20. Jahrgang | Nummer 16 | 31. Juli 2017

Trump in Warschau. Ein Nachtrag

von Bernhard Romeike

Die Rede, die Donald Trump im Juli 2017 in Warschau hielt, hätte auch in Warschauer Amtsstuben geschrieben sein können. So das Fazit von Holger Politt in Nr. 15 des Blättchens. Inzwischen ist bekannt, dass es nicht genau so war, aber den Nagel auf den Kopf traf. Allen Kennern Polens, seiner Geschichte und der der USA musste von Anfang klar sein, dass diese Rede von Spezialisten geschrieben sein musste, die sich in den Feinheiten dieser komplizierten und widersprüchlichen Geschichte genau auskennen und es vermochten, der Sache einen sehr konservativen Drall zu geben.
Rafal Pankowski, ein polnischer Politikwissenschaftler und Kultursoziologe, der sich vor allem mit der populistischen radikalen Rechten in Polen beschäftigt, machte darauf aufmerksam, dass am Zustandekommen der Rede Marek Jan Chodakiewicz beteiligt war. Die britische Webseite hopenothate.org.uk berichtete, dass Chodakiewicz bereits vor dem Besuch, am 3. Juli, im polnischen Fernsehen genannt wurde als Konsultationspartner für die Rede. Er wurde auch erwähnt als Teil der Präsidentendelegation, die nach Warschau flog. Kurz nach dem Trump-Besuch waren die US-Offiziellen jedoch nicht bereit, die Teilnahme von Chodakiewicz an dem Präsidentenbesuch zu bestätigen oder zu verneinen.
Das hat Gründe. Marek Jan Chodakiewicz gilt als Vordenker der polnischen Rechten oder Rechtsextremen und als „polnische Stimme in den USA“. Geboren wurde er 1962 in Warschau, wurde später US-Staatsbürger, studierte Geschichte in San Francisco und an der Columbia Universität in New York und spezialisierte sich auf die Neueste Geschichte Osteuropas und vor allem Polens. Aufsehen hatte er erregt, als er erklärte, die Ermordung von Juden 1941 in Jedwabne oder von Juden, die den Holocaust überlebt hatten und nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in ihre polnischen Heimatdörfer zurückzukehren versuchten, durch Polen hätte mit Antisemitismus nichts zu tun. Die Juden hätten mit den Sowjetkommunisten kollaboriert oder seien selbst Kommunisten gewesen und hätten so die Gewalt provoziert, während die Mörder entweder Banditen waren oder in Selbstverteidigung handelten. Jan T. Gross, Geschichtsprofessor an der Princeton-Universität und bekannt durch seine Bücher über die anti-jüdischen Pogrome in Polen sagte über Chodakiewicz, dass dieser „ein Ideologe der radikalen Rechten“ sei und es keinen Zweifel gebe, dass er Antisemit ist.
Chodakiewicz bezeichnete sich selbst als „christlichen Konservativen polnischer Herkunft“. In einem Vortrag am „Institut für Nationales Gedenken“ in Warschau – das hat Ähnlichkeiten mit der Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland, verfügt darüber hinaus jedoch auch über staatsanwaltschaftliche Ermittlungskompetenzen – im Juni 2006 führte Chodakiewicz aus: „Viele linke Intellektuelle vertreten ein postmodernes Konzept. Kaum einer von ihnen interessiert sich für das schwierige Quellenstudium, die Originalarchive. Sie interessieren sich nicht für eine akademische Diskussion auf der Grundlage des aristotelischen und thomistischen Wahrheitskonzepts. Ihre Referenz zur Wahrheit folgt dem ironischen, postmodernen Grinsen der Dekonstruktion.“ Dieser Trend sei in Polen schon vor Jahren etabliert worden und unter den säkularen Eliten verbreitet, während die traditionsbewussten polnischen Eliten dem natürlich nicht folgen.
Anderenorts kritisierte er die „westliche politische Korrektheit“. In Internet-Beiträgen bezichtigte er Obama, mit den Kommunisten verbunden zu sein, und nannte Bernie Sanders „einen jüdischen Bolschewiken“. Er agiert als Wanderer zwischen den Welten der USA und Polens. In seiner Rede auf einer Kundgebung der rechtsextremen Bewegung Ruch Narodowy in Polen im Juni 2014 rief er aus: „Wir wollen ein katholisches Polen, weder ein bolschewistisches noch ein multikulturelles oder eines der Schwulen!“
So hatten die offiziellen USA allen Grund, die Spur zwischen Trumps Warschauer Rede und Chodakiewicz möglichst zu verwischen. Schwerwiegender ist jedoch etwas anderes. Der Mann arbeitet seit 2004 als Professor für Geschichte am Washingtoner „Institut für Weltpolitik“. Das ist eine „Graduate School“, also eine höhere universitäre Bildungseinrichtung, für „Nationale Sicherheit, Nachrichtendienst und internationale Politik“. Hier werden Nachwuchskader der USA für die Geheimdienste und den Auswärtigen Dienst, und zwar offenbar gemeinsam, ausgebildet. In der Beschreibung des Instituts bei Wikipedia heißt es, Gegenstände seien die verschiedenen Elemente der Staatsführung, als da sind: Gegenspionage (counterintelligence), Gegenpropaganda, wirtschaftliche Staatsführung (statecraft) und Kriegsführung (warfare), Informations-Operationen, Politische Kriegsführung, Soft-Power-Strategien und Zivildiplomatie – letzteres meint, auch die netten Mitarbeiter der sogenannten zivilgesellschaftlichen Diplomatie können durchaus eine solche geheimdienstnahe Ausbildung haben.
Der Gründer dieses Instituts heißt John Lenczowski und ist ebenfalls polnischer Abkunft. Sein Vater, George Lenczowski, war vor dem Überfall 1939 polnischer Diplomat, arbeitete dann im Ausland für die polnische Exilregierung, war so 1943 in Teheran, als dort das Treffen der Großen Drei stattfand. Als er sah, dass Polen nach der Konferenz von Jalta 1945 zum sowjetischen Einflussgebiet gehören würde, ging er in die USA. John Lenczowski wurde 1950 dort geboren, studierte, befasste sich mit internationaler Politik, arbeitete dann im Außenministerium und wurde unter Präsident Ronald Reagan Direktor für Europäische und Sowjetangelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der USA. Hier war es seine wichtigste Aufgabe, die Modernisierung der antisowjetischen und antikommunistischen Propagandasender der USA Radio Free Europe und Radio Liberty voranzutreiben und deren Finanzausstattung deutlich zu erhöhen. Nach dem Sieg im Kalten Krieg gründete er 1990 das Institut für Weltpolitik. Dass er das auch privat finanziert, steht nirgends.
Genau betrachtet ist dieses Institut die Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln. Dass dort Leute arbeiten wie Marek Jan Chodakiewicz ist eher nicht Zufall, sondern hat Methode. Das heißt, der Nachwuchs der Dienste wird in jenem Geist herangebildet, den Chodakiewicz zuweilen etwas vorlaut ausgesprochen hat. Und Donald Trump hat nicht auf eine obskure, rechtsextreme Figur zurückgegriffen, sondern auf eine Ressource der USA, die unter allen Präsidenten planvoll gehegt und gepflegt wurde. Da dort Nachwuchs für die Dienste und die politische Klasse herangebildet wird, gilt: die Sanktionsbeschlüsse des US-Kongresses haben einen intellektuellen Unterbau, der schlimmer zu sein scheint, als die Sache selber.