13. Jahrgang | Nummer 13 | 5. Juli 2010

Ostdeutsche Kunstauktionen

von Hartmut Pätzke

Im Leben eines Menschen endet die frühe Jugend etwa mit zwanzig Jahren, das Erwachsenwerden fordert seinen Tribut. Bei einer Galerie, bei einem Kunsthändler werden zwei Dezennien durchaus nicht immer erreicht. Persönliche, politische und auch wirtschaftliche Gründe können zum vorzeitigen Aufgeben veranlassen. Kontinuität wird auch hier am ehesten garantiert, wenn — das ist ähnlich wie in Deutschlands Verlagen — innerhalb der Familie für eine Nachfolge gesorgt ist.
Die namhaftesten Galerien tragen in Deutschland den Namen ihrer Gründer und Eigentümer. „Berliner Graphikpresse“ ist eine Ausnahme. Die Herkunft aus der Pirckheimer-Gesellschaft im Kulturbund der DDR, deren Berliner Graphikmärkte seit 1975 stattfanden und womit 1984 (Hans Vent: zehn Radierungen) die Drucke der „Berliner Graphikpresse“ begannen, bildete ein Qualitätszeichen. Im Auftrag der Pirckheimer-Gesellschaft gaben Peter Röske und Ekkehard Hellwich die „Berliner Graphikpresse“ heraus.
Ekkehard Hellwich nutzte die Chance, unmittelbar nach dem Fall der Mauer am 24. Januar 1990 eine Genehmigung zur Ausübung des Gewerbes „Berliner Graphikpresse“ zu erhalten. Sie wurde ihm am 16. Februar 1990 vom Rat des Stadtbezirks Berlin-Mitte, Abteilung Kultur (Gewerbegenehmigung Nr. 23/90) erteilt. Noch bestand das Monopol des Staatlichen Kunsthandels der DDR. Die Zahl der privaten Kunsthändler und Galeristen war vor allem deshalb systematisch verringert worden, weil schon spätestens seit den siebziger Jahren staatlicherseits keine neuen Genehmigungen für den privaten Handel mit Kunst mehr erteilt worden waren.
Die erste Einladung der Galerie der „Berliner Graphikpresse“ erreichte mich zum 15. Mai 1990. In der Brunnenstraße 165 war, eher zufällig, in der ersten Etage ein Vierzimmer-Quartier gefunden worden, in dem nun „Berliner Graphik“ zum Verkauf ausgestellt wurde. Die Einladung auf einem per Schreibmaschine beschriebenen A4-Blatt war bescheiden. Ekkehard Hellwich und Dr. Peter Röske hatten ihre Namen darunter gesetzt. Selbst Graphiksammler konnten beide auf ihren Kenntnissen aufbauen. Ihr Fundus waren zudem 15-jährige vielfältige Erfahrungen im Zusammenhang mit den „Berliner Graphikmärkten“ samt einer umfangreichen Adresskartei. Dazu gehörten der nicht selten freundschaftliche Kontakt zu Künstlern und die gute Zusammenarbeit mit der Druckerei Graetz. Mit „Köpfe“, zehn Lithographien von Max Uhlig, wurde die „Berliner Graphikpresse“ fortgesetzt. Die Währungsunion im Juli 1990 und der Anschluss der DDR an die Bundesrepublik bildeten Veränderungen für das junge Unternehmen, das erst seinen Platz innerhalb des Berliner Kunsthandels finden musste. So fand die „1. Versteigerung von bildender Kunst aus Ostdeutschland“, wie es programmatisch hieß, am 23. November 1991 im Auditorium maximum (Großer Plenarsaal) der Akademie der Künste am Robert-Koch-Platz 7 statt. Die Anzahl der erschienenen Bieter war leicht zu überschauen, wie mir berichtet wurde. Der Erfolg jedoch gab Mut, das Unternehmen fortzusetzen.
Spätestens seit 1997 arbeiteten die Galerie und das Auktionshaus getrennt voneinander. Im Jahre 1998 führten Besitzerwechsel und am Haus Brunnenstraße 165 vorgesehene Sanierungsarbeiten zur Trennung der beiden Galeristen. Am 1. Januar 1998 wurde die räumliche und personelle Trennung vollzogen. Das letzte gemeinsame Projekt über Jahre, das Werkverzeichnis für Paul Kuhfuss (1883-1960) wurde noch abgeschlossen. Ekkehard Hellwich fand ein neues Quartier in der ersten Etage eines schlichten Hauses aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts „2 ½ Zimmer, von denen zwei als Ausstellungsräume galten“, eine neue Aktionsbühne. Eine Etage höher gab es noch Lagerraum. Die „Marginalien“, Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, meldeten im 150. Heft: „Ekkehard Hellwich, Mitglied in der Pirckheimer-Gesellschaft, hat mit der Ausstellung Berliner Ostwind Malerei, Zeichnung und Plastik von Lothar Böhme, Manfred Böttcher, Manfred Butzmann, Dieter Goltzsche, Sabina Grzimek Friedrich B. Henkel, Wolfgang Leber, Harald Metzkes, Christine Perthen, Nuria Quevedo, Klaus Roenspieß, Horst Sagert und Hans Vent seine ‚Graphikpresse. Auktionen & Ausstellungen. Malerei, Graphik, Plastik‘ am 5.3.1998 in der Danziger Straße 219, 10407 wiedereröffnet“. Zugleich wurde berichtet, dass am Robert-Koch-Platz 7, nun wieder im Besitz der Kaiser-Friedrich-Stiftung, am 9. Mai die Frühjahrsauktion (10. Versteigerung) von bildender Kunst aus Ostdeutschland stattgefunden hat und die 11. Versteigerung wird für November 1998 angekündigt. Aufmerksam wurde auch auf die 2. Plastik-Edition der Graphikpresse, „Liegende“, eine Bronzeplastik von Hans Vent, gemacht. Damit wären auch die drei wesentlichen Standbeine der Galerie genannt: 1. Verkaufsausstellungen, 2. Auktionen von Malerei, Graphik, inklusive Künstlerbücher und Plastik und 3. Plastikeditionen. Bücher und Kataloge zu einzelnen Künstlern, wie Paul Schultz-Liebisch, erscheinen gelegentlich (2002). Lagerlisten (bisher VI) mit Büchern aus dem Osten kommen dem Informationsbedürfnis der Kunstenthusiasten entgegen. Ekkehard Hellwich nahm sogleich seinen Sohn Raik Hellwich in die Galerie, dem zunächst unter anderem die Durchführung der Auktionen oblag. Im Jahre 2003 entschloss sich der Vater, das Geschick der Galerie ganz in die Verantwortung seines Sohnes zu übertragen. Doch seither steht er ihm hilfreich zur Seite, ganz besonders bei den Vorbereitungen zu den beiden alljährlichen Auktionen und der Erstellung der Kataloge. Mit dem nochmaligen Umzug der Galerie in die Bänschstraße 35 firmierte die Galerie als „Ostdeutsche Kunstauktionen“, womit das Profil der Galerie deutlich gemacht wird. Auktionen finden nun ausschließlich in der Galerie statt. Die erfolgreiche 33. Versteigerung fand am 21. November 2009 statt.