21. Jahrgang | Nummer 3 | 29. Januar 2018

Antworten

Ludwik Wisniewski, polnischer Dominikaner – Sie erregen in Ihrem Heimatland Polen derzeit Aufsehen mit einer Streitschrift, deren Titel gewiss absichtsvoll an Zola erinnern soll: „Ich klage an!“. Dominierender Gegenstand Ihrer Streitschrift ist dabei die inhumane Flüchtlingspolitik der Regierung Kaczynski, über die Sie das vernichtende Urteil fällen: „In Polen stirbt vor unseren Augen das Christentum.“ Die Politisierung der Kirche durch die extremistisch Konservativen , so erweitern Sie Ihre Anklage, habe dazu geführt, dass viele vermeintliche Christen jetzt angebliche Feinde „bespucken und verhöhnen […] und gleichzeitig fromm die Hände zum Gebet falten und sich betend den Medien zeigen“, was nichts anderes als „eine Parodie des Christentums“ sei.

Friedrich Küppersbusch, gewohnt Hellsichtiger – Den staunenswerten Umstand, dass VW trotz massivster Probleme im letzten Jahr so viele Fahrzeuge wie noch nie verkauft hat, kommentieren Sie ebenso knapp wie präzise: „Die horriblen Strafgebühren, der Schadenersatz, Rückrufe und Umrüstungen, Lobbyarbeit – wie viel Gewinnspanne steckt eigentlich in jedem einzelnen Auto, dass der Konzern das so wegsteckt? Vor dem Besuch im Autohaus: lachen üben für den Moment, wo der Verkäufer den offiziellen Listenpreis nennt.“ Dass besagte Verkäufer sich wiederum jenes Lachen zu verkneifen wissen, dürfte als physiognomische Meisterleistung per se zu rühmen sein.

Peter Boehringer (MdB-AfD) – Wäre Das Blättchen nicht ein selbst gegenüber Kretins humanoider Provenienz den Stil wahrendes Magazin, kämen in Ergänzung der Angabe Ihres Wahlmandates hier zu Ihrer Charakterisierung nur Verbalinjurien infrage …
Der stärksten Oppositionspartei im Bundestag – im Falle einer Groko wäre das die AfD – steht traditionell der Vorsitz des nicht zweitrangigen Haushaltsausschusses zu. Sie sind von Ihren Abgeordnetenkollegen dafür auserkoren. Das darf schon jetzt als Paradebeispiel für das immer verlässliche Gespür der AfD in Personalfragen gelten, qualifizierten sich doch schon am 2. September 2015 auf Ihrer Internetseite mit folgendem Eintrag für Höheres: „Und alleine nur wegen der laufenden, irreversiblen Umvolkung in der BRD, das heißt des permanenten Austauschs des deutschen Staatsvolks durch zu 98 Prozent illegale Eindringlinge aus weitgehend muslimischen Herkunftsstaaten, ist die heutige, supranationalen Befehlen gehorchende BRD-Führungsclique inzwischen krimineller als die kommunistische der DDR, die ja schon schlimm genug war!“ Sie verbanden diesen Horror mit der „Hoffnung auf einen für die meisten heute noch unvorstellbaren, plötzlichen Zusammenbruch des höchst kriminellen und für unsere Nation suizidalen Systems“.
Man darf gespannt sein, ob die nominierten Ausschussmitglieder der anderen Parteien Sie im Falle des Falles tatsächlich präsidieren lassen.

Monika Grütters, Kulturstaatsministerin – Sie haben die Entfernung eines umstrittenen Gedichts von der Fassade einer Berliner Hochschule scharf gerügt. „Die Entscheidung des Akademischen Senats der Alice Salomon Hochschule, das Gomringer-Gedicht zu übermalen, ist ein erschreckender Akt der Kulturbarbarei“, werden Sie zitiert. Bleibt nur zu ergänzen, dass die kämpferischen Student_*tinnen der Schule nun einen geeigneten Text vom Moralexorzisten Savonarola finden und – überhaupt: Die Lehranstalt nach diesem umbenennen. Die Gefahr sexistischer Interpretationen wäre damit jedenfalls auf immerdar erledigt.

Robert Birnbaum, Kommentator des Berliner Tagesspiegels – Mit Bezug auf plakative Pauschalforderungen von SPD-Anhängern an die sozialdemokratischen Gro-Ko-Verhandler stellen Sie fest: „Die Bauernregeln überdauern jeden Realitätstest, nicht obwohl, sondern weil sie so schlicht sind.“ Dass dies nicht nur auf Bewahrer des rechten Glaubens und Wissens dieser Partei zutrifft, sei hier nur angemerkt.

Silke Müller, Stern-Reporterin im Berliner Büro – In einem Beitrag über die vietnamesische Gemeinde in der Bundeshauptstadt unter dem Titel „Little Hanoi“ beschreiben Sie den Stadtbezirk Lichtenberg als „Problemviertel voller Plattenbauten, Neonazis und Stasi-Rentnern“. Trotz Ihrer leichten Grammatikschwäche ist Ihnen damit ein tiefer Griff in die Klischeekiste Ihrer Redaktion gelungen. 280.000 Einwohner des „Problemviertels“ können nun wählen, welcher der von Ihnen genannten Kategorien sie sich zuordnen. Eines unserer Redaktionsmitglieder hat sich schon entschieden: „Plattenbauten“.

Dmitri Gudkow, ehemaliger Abgeordneter der russischen Staatsduma – Angesichts des üblichen Zwistes in der russischen Opposition vor den Präsidentschaftswahlen im März schrieben Sie: „Von welcher Demokratie reden wir, wenn wir alle zu Feinden erklären, die ein Problem aus einer anderen Perspektive betrachten? Denkt an Voltaire, der bereit war zu sterben für die Meinungsfreiheit Andersdenkender. Bei uns würde man diesem Voltaire zeigen, wo der Hammer hängt.“ Eine treffende Kennzeichnung der Streitkultur – nicht nur in Russland.

Jürgen Trittin, bemoost-Grüner – „Wir sind die kleinste Oppositionsfraktion, aber die einzige ökologische und progressive linke Kraft“, haben Sie in einem Interview zu befinden geruht, in dem Sie nach den Perspektiven Ihrer Partei befragt wurden. Fairerweise sei angemerkt, dass Ihre Antworten nicht durchweg derart markig klangen wie obig zitiert. Wer indes mit einem derartigen Alleinvertretungsanspruch (wie redaktionell kursiviert und gefettet) seinen Hut in den Ring des politischen Wettbewerbs, also des Ringens um Besseres als das Gegebene, wirft – der wird noch lange allein bleiben und an einer Feuerstelle neben ebensolch revolutionären Glutherden der anderen Linken sein Süppchen kochen. Aber wemʼs schmeckt…

Loriot, Hochverehrter – Da mögen ja nun Millionen Fans Ihre Sketche stets nur für – wenn auch geistvollen – Ulk gehalten haben, deren visionäre Grundierung an den meisten vermutlich vorbeigegangen ist. All jene Kleinmütigen sind nun – endlich! – von der Realität eingeholt und eines besseren belehrt worden. Kann man doch an der Hochschule Luzern ab dem nächsten Wintersemester das Jodeln studieren – und zwar als Hauptfach! Und so wird akademische Wirklichkeit, was wir aus Ihrer „Jodelschule“ wissen: „Du dödel di, dö dudel dö“ ist zweites Futura Sonnenaufgang!

RTL, Prekariatssender – Sie gehen nun bereits mit der 12. Staffel des „Dschungelcamps“ in das Ihrerseits auch ansonsten konsequent betriebene Rennen zur Minimierung menschlicher Kultur. Neuerlich soll das Serien-Motto wohl wieder lauten „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ Mal abgesehen davon, dass es Ihnen offenbar immer schwerer fällt, jemanden zu finden, der das Etikett „Star“ auch nur irgendwie verdient – was hielten Sie von der Idee einer Sendetitel-Adaption, die da lauten könnte: „Ich bin ein Star, lasst mich drin“? Die Sendung wäre zwar ungebrochen schwachsinnig, zumindest fände aber – viele weitere Staffeln vorausgesetzt – dann eine wohltuende intellektuelle Flurbereinigung statt.

Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef von Bayern München – „Wenn es keine Nations League geben würde, dann würde sie wohl auch niemand vermissen“, kommentieren Sie kritisch, dass die UEFA neben all den nationalen Meisterschaften, Pokalspielen sowie den Europa- und Weltmeisterschaften und deren Qualifizierungs-Vorfeld nun noch eine weitere Wettkampfarena installiert hat. Nun ist Ihre Abneigung gegenüber der Mehrbeanspruchungen Ihrer unterbezahlten Kicker leicht zu verstehen, verwunderlich aber ihre scheinbar naive Schlussfolgerung, denn natürlich würde die Nations League vermisst werden – von all denen, die (nun auch) daran verdienen.