20. Jahrgang | Nummer 11 | 22. Mai 2017

Antworten

Isabella Levina Lueen, deutsche Pop-Musik-Hoffnung – „Ich hoffe immer noch, dass ganz Deutschland stolz auf mich ist“, hauchten Sie nach dem Kiewer „ESC“-Fiasko in ein Rundfunkmikrofon. Ganz Deutschland… Uff, wir nicht. Wir sind erst einmal sprachlos. Und dann fühlen wir Mitleid mit Ihnen. Das liegt allerdings am NDR. Dessen Redakteur Thomas Schreiber ist „Unterhaltungskoordinator der ARD“ – jetzt wissen wir auch, weshalb ARD-Unterhaltung so stinklangweilig ist, wer solche Titel erfindet… –, der auch ein Fazit verkündete: „Wir stellen uns dem Ergebnis und werden es analysieren.“ Das klingt wie eine Drohung und ist damit wiederum sehr deutsch. Arme Levina, das haben Sie nun auch wieder nicht verdient.

Washington Post, altgewordenes Flaggschiff des investigativen Journalismus – Jetzt wissen wir es endlich: Ihrem Präsidenten ist alles zuzutrauen. Nicht nur, dass er sich mit Kim-il-Wem-auch-immer, jener fernöstlichen Inkarnation des Bösen an sich, treffen möchte – nein, Mr. President redet sogar mit dem russischen Außenminister über Laptops in Flugzeugen. Mit einem Russen! Das wirft allerdings die Frage auf: Wissen die Kreml-Tyrannen überhaupt, was Laptops sind und wenn Ja, woher? Wir können uns das alles sehr BILD-lich vorstellen, halten es aber als Freunde der Aufklärung mit Christian Fürchtegott Gellert: „Wir müssen nicht klagen, dass alles vergänglich sei.“ Das betrifft „Geheimnisse“, das betrifft aber auch investigative Flaggschiffe. Zumindest sollten Sie baldigst das nächste Trockendock ansteuern und ihren Kahn einem Qualitätstest unterziehen.

Kölner Kulturrat, ein Gremium ganz eigener Art – Sie, die Damen und Herren Mitglieder dieses erlauchten Kreises, vergeben in diesem Jahr wieder die Auszeichnung „Bestes Kölner Kulturereignis“. Dieser Preis wird über eine Publikumsabstimmung unter Federführung des Kölner Stadt-Anzeigers vorgenommen. Weil die lit.Cologne – Das Blättchen berichtete im Frühjahr erneut – aber jedes Mal mit großem Abstand gewinnt, wurde das Festival zunächst nur alle drei Jahre überhaupt zugelassen. Und nun ganz von der Nominierung ausgeschlossen! Wenn Sie schon einmal in dieser Richtung so schön Fahrt aufgenommen haben, wie wäre es, gleich noch den Kölner Dom von der Liste der touristischen Highlights Deutschlands zu streichen und Bayern München zu verbieten, Deutscher Meister zu werden? Um sich nicht dem Risiko einer Klage im Nachhinein auszusetzen, sollten Sie Ihre Auszeichnung vorsichtshalber umbenennen: mit „Zweitbestes Kölner Kulturereignis“ wären Sie auf der sicheren Seite.

Gabor Steingart, Wunschautor – Hätten Sie nicht bereits beim Handelsblatt kontraktiert, wir würden Ihnen glatt eine Kolumne im Blättchen anbieten. Ein Thema kurz und knapp auf den Punkt zu bringen, das schaffen ja die wenigsten. Exemplarisch war da einmal mehr Ihr Morning Briefing vom 12. Mai. Darin fanden wir dieses: „Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass der Börsenkapitalismus sich von der Realität um Lichtjahre entfernt hat, dann lieferte ihn jetzt das Internet-Unternehmen Snapchat. Ein Umsatz von 149,7 Millionen Dollar im vergangenen Quartal rechtfertigt keine Marktkapitalisierung von 28 Milliarden Dollar. Schleierhaft bleibt, wofür Vorstandschef Evan Spiegel einen Sonderbonus von 750 Millionen Dollar bekam. So übertrifft ein Wahnsinn den nächsten. Man wird den Verdacht nicht los, dass ‚das Kapital‘ sich deutlich irrealer und rücksichtsloser verhält, als es Karl Marx in seinem gleichnamigen Bestseller beschrieben hat.“

Elaine Kamarck, Brookings Institution – Donald Trump hat den Chef des Inlandsgeheimdienstes FBI (35.000 Mitarbeiter) gefeuert, was in den USA eine Welle von Protesten ausgelöst hat – die Washington Post etwa nannte den US-Präsidenten einen „schäbigen Tyrannen“. Allgemein wird gemutmaßt, der Rausschmiss sei wegen der vom FBI geführten Untersuchung der Russland-Connection der Trump-Mannschaft erfolgt. Sie äußerten zu dieser Causa: „Trump ist entweder der schuldigste Präsident seit Nixon, oder er ist der unfähigste Präsident seit Gründung der Vereinigten Staaten.“ Vielleicht, verehrte Kollegin, sollten Sie noch eine dritte Möglichkeit in Betracht ziehen: Trump könnte gut und gerne auch beides zugleich sein!

Maybrit Illner, Das Orakel von der Panke – Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen – wusste schon Einstein. Trotzdem kann es bisweilen dauern, bis eine falsche Prognose sich definitiv als solche erweist. Am 21. Dezember 2012 endete bekanntlich der Maya-Kalender, und erst um Mitternacht an jenem Tage wurde klar, dass nicht eingetreten ist, was seit Jahrzehnten vorhergesagt worden war: der Weltuntergang. In Ihrem Fall ging es deutlich flotter. In der Ausgabe der ZEIT vom 11. Mai verkündeten Sie forsch: „[…] wir werden die Kanzlerin in einer neuen Rolle erleben. Sie kann auf keinen Fall noch mal einen Wahlkampf machen, wie sie ihn zweimal hintereinander hingelegt hat.“ Und dann nochmal mit Blick auf das Fernsehduell Merkel – Schulz am 3. September: „[…] eine interessante Konstellation, weil Angela Merkel nicht so weitermachen kann wie bisher […].“ Nur drei Tage später wählte NRW, und man wusste es besser …

Harald Martenstein, Sophist im positivsten Sinne des Wortes – Im Zehn-Punkte-Katalog Thomas de Maizières zur deutschen Leitkultur hat es Ihnen der Anstrich „Allgemeinbildung“ besonders angetan: „Wie […] soll ein Zuwanderer in Deutschland überhaupt an Allgemein­bildung herankommen? Das ginge höchstens im Untergrund oder in Bayern. Jeder, der ein bisschen Allgemeinbildung hat, weiß, dass Allge­meinbildung bei uns als überholt, ungerecht und elitär gilt. Ich glaube deshalb, bei allem Respekt, dass es bei Thomas de Mazière Lücken in der Allgemeinbildung gibt. Sonst wüsste er, dass er Unmögliches for­dert. Die Integration dieses Ministers wird, falls seine eigenen Kriterien stimmen, folglich wohl kaum gelingen.“ Quod erat demonstrandum.