von Katharina Kaaden
Stallers Kopf ging ruckartig zum Tisch mit den Sonderangeboten zurück. Lag dort nicht eines jener Flaschenöffnermodelle, das er unlängst bei Freunden zerstört hatte? Der Blick, mit dem ihn die Freundin bedacht hatte, als er ihr großspurig das Teil aus der Hand nahm, um die Weinflasche damit zu öffnen, war ihm noch ungut in Erinnerung. „Das ist ein Frauenflaschenöffner“, wehrte sie eindrücklich seine Hilfsbereitschaft ab, „damit bekommt jede eine Flasche auf, sogar ich.“ „Nein, nein, du missverstehst mich, ich will nur mal sehen, wie das funktioniert. Das Ding sieht so imposant aus“, hatte Staller entgegnet und ihr das Hightech-Gerät aus den Händen gewunden. „Ist es auch, vor allem der Preis! Immerhin funktioniert es absolut zuverlässig“, sprach die Freundin. Staller setzte fachkundig an, aber keine drei Sekunden später sprang eine Feder quer durch die Küche, möglicherweise, weil seine Handhabung einen Tick zu heftig ausgefallen war. Schließlich war dieser Flaschenöffner für das schwache Geschlecht konzipiert. Fakt blieb, dass er nun kaputt war und Staller wieder mit dem simpelsten aller Öffner und der gewohnten Gewalt den Geist aus der Flasche lassen musste. Sein aufrichtiges Bedauern wurde mit verkniffenem Lächeln quittiert, aber schließlich mit einem „… hätte jedem passieren können“ als erledigt betrachtet.
Nun bot sich Gelegenheit, die Scharte auszuwetzen, zumal, bei näherer Betrachtung, der Preis spektakulär gesenkt worden war. Wahrscheinlich irgendeine Billigraubkopie, zudem nur noch ein Exemplar vorrätig, also rein in den Korb. Staller konnte punkten, weil er die Sache nicht auf sich beruhen ließ, sondern für Ersatz sorgen würde. Der rote Schnäppchenkleber wurde sorgfältig entfernt, darunter kam der aufgedruckte Originalpreis von 21 Euro zum Vorschein. Staller meinte, sich dunkel zu erinnern, dass die Dinger in der Gerüchteküche mit etwa 60 Euro beleumdet waren. Die sieben Euro, die er dafür bezahlte, boten zwar nahezu Garantie, dass die Empfänger auch diesmal keine all zu lange Freude dran haben würden, aber vielleicht hielt er wenigstens so lange, bis der nächste Trottel den Staffelstab übernehmen müsste …
Die Postfiliale war voll, Staller holte einen Paketaufkleber und wollte ihn ausfüllen, doch den einzig verfügbaren Tisch okkupierte eine junge Frau mit fünf Paketen. Er stand mit Zettel und Päckchen in der Hand, wartete, dass sie ein wenig rückte. „Könnnnnten sie eventuell etwas Platz machen, damit ich auch …?“ fragte er gereizt, als sie ihn überhaupt nicht wahrzunehmen schien. „Ja, wie denn?“ entgegnete sie, „sie können aber ihren Zettel auf einem meiner Pakete ausfüllen.“ „Zu gütig“, zickte Staller, griff zum Brillenetui, um sich innerhalb der Kisten zu arrangieren, als ihm die Brille in hohem Bogen, wie einst die Feder des Flaschenöffners, davonschoss und quer durch die Poststelle sauste. Staller fluchend hinterher. Na, prima, ein Sprung quer durchs Glas! Hatte ihm nicht der Optiker zu einem teureren Glas, unkaputtbar, geraten? Und hatte er dessen Angebot nicht mit jener Entschiedenheit abgelehnt, die von argwöhnender Übervorteilung gespeist war? Staller schäumte, füllte sein Formular aus, zuerst den Absender, die Empfänger-Adresse in der entlegenen Provinz musste er der Begleitkarte entnehmen, die er mit launigem Text sicherheitshalber zusätzlich aufgeben wollte, um sein Päckchen anzukündigen. Schließlich war damit zu rechnen, dass es verloren gehen könnte, die Post war für ihre Schlamperei bekannt. „Gestatten sie, darf ich mal eben?“ tönte es hinter den Paketbergen hervor, als ihm auch schon seine Schreibunterlage entzogen wurde. Die junge Frau hampelte mit ihren fünf Paketen davon, schubste sie vor sich her, und Staller sah, dass es eine Weile dauern, bis sie die Sache bewältigt haben würde. Das gab ihm Gelegenheit, ihr blitzschnell zuvorzukommen und sein Päckchen auf dem Tresen zu präsentieren. Die Schalterkraft klebte stoisch den Aufkleber drauf, knöpfte ihm den Beförderungsobolus von vier Euro ab, und Staller verließ zufrieden die Filiale.
Eine Woche später lag ein Benachrichtigungsschein im Briefkasten, dass er ein Päckchen bei der Post abholen solle. Typisch, zu faul, die paar Treppen zu ihm hochzukommen, ärgerte sich Staller, denn schließlich war er anwesend gewesen, als der Bote umging. Außerdem wartete er nun schon geraume Zeit darauf, dass seine Sendung bei den Freunden ankommen würde.
Er erschien mit seiner Benachrichtigung in der Post. Staller staunte nicht schlecht, als es sich um sein Päckchen handelte, das zurückgekommen war. „Sie hatten leider vergessen, die Empfängeradresse anzugeben, und wir haben es gleich hier behalten, weil sie es doch sicher erneut aufgeben wollen“, kam ihm eine freundliche Postbeamtin entgegen. Blitzartig erinnerte er sich, dass ihm seine Paket-Schreibunterlage entrissen und er dadurch vom Eigentlichen abgelenkt worden war. Zu blöd aber auch! Der scharfkantige Kunststoffbehälter des Öffners durchbohrte inzwischen alle Ecken, das Ganze machte einen laveden Eindruck. Staller kaufte Klebeband, wickelte es flächendeckend um das ramponierte Päckchen, beschriftete einen neuen Zettel, diesmal korrekt, entrichtete erneut vier Euro und schickte es auf die Reise. Er verfluchte die Begleitkarte, mit der er seinerzeit die Sendung angekündigt hatte, weshalb er nun nicht alles auf sich beruhen lassen konnte. Den Umstand, dass er für all das mehr als für den eigentlichen Inhalt der Gabe berappt hatte, nahm er grimmig als die Strafe, die Mogeleien gern auf dem Fuß folgte, ob Gott nun im Spiele war oder nicht.
„Ich habe doch gleich gewusst, dass irgendwas schief gehen würde!“ empörte sich Staller, als nach einer weiteren Woche die Freunde anriefen, um zu berichten, dass ein merkwürdig klapperndes Etwas eingegangen sei, für dessen Freilegung sie sich minutenlang durch Klebeband gefräst hätten. Der Inhalt sei ein kaputter Flaschenöffner gewesen, dessen Reste irgendwie dem ähnelten, den Staller entschärft habe. „Aber wir waren ganz gerührt, dass du das Ding ersetzen wolltest. Uns wäre er zu teuer gewesen. Er war ja auch damals ein Geschenk.“
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