von Horst Jakob
Ginge es nach mir, gäbe es hierzulande auch einen Deutschen Kleinkunstpreis für Feuilletonisten: Keineswegs ausgelobt für all jene Autoren, die – bei allem Respekt – in den gleichnamigen Zeitungsteilen zugange sind. Sondern für die, die innerhalb der schreibenden Zunft eine wirklich große Kunst beherrschen, eben die, Feuilletons zu schreiben, kleine literarische Texte also, deren Gegenstand nicht das unmittelbar Aktuelle ist, sondern zum Beispiel »alltägliche Erfahrungen, ästhetische, psychologische, soziologische oder philosophische Fragen. Dabei ist ein geringer Umfang und vor allem eine eher subjektive, zwischen Ernst und Unernst changierende, oft ironische, jedenfalls stark bildhafte und verblüffende Präsentation charakteristisch« (Uni Düsseldorf).
Das Genre Feuilleton hat in der Tat und gottlob eine große Spannbreite, bei den möglichen Themen ebenso wie bei den Handschriften. Aber eben doch nur eine übersichtliche Reihe von Autoren hat es bislang vermocht, sich zu Feuilletonisten der Extraklasse zu profilieren; womöglich, weil hier der Vorsatz der Profilierung nicht ausreicht.
Börne und mehr noch Heine gelten diesbezüglich als Nestoren. Auch Granden der publizistisch so fruchtbaren zwanziger und frühen dreißiger Jahre wie Kurt Tucholsky, Anton Kuh, Alfred Polgar, Roda Roda und Joseph Roth haben noch heute ihre Anziehungskraft nicht verloren. Wären noch Walter Jens oder Hans Mayer stellvertretend für die west- und Heinz Knobloch für die ostdeutsche Nachkriegszeit hervorzuheben, bevor das Genre Feuilleton sich denn doch im – mit Verlaub – mehr und mehr allobwaltenden Kolumnismus aufzulösen begann.
Wem mittlerweile also leider selten geworden, so gibt es das klassische Feuilleton aber noch immer. Und es gibt, wenn auch rar, Federn, die es ausgezeichnet beherrschen. Henryk Goldberg, den Blättchen-Lesern gut bekannt, ist eine von ihnen. Gerade in den jüngsten Heften dieser Schrift waren Texte von ihm zu lesen. All jenen, die davon gern mehr hatten, als das Blättchen dies leisten kann, sei eine kleine Edition empfohlen, die 2008 in Goldbergs thüringischen Heimat erschienen ist. Damals und noch viel früher lautet der Titel des schmalen, von Kai Agthe (ebenfalls Blättchen-Autor) herausgegebenen Bändchens. Und zwar – dies gehört hier unbedingt gepriesen – eines Bändchens, dessen liebevolle Aufmachung, ganz anders als heute zumal bei Kleinverlagen aus Kostengründen gewohnt, seinen Inhalt aufs feinste ergänzt.
Goldbergs Themen sind vielfältig, das Feuilleton macht schließlich keine inhaltlichen Vorgaben. Angenehm berührend bei allem, was er – in das von ihm Beschriebene stets involviert – plaudernd reflektiert, ist seine entwaffnende Ehrlichkeit. Ein Autor seiner Provenienz könnte – wollte er denn – gern sehr viel mehr Lächeln und Lachen auf andere verlagern. Goldberg indes lächelt über vieles von dem, was ihm widerfahren ist. Mit einer Selbstironie, die aber nichts hinwegamüsiert von dem, was als oft ernster Erkenntnishorizont dahinter steht. Sondern die anbietet, die Scheinkunst der heutzutage fast schon nötigend verlangte Selbstdarstellung durch die der Aufrichtigkeit zu ersetzen.
Goldberg hat – außer der nachgewiesenen Freude der Leser an seinen Texten, scheint’s, wenig Hoffnung, daß sein Selbstverständnis ein allgemeingültiges werden könnte. Aber er macht dafür ein Angebot; und was für eins.
Henryk Goldberg: Damals und noch viel früher: Feuilletons, Edition Muschelkalk der Literarischen Gesellschaft Thüringen e. V. im Wartburg-Verlag Weimar 2008, ISBN 978-3-861 60-326-9, 87 Seiten, 11 Euro
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