von Max Hagebök
In Brandenburg wird gewählt. Erstmals durfte der Citoyen seinen Landrat direkt wählen. Kreis für Kreis. Vor zwei Wochen erreichte keiner der 15 Landratskandidaten die notwendige Mehrheit. Deshalb stehen jetzt die Stichwahlen an. Mann gegen Mann beziehungsweise Frau gegen Mann.
Klingt alles nach einem normalen demokratischen Akt. Kaum eine Nachricht für die Medien wert, wenn es da nicht eine peinliche Erkenntnis gibt. In allen Kreisen wurde das 15-Prozent-Quorum verfehlt. Dies heißt in der Sprache der Wahlkommission, daß der Landrat wird, wer mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint. Diese müssen mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten entsprechen. Und dies war vor zwei Wochen die politische Blamage. Kein Kandidat konnte die nötigen 15 Prozent der Wahlberechtigten von sich überzeugen. Nicht, daß sie nicht wählbar waren, aber die Wahlbeteiligung lag zwischen 22,6 und 30,6 Prozent und damit war es schon rechnerisch nicht möglich, die 15 Prozent zu erreichen.
Nun beten die einen und hoffen die anderen, daß der geneigte Wähler trotz Kälte und Mittagsschlaf den Weg zu den Urnen findet. Denn sollten der Wähler auch diesmal in zu geringer Zahl die Wahl wahrnehmen, dann ist die direkte Wahl grandios gescheitert und die Kreistage übernehmen den politischen Akt. Es liegt also am Bürger, was er mit seinem direkten Wahlrecht anfängt.
Diese Landratswahlen haben trotz ihrer regionalen Beschränktheit eine bundesweite Ebene. Ist doch das Dilemma der geringen Wahlbeteiligung kein Phänomen der ostdeutschen Unpolitischen. Die Demokratie wird bundesweit abgewählt. Es gibt in deutschen Landen keine politische Führung, die eine Mehrheit der Wahlberechtigten hinter sich versammelt und so einen demokratisch legitimierten Führungsanspruch ableiten darf. Das Land wird immer nur von Minderheiten regiert. Kein Wunder, wenn ein Drittel der Wähler ihre Stimme für sich behalten. Es scheint Hip zu sein, nicht zu wählen. Im letzten Jahr outeten sich sogenannte Promis mit ihrem Wahlboykott. Die Aufgeregtheit hielt sich in Grenzen. Den politischen Akteuren scheint es langsam auch völlig egal, wer und wie viel sie wählen. Es muß halt nur für einen bezahlten Job reichen. Solange die Demokratie von der Zahl derer abgekoppelt wird, die sich an ihr beteiligen, werden sich die Politiker keine Deut um die Demokratie kümmern.
Es ist auch müßig, über die Formen direkt oder repräsentativ zu streiten. Beides wird nicht den Citoyen erwecken, der sich um seine politischen Belange verantwortungsvoll kümmert. Bürger zu werden beginnt nicht in der politischen Sphäre. Das ist viel zu kurz gedacht. Politisch ist der Mensch in allen seinen Daseinsformen.
Besonders in seiner wirtschaftlichen Existenz ist er von allen demokratischen Rechten erlöst. Die neuen Wirtschaftslenker haben keinen Sinn für betriebliche Demokratie. Der Produzent wird sich eine betriebswirtschaftliche Größe reduziert. Politische Mitbestimmung findet immer weniger statt. Und wo es noch Betriebsräte und Gewerkschaften gibt, da sind die Manager sehr gut geschult, um die letzten demokratischen Regeln einzudampfen. Für die Manager gibt es breite Palette von Seminaren, die sich um das Kurzhalten der Betriebsräte oder aufmüpfiger Mitarbeiter geht.
Wenn täglich in den Firmen die Demokratie abgewählt wird, dann verkommt sie auch außerhalb zu einer privaten Angelegenheit. Demokratie ist nicht arbeitsteilig. Doch die Herren wollen sie darauf beschränken. Also nicht wundern, wenn die Landräte wieder von den Kreistagen ernannt werden.
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