19. Jahrgang | Nummer 26 | 19. Dezember 2016

Horrorskop 2017

von Heinz W. Konrad

Januar: Per Quickie mit Hillary Clinton in einer Besenkammer des Oval Office gelingt Donald Trump und seiner monatelangen Rivalin ein doppelter Befreiungsschlag: Während Frau Clinton sich überfälligerweise am gleichartigen Vergehen Ihres Ehemanns Bill rächt, erklärt Herr Trump diese Penetration als symbolträchtigen Ausdruck der Überwindung vormaliger Gegensätze zwecks Einigung des amerikanischen Volkes, worauf in den USA Besenkammern in öffentlichen Gebäuden umgehend ausgebucht sind.

Februar: Nach dem Eingeständnis ihrer strukturellen und somit hoffnungslosen Unterlegenheit gegenüber den Linken zieht sich die Berliner SPD aus der hauptstädtischen Dreierkoalition zurück, was den Linken-Senator Klaus Lederer dazu veranlasst, vom Eosander-Portal des Berliner Schlosses die Semisozialistische Stadtrepublik Berlin auszurufen, wobei er durch den beleidigenden Zwischenruf eines der drei Teilnehmer dieser machtvollen Manifestation ungehörig provoziert wird.

März: Der allerallerliebste Führer der KDVR, Kim Jong Un, erregt während einer internationalen Pressekonferenz Aufsehen mit der Mitteilung, dass die KDVR eine neue Generation von Inkontinentalraketen entwickelt habe, die gegebenenfalls über dem feindlichen Süden zum Platzen gebracht werden könnten, was Günther Jauch zu einer leidenschaftlichen Solidaritätserklärung mit Seoul veranlasst.

April: Der linken Tageszeitung neues deutschland gelingt es, die Zahl ihrer Leserbriefschreiber von elf auf zwölf zu verdoppeln, wodurch dem tradiert heftigen Kongruenzkampf um die Meinungshoheit in den Leserbriefspalten weitere Nahrung zugeführt wird.
Mit Blick auf die noch immer schwelenden Querelen bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten hat die britische Queen angeboten, dieses Amt ehrenamtlich auszuüben, was für sie dank ihrer letztlich deutschen Herkunft auf viele Jahre hinaus locker lösbare Aufgabe wäre.

Mai: Die von den Grünen eingesetzte neue Umwelt- und Verkehrssenatorin Berlins, Regine Günther, führt sich mit einem Paukenschlag in ihr neues Amt ein. Da die Erbauer des neuen Schönefelder Flughafens mitteilen, dass auch bis 2026 an eine Eröffnung des Airports nicht zu denken ist, da sich in den kilometerlangen Kabelschächten mittlerweile geschützte Schwalben und Fledermäuse angesiedelt haben, verkündet Frau Günther den umweltfreundlichen Entschluss, das gesamte Projekt an gleichem Ort unter die Erde zu verlegen.
Im Freistaat Sachsen eröffnet das 5000. Restaurant, das ausnehmend mit „wutbürgerlicher Küche“ für sich wirbt und sofort mit Reservierungen überhäuft wird.

Juni: Die leitenden Gremien der Freien Universität Berlin debattieren leidenschaftlich über einen neuen Namen der ehrwürdigen Hochschule, da die traditionell gebrauchte Abkürzung FU durch die Benutzer der sozialen Medien diskreditiert ist. Dort steht dieses Kürzel für die geisteswissenschaftlich nicht akzeptable Aussage „Fuck you“. In eben diesem Sinne überarbeitet auch die Berliner Polizei ihre bürokratischen Kürzel, da HGW dank des Internets nunmehr statt „Häufig wechselnder Geschlechtsverkehr“ „Herzlicher Glückwunsch“ bedeutet, was die Polizei als alternative Interpretation verständlicherweise für unvereinbar hält.

Juli: Die New York Times legt den perfiden Plan Wladimir Putins offen, demzufolge der Oberste Diener des russischen Volkes vorsieht, durch den heimlichen bis unheimlichen Aufbau einer rundum modernen und effizienten Zivilwirtschaft binnen der nächsten 40 Jahre seiner Amtszeit den großen Sprung vom Rohstoffexporteur zu einem industriellen Schwellenland zu vollziehen und so zum Beispiel das auf Augenhöhe konkurrierende zugleich aber befreundete Nordkorea einzuholen, ohne es provozierend zu überholen.

August: Das Egozentralkomitee der nunmehr parteipolitisch eigenständigen Berliner Linken verkündet den Austausch des bisherigen Heimorchesters der Berliner Philharmonie durch die Bolschewistische Kurkapelle, in deren Vorprogramm ausgewählte Symphoniker nach wie vor auftreten dürfen.
Nachdem Raul Castro ankündigt, sich 2018 altersbedingt von der Führung des kubanischen Staates zurückzuziehen, strömen zehntausende deutsche Flüchtlinge auf die karibische Insel, um dort in solidarischer Gemeinsamkeit und unter Verzicht auf einen eh nur prekären Wohlstand und demokratische Scheinheiligkeiten zu Hause mit den Einheimischen Kubas die Früchte der 60-jährigen Revolution wahren zu helfen.

September: Die seit langem unübersehbare Parteienverdrossenheit in Deutschland zieht ein spektakuläres Ergebnis der Bundestagswahlen nach sich. Weder die großen noch die kleinen Parteien machen das Rennen sondern das Bürger*_Innenbündnis „Demokratie, aber sowas von“, dessen Führungskollektiv aus der Mutter aller deutscher Sieges-Serien, Helga Beimer, besteht. Zum Abtrainieren ihrer langen Kanzlerschaft übernimmt stattdessen Angela Merkel die Rolle Beimers in der Münchener Lindenstraße, wobei sie sich als energiespendenden Liebhaber interessanterweise Till Schweiger wünscht, der allerdings mangels freier Kapazitäten von Karl Dall gedoubelt wird.

Oktober: Als ihre erste gesetzgeberische Maßnahme erlässt die neue Bundesregierung eine Atemluft-Maut, deren Höhe nach einem vorher zu ermittelnden Lungenvolumen und dem daraus hochgerechneten Verbrauch festzulegen ist. Bürger anderer Staaten müssen künftig eine mehrfach hohe Pauschale begleichen oder ihre Atemluft – zollfrei – mitbringen. Die handfeste Begründung, dass der Staat jährlich Milliarden für die Reinhaltung der Luft ausgebe und die Bürger diese nicht nur gratis inhalierten, sondern oft genug auch selbst verschmutzten, wofür die Industrie benachteiligender Weise via Emissionshandel zur Kasse gebeten werde, der einzelne Bürger indes bislang nicht, stößt bei der Linkspartei erst auf atemlose Stille und hernach auf empörte Schnappatmung.
Papst Franziskus gibt seine Vermählung mit der Protestantin Margot Käßmann bekannt – ein geschickter Schachzug, der Jorge Mario Bergoglio, von Margot liebevoll „mein Jürgilein“ genannt, bei eventuellen Besuchen in Deutschland neben einem Asylgrund auch ein Bleiberecht sichert.

November: Was schon lange als Gerücht durch die Bundesrepublik ging, erweist sich als wahr: Die EU ersucht kollektiv um den Beitritt zum deutschen Grundgesetz, mindestens aber zum Geltungsbereich des Bundesfinanzministeriums. Das befördert allerdings die fundamentale Opposition der Ostdeutschen, die ihr vormaliges Alleinstellungsmerkmal bezüglich eines solchen Beitritts nun in einen Alleinvertretungsanspruch umfunktionieren.
Die Regierung der Berliner Republik verweist in einem an die UNO gerichteten Aide-Mémoire darauf, dass Berlin kein Bestandteil der Bundesrepublik ist und auch nicht von dort regiert werden darf. Beigefügt ist dem ein augenzwinkernder Verweis auf die engen Beziehungen der Linkspartei zum Moskauer Kreml und deren „freundlichen Bürgern “ in hoheitsfreien Uniformen, die bereits auf der Krim dem dortigen Volkswillen zu einem fast unblutigen Siegeszug verholfen hatten.

Dezember: Höhepunkt der Neujahrsansprache von Kanzlerin Beimer ist ihre erklärte Gewissheit, dass das bevorstehende neue Jahr zwar nicht so gut sein werde wie das zu Ende gehende, dafür aber viel besser als das übernächste, was die Bürger der Bundesrepublik den Jahreswechsel mit spürbarem Optimismus begehen lässt und den Kurs der Rotkäppchen-Kellerei steil nach oben treibt.