20. Jahrgang | Nummer 4 | 13. Februar 2017

Korrekt. Korrekter. Schwachsinn

von Alfons Markuske

Die Universität in Greifswald wurde 1456 gegründet und zählt damit zu den ältesten Europas.
Im Jahre 1933 beantragte der Senat der Universität auf Initiative des „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ bei der preußischen Staatsregierung, den Namen Ernst Moritz Arndt führen zu dürfen. Dem wurde stattgegeben; die Namensverleihung erfolgte durch den damaligen Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, der im Nürnberger Prozess von 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt wurde.
Angesichts der historischen Verdienste von Ernst Moritz Arndt – unter anderem während der Befreiungskriege gegen die Napoleonische Fremdherrschaft und um die Einheit Deutschlands – war dieser Akt der Namensgebung durch die Nazis weder für die Kommunisten in der DDR noch für deren bürgerliche Nachfolger im vereinigten Deutschland ein Grund, am Namen der Universität etwas zu ändern.
Das blieb dem Senat der Alma Mater selbst vorbehalten, der am 18. Januar 2017 mit 24 gegen elf Stimmen (bei einer Enthaltung) beschloss, dass diese den bisherigen Namen ablegen und künftig nur noch unter der Bezeichnung Universität Greifswald firmieren wird.
Vergleiche hinken zwar bekanntlich immer, aber ebenso bekanntlich ist unter den Blinden der Einäugige König. Was analog für den Hinkenden dort gelten dürfte, wo die Realität bereits im Rollstuhl Platz gefunden hat. Also – dieser Entscheid des Greifswalder Senats, das ist, als hieße im Lande der Erfinder der political correctness, das wahrlich durchaus mit reichlich und auch grotesken Überspitzungen derselben aufwarten kann, die Hauptstadt ab sofort nur noch D.C.
Die dürre Information, die zur Namenstilgung vom 18.01.2017 auf der Startseite der Homepage der Greifswalder Universität derzeit zu lesen ist, nennt keine Gründe für das Geschehen. Die findet man sicher in den Tiefen der Homepage unter dem vielen Gewese und hochtönenden Geröll, das sich dort im Laufe der langjährigen Auseinandersetzungen um den nunmehr ehemaligen Namensgeber versammelt hat. Doch die Suche kann man sich sparen, denn es ist ja nicht erst, seit der Streit in Greifswald anhub, unstrittig, dass Arndt nicht nur Lichtgestalt war. Nicht nur homo politicus und Intellektueller, Vordenker zum Begriff der Nation und Vorkämpfer der deutschen Einheit, Verfechter der Volkssouveränität und Widerständler. Nicht nur einer der führenden Demokraten seiner Zeit, der sich den Kampf – die folgende Aufzählung entstammt einer „Ernst Moritz Arndt leider weggesäubert“ betitelten Kolumne von Götz Aly – „gegen Pfaffenherrschaft, Pressezensur und Leibeigenschaft; […] für unabhängige Rechtsprechung, allgemeine Schulbildung und für eine die Zivilisten schonende Landkriegsordnung, die erst hundert Jahre später zu internationalem Recht wurde“, auf die Fahne geschrieben hatte. Dieser Arndt hatte vielmehr zugleich in seinem Judenhass Martin Luther nicht nachgestanden und übel gegen die Franzosen als Volk vom Leder gezogen.
Die letztgenannten Punkte, so Aly, der mit seinem Buch „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ eine differenzierte Sicht auf diese Fragen vorgelegt hat, seien Futter für Geschichtsexorzisten. Schon die Wahl dieses Begriffes nimmt vorweg, was Aly in der erwähnten Kolumne dann auch expressis verbis äußert: Er sei „dagegen, Arndt aus dem nationalen Erinnerungshorizont zu tilgen“.
Und seine Begründung?
Die soll ausführlich zitiert sein: „Ich halte solche Umbenennungen für selbstherrliche Siegergeschichte. Sie wird von politisierten, hoffärtigen Rechthabern betrieben, denen jede Demut gegenüber den Grenzen, Leistungen und Irrtümern früherer Generationen abgeht […]. Was auf Arndt zutrifft, gilt für die frühen Burschenschaftler, für Turnvater Jahn, Heinrich Hoffmann von Fallersleben oder Friedrich List. Sie alle zählen zu den Urvätern der deutschen Demokratie, von ihnen haben wir unsere Nationalhymne und die Farben Schwarz-Rot-Gold. Zweifellos und im Gegensatz zum Reaktionär Metternich waren die genannten Fortschrittler alle auch Judengegner. Aber bessere Demokraten haben wir nicht. Gerade deshalb sollten wir sie nicht vergessen, nicht aus dem öffentlichen Bild verbannen, sondern uns ihrer als Menschen erinnern, die stets das aus ihrer Sicht Gute wollten, und dabei das Böse mitschufen. Das Problem des deutschen Antisemitismus besteht darin, dass er nicht vor allem in den nationalen Dreckecken entstand, sondern vielfach von Leuten gefördert wurde, die wir aus andern Gründen mit Recht ehren. Wer solche Ambivalenzen vertuscht, betreibt Geschichtsklitterung und Gegenaufklärung.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Nur der Vollständigkeit halber – Washington D.C.: George Washington, Miterstreiter der Unabhängigkeit und erster Präsident der Vereinigten Staaten sowie ausgewiesener Verfechter des Grundsatzes der gleichgeborenen Gesellschaft, war zeit seines Lebens ein Halter von Sklaven. Es sollen bis zu 390 gewesen sein …