19. Jahrgang | Sonderausgabe | 11. Juli 2016

Franz und Maria Marc in einem Buch

von Thomas Behlert

Wer nicht ganz abseits des kulturellen Lebens lebt, regelmäßig Museen besucht und gerne Das Blättchen liest, der wird natürlich Leben und Werk des Malers, Autors und bildenden Künstlern Franz Marc kennen und schätzen. Im März 1916 fiel er in einem sinnlosen Krieg, bei Verdun. Er hinterließ ein großes, spannendes und unvergängliches Werk und wird jetzt, im Jahr seines 100. Todestages, besonders gewürdigt.
Neben vielen Texten, Büchern und Abhandlungen gibt es die aussagekräftige und wichtige Biographie von Wilfried F. Schoeller und die einstmals von seiner Lebensgefährtin Maria Marc verfasste Schrift „Das Herz droht mir manchmal zu zerspringen“. Nun also, für den kleinen Geldbeutel, ein Taschenbuch von den Autorinnen Kirsten Jüngling und Brigitte Roßbeck, die sich bereits mit Friedrich Schiller und den Lengefeld-Schwestern beschäftigt haben. In ihrem neuen Buch, das schlicht und einfach „Franz und Maria Marc“ heißt, haben sie sich nicht nur auf Franz konzentriert, sondern auch auf Maria, die den Künstler noch viele Jahre überlebt hat und bis zu ihrem Tod 1955 sein Werk in Ehren hielt und mit Verstand und Liebe verwaltete. Die Autorin und Dozentin Jüngling und die Journalistin Roßbeck teilten das 240 Seiten dicke Buch in mehrere Kapitel auf. So konzentrierten sie sich zuerst auf Maria, kommen dann auf Franz zu sprechen und schildern mit Hingabe und Lust die verzwickte Liebe zwischen Franz und Maria, um schließlich nach Franz Marcs Tod Marias späteres Leben genau darzustellen. So wird zunächst geklärt, dass Maria zwar den Beruf eines Lehrers ergriff, für die Fächer Zeichnen und Sport, sie aber lieber in München Kunst studieren wollte. Ihre Eltern Helene und Philipp Franck unterstützten sie zeitlebens, wollten allerdings gerne, dass sie einen „ehrbaren“ Frauenberuf ergreift, später gewinnbringend heiratet und Kinder zur Welt bringt. Doch Maria war anders als andere Mädchen in ihrem Alter. Knapp und sehr richtig beschreiben die Autorinnen die Künstlerin auf den ersten Seiten: „Maria Franck konnte aufmüpfig sein und verzagt, avantgardistisch und konventionell, starrköpfig und nachgiebig, spottlustig und mitfühlend, mitteilsam und verschwiegen, klug und naiv, nachsichtig und nachtragend.“
Maria Franck ließ sich auf ihrem Weg nicht reinreden, sondern ging vielmehr nach München, um sich künstlerisch ausbilden zu lassen. Hier traf das „Malweib“, wie Künstlerinnen zu jener Zeit von der Bevölkerung genannt wurden, auf Käthe Kollwitz, Paul Klee, Adolf Hölzel, den späteren besten Freund der Familie Marc, August Macke, und auf die russischen Künstler Wassily Kandinsky, Alexander Jawlensky, Marianne von Werefkin und schließlich auf Franz Marc.
In Franz Marcs Abschnitt berichten Jüngling und Roßbeck wie er zur Kunst kam, über sein Verhältnis zum Bruder Paul, und dass der künftige Maler, „dessen Bilder von Pferden, Kühen, Rehen zu den meistreproduzierten Kunstwerken überhaupt zählen“ in jungen Jahren gerne mit Tierfiguren spielte. Seine manchmal undurchsichtigen Liebesbeziehungen kommen zur Sprache und das erste Treffen von Franz und Maria 1905 in München. Natürlich wird der künstlerische Werdegang des Paares genau beschrieben, wie Franz immer berühmter wurde und mit dem Eintritt in den Künstlerverein „Der Blaue Reiter“ seine Berufung fand. Maria konnte ihren Franz erst 1913 heiraten, da er zunächst von der Künstlerin Marie Schnür geschieden werden musste, mit der er eine Zweckehe eingegangen war. Gemeinsam lebte das Paar in Kochel am See und später im benachbarten Sindelshof, im bayrischen Alpenvorland.
In dieser Zeit entstanden symbolträchtige Bilder voller Farbe und Ideen. Teilweise sinnlich bis über den Bilderrahmen hinaus. Viele Tiere, die mystisch und manchmal nur vage an diese erinnern, sind zu sehen. „Blaues Pferd I“ ist mit Kraft und tiefen Farben gesegnet, die feste Linien verschwinden lassen. Dann wären noch „Wald mit Eichhörnchen“, das ergreifende und unheimlich an das Kommende des 1. Weltkriegs gemahnende „Tierschicksale“, das erst „Die Bäume zeigten ihrer Ringe, die Tiere ihre Adern“ heißen sollte, aber nach Paul Klees Vorschlag umbenannt wurde. Im letzten „Franz und Maria“ übertitelten Abschnitt wird über den 1. Weltkrieg geschrieben, der zunächst die russischen Malerfreunde aus dem Land treibt und schließlich Franz Marc, der sich freiwillig zum Kriegsdienst meldet, tötet.
Das vierte Kapitel beschreibt vier Jahrzehnte Leben Maria Marcs, geborene Franck, nach Franz Marc. Hier kommt sehr ausführlich zur Sprache, wie liebevoll und selbstbewusst sie des Künstlers Nachlass verwaltet, wie sie spät zur kunsthandwerklichen Avantgarde stößt und als Weberin des Ehemanns Bilder nachgestaltet und trotzdem ganz Eigenes schafft.
Mit dem Buch ist dem Autorengespann Jüngling / Roßbeck eine hervorragende Doppelbiografie gelungen, die zwar manchmal mit zu vielen Namen jongliert, aber Kunst, Menschen und das Schicksal lesenswert und oft spannend gestaltet. Schön wäre es gewesen, wenn einige der Bilder, Skulpturen und Teppiche von der erwähnten großen Künstlerschar im Anhang zu sehen gewesen wären. Muss man halt im Anschluss der Lektüre etwas googeln.

Jüngling / Brigitte Roßbeck: Franz und Maria Marc. Die Biographie eines Künstlerpaares, List Taschenbuch, Berlin 2016, 256 Seiten,11,99 Euro [Neuausgabe der Edition von Artemis und Winkler, Düsseldorf 2000].