke ich voller Sorge um mich, und ich frage mich, ob der beabsichtigte Krieg der sein wird, den uns die Begeisterung verheißt; ich frage mich, wer ihn anrät, wie, unter welchen Bedingungen, warum.
… Es könnte sein, dass es nicht in der Absicht derer, die den Krieg wünschen und führen würden, läge, ihm einen für die Feinde unserer Revolution und die Freunde der unumschränkten Königsmacht schädlichen Ausgang zu sichern. Trotzdem, Sie nehmen zunächst die Last einer Eroberung Deutschlands auf sich; Sie führen unser siegreiches Heer zu allen benachbarten Völkern; Sie richten überall Gemeindeverwaltungen ein, Direktorien, Nationalversammlungen, und Sie rufen selber aus, dass dies ein stolzer Gedanke sei – als wenn das Schicksal der Reiche von unseren Redewendungen geregelt würde. … Leider werden diese herrlichen Weissagungen von der Wahrheit und dem gesunden Menschenverstand widerlegt; in der Natur der Dinge liegt es, dass die Vernunft auf ihrem Vormarsch nur langsam Boden gewinnt. Die lasterhafteste Regierung findet im Vorurteil, in der Gewohnheit, in der Erziehung der Völker eine gewaltige Stütze. Der Despotismus gar verdirbt die Gesinnung der Menschen, bis es ihm gelingt, ihre Verehrung zu erlangen und die Freiheit beim ersten Anlass verdächtig und schreckensvoll zu machen. Die ausgefallenste Idee, die im Kopf eines Politikers entstehen kann, ist die Vorstellung, es würde für ein Volk genügen, mit Waffengewalt bei einem anderen einzudringen, um es zur Annahme seiner Gesetze und seiner Verfassung zu bewegen. Niemand liebt bewaffnete Missionare; und das erste, das Natur und Klugheit einem eingeben, ist, die Eindringlinge wie Feinde abzuwehren. Eine solche Invasion … könnte viel eher die Erinnerung an die Verwüstungen der Pfalz und die der letzten Kriege wachrufen, als dass sie die konstitutionellen Ideen zum Keimen brächte. Die Masse des Volkes kennt jene Ereignisse besser als unsere Verfassung. Die Berichte aufgeklärter, gut informierter Menschen widerlegen alles, was man uns von der Glut, mit der diese nach unserer Verfassung und unserer Armee schmachten, erzählt. Ehe die Wirkungen unserer Revolution bei den fremden Nationen zu spüren sein könnten, muss sie feststehen. Anderen die Freiheit bringen wollen, bevor wir sie uns selbst erobert haben, hieße unsere eigene Versklavung und zugleich die der ganzen Welt herbeiführen. Zu glauben, dass von dem Augenblick an, da ein Volk sich eine Verfassung gibt, alle anderen sogleich dieses Zeichen aufnähmen, hieße sich von den Dingen eine übertriebene und unsinnige Vorstellung zu machen.
Die Erklärung der Menschenrechte ist nicht das Sonnenlicht, das gleichzeitig allen Menschen leuchtet; sie ist nicht der Blitz, der in einem Augenblick alle Throne zerschmettert. Sie auf Papier zu schreiben oder in Erz zu hauen ist leichter, als ihre geheiligten Zeichen, die von Unwissenheit, Leidenschaften und Despotismus verwischt wurden, in der Seele der Menschen zum Tönen zu bringen. Wird sie nicht jeden Tag aufs Neue verkannt, mit Füßen getreten, übersehen selbst von Ihnen, die sie öffentlich bekannt gemacht haben? Findet sich die Gleichheit der Rechte anderswo als in den Prinzipien unserer Verfassung? … Schaffen Sie erst Ordnung bei sich zu Hause, bevor Sie die Freiheit anderswohin tragen.
Der Krieg, der Krieg, sobald ihn der Hof verlangt? Dieser Entschluss entbindet von jeder anderen Sorge. Dem Volk gegenüber hat man seine Schuldigkeit getan, sobald man es in Krieg gestürzt hat. … Der Krieg ist gut für die militärischen Führer, für die Ehrgeizigen, für die Spekulanten, die auf derartige Ereignisse scharf sind. Er ist gut für die Minister, deren Verrichtungen er in einen dichteren und fast geheiligten Schleier hüllt; er ist gut für den Hof, er ist gut für die Regierung, deren Ansehen, Popularität, Einfluss er vergrößert. Er ist gut für die Koalition der Adligen, der Intriganten, der Gemäßigten, die Frankreich regieren. Dieser Klüngel kann seine Helden und seine Parteigänger an die Spitze der Armee stellen. Der Hof kann die Streitkräfte des Staates den Männern anvertrauen, die ihm zu gegebener Zeit mit umso größerem Erfolge Dienste erweisen könnten, als man durchsetzen wird, dass sie ein gewisses patriotisches Ansehen erhalten. Sie werden die Herzen und das Vertrauen der Soldaten gewinnen, um diese desto mehr der Sache des Königtums und des Moderantismus zu verpflichten. Das ist gewissermaßen die einzige Verführung, die ich für die Soldaten fürchte: Nicht ein offenes und freiwilliges Im-Stich-Lassen der öffentlichen Belange ist es, was ich befürchte. Ein Mensch, der vor dem Verrat am Vaterland zurückschrecken würde, kann von gerissenen Führern dazu gebracht werden, den besten Bürgern das Schwert in die Brust zu stoßen; das heimtückische Wort … „Aufrührer“, das von der Sekte der scheinheiligen Vaterlandsfeinde ersonnen wurde, kann die irregeführte Unwissenheit gegen die Sache des Volkes bewaffnen.

(Gehalten am 2. Januar 1792 im Jakobinerklub gegen den Vorschlag des Girondisten Brissot, einer Invasion der europäischen Feudalmächte gegen das revolutionäre Frankreich zuvorzukommen, indem man „die Freiheit“ quasi auf den Bajonetten der Revolution in die Nachbarländer trüge. Robespierre konnte sich nicht durchsetzen, der Feldzug der girondistischen Regierung endete in einem Fiasko und führte in der Konsequenz zu einer Radikalisierung der Revolution; stark gekürzte Textfassung auf der Grundlage der Edition von Walter Markov, Revolution im Zeugenstand, 1982 – Anm. d. Red.)