19. Jahrgang | Nummer 24 | 21. November 2016

Renaissance und Barock – synagogal

von Clemens Fischer

Das Louis Lewandowski Festival synagogaler Musik ist bei Kennern und interessierten Laien bereits ein „gesetzter“ Termin. In diesem Jahr findet es zum sechsten Mal statt.
Die bisherigen Festivals widmeten sich jeweils wechselnden Leitthemen. Zunächst stand Louis Lewandowski selbst im Fokus (2011), dann Komponistenkollegen seiner Zeit (2012) sowie die von der Nazi-Barbarei ins Exil getriebenen jüdischen Komponisten (2013) und jene, die während des „Dritten Reiches“ Aufnahme in den USA gefunden hatten (2014). Im vergangenen Jahr schaute das Festival nach Osteuropa und holte Musik der dortigen „Chor Shul“ nach Berlin und Potsdam. Um den diesjährigen vierten Advent nun werden Synagogalwerke jüdischer Komponisten aus Renaissance und Barock erklingen.
Im Jahre 1622 hatte der jüdisch-italienische Komponist Salamone Rossi – seit 1587 am Hofe des Herzogs von Mantua zunächst als Sänger und Geiger, später als Kapellmeister wirkend – eine Reihe von sakralen hebräischen Chorwerken veröffentlicht. Der „Gesang des Salomon“ war das erste dieser Art – zwar geprägt vom madrigalen Stil und der Motette, aber dazu gedacht, in der Synagoge intoniert und gehört zu werden. Weitere Komponisten wie die Italiener Carlo Grossi, Giuseppe Vita Clave sowie der in Wien geborene Christiano Giuseppe Lidarti und der Franzose Lodovico Saladin folgten ihm und wurden durch ihre Kompositionen für jüdische Gebete, vorliturgische Feiern und die jüdische Gemeinschaft zu Wegbereitern für Lewandowski und seine Zeitgenossen im 19. Jahrhundert.
Sechs Chöre aus vier Ländern haben ihre Festivalteilnahme zugesagt:

  • The Lewandowski Chorale aus Johannesburg wurde zu Beginn des Jahres 2012 von seinem Dirigenten und musikalischen Leiter Adam H. Golding als gemischtes Ensemble gegründet, nachdem Golding als Zuschauer das Abschlusskonzert des Louis Lewandowski Festivals 2011 erlebt hatte.
    Die Mehrheit der südafrikanischen Synagogen ist orthodox. Sie erlauben keine singenden Frauen. Eines der Ziele des Chores besteht daher darin, die erhabene Musik von Lewandowski und seinen Zeitgenossen in der südafrikanischen Staatengemeinschaft zu verbreiten – und zwar so, wie sie ursprünglich geschrieben wurde: nämlich für den gemischten Chor.
  • Das Ensemble Profeti della Quinta aus Basel besteht aus fünf jungen Israelis, die nach Bedarf mit weiteren Instrumentalisten und Sängern zusammenarbeiten. Spezialisiert auf das Repertoire des 16. und frühen 17. Jahrhunderts will der Chor dem heutigen Publikum lebhafte und ausdrucksstarke Aufführungen präsentieren. Erreicht wird dies insbesondere durch Rückgriffe auf die Aufführungspraxis der jeweiligen Zeit, historische Instrumente eingeschlossen.
    Die Profeti della Quinta werden in diesem Jahr das Eröffnungskonzert des Festivals am 15. Dezember in der Synagoge Pestalozzistraße, zu dem der Eintritt übrigens frei ist, bestreiten.
  • Das Synagogal Ensemble Berlin, bestehend aus acht Sängerinnen und Sängern, ist das einzige deutsche Profi-Ensemble, das jeden Freitagabend, Schabbatmorgen sowie an allen jüdischen Feiertagen die Liturgie von Louis Lewandowski zum Erklingen bringt – in der Berliner Synagoge in der Pestalozzistraße. Der Chor wird von Regina Yantian geleitet. Zusammen mit Kantor Isaac Sheffer trägt er Lewandowskis jüdisch-deutsche Tradition hinaus in die Welt.
  • Der Leipziger Synagogalchor – die 35 Mitglieder des Ensembles, einschließlich Chorleiter Ludwig Böhme, sind sämtlich Nichtjuden – bringt seit seiner Gründung im Jahre 1962 jene Musik in einheimische und internationale Konzertsäle, die andere Deutsche wenige Jahrzehnte zuvor vollständig ausrotten wollten. Zahlreiche Konzertreisen nach Polen, in die Ukraine, die USA, nach Spanien, Portugal, Großbritannien, Südafrika, Brasilien und Israel zeugen von der überregionalen Ausstrahlung und der Botschafterfunktion des Chores.
  • Der Berliner Jugendchor Synagoge Pestalozzistraße war ursprünglich als Kinderchor entstanden. Mittlerweile sind die Gründungskinder Bar/Bat Mitzwa, und aus dem Kinderchor ist allmählich ein Jugendchor geworden. Er steht ebenfalls unter der Leitung von Regina Yantian und singt zu festlichen Anlässen, Feiertagen und Schabbatot. Die wöchentlichen Proben sind musikalischer Religionsunterricht und gesellschaftliches Erlebnis zugleich – nicht zuletzt, weil am Chor Vertreter aller Berliner Synagogengemeinschaften mitwirken.
  • Der Jugendchor der Belsize Square Synagoge kommt aus London. Diese Synagogengemeinde gilt als einzigartig im Vereinigten Königreich. Sie wurde 1939 von deutschen Emigranten gegründet und ist eng mit dem Erbe Magnus Davidsohns verknüpft, dem legendären Oberkantor der Berliner Synagoge in der Fasanenstraße.

Ein besonderer Höhepunkt 2015 war das erstmals durchgeführte Solistenkonzert von Kantoren teilnehmender Chöre sowie aus Berlin, das auf begeisterte Publikumsresonanz stieß. „Das ist natürlich Grund genug für eine Neu-Auflage in diesem Jahr“, so Festivaldirektor Nils Busch-Petersen. Als Vorkonzert werden die Kantoren bereits am Abend des 14. Dezember in der Krankenhauskirche Wuhletal in Berlin-Biesdorf zu hören sein.
Am Samstag, dem 17. Dezember, dann eine Festivalpremiere: Louis‘ LAB – die drei Chöre aus Johannesburg, Leipzig und Berlin veranstalten eine gemeinsame Werkstatt. „Der besondere Reiz besteht unter anderem darin“, erläutert Nils Busch-Petersen, „dass unterschiedliche Chöre mindestens ein völlig identisches Stück von Lewandowski interpretieren werden. Da darf man gespannt sein, wie das aus Südafrika klingt oder aus Sachsen …Das Ganze auch noch an einem ungewöhnlichen Ort – in einer alten Fabrikhalle in Oberschöneweide. Und natürlich öffentlich für unser Publikum.“
Im großen Abschlusskonzert am 18. Dezember schließlich – traditionell in der Synagoge Rykestraße – werden wiederum alle Chöre gemeinsam auftreten.
Und 2017, so viel verrät der Festivaldirektor schon jetzt, wird die Amsterdamer Tradition im Mittelpunkt stehen, also neben der aschkenasischen damit auch die sephardische. Denn infolge zunehmenden Antisemitismus‘ gegen Ende und nach der Reconquista in Spanien waren viele jüdische Familien von der iberischen Halbinsel in die freien Niederlande exiliert.

Louis Lewandowski Festival: „Jüdische Renaissance und Barock in der Synagogalmusik“, 15. – 18. Dezember 2016, Berlin und Potsdam. Weitere Informationen zum Programm, den Veranstaltungsorten und Anfangszeiten sowie zum Kartenerwerb im Internet; Kartenreservierungen unter reservierung@louis-lewandowski-festival.de.