18. Jahrgang | Nummer 5 | 2. März 2015

Free Alaska!

von Helge Jürgs

Nicht nur von amerikanischen Falken wie John McCain oder Jeb Bush – dem nächsten Ungemach, das der Weltpolitik droht – wird Barack Obama derzeit der zaudernden Untätigkeit bei der militärischen Unterstützung der Kiew-Ukraine geziehen. Diesem ideologischen Verdikt entgeht indes, was Obama offenbar klar ist: Mit Blick auf offene territoriale Rechnungen sitzen die USA gewissermaßen im Glashaus, und wenn man dort sitzt, schmeißt man besser nicht mit Steinen.
Anlass für Obamas Zieren ist ein Umstand, der bisher ebenso überraschend wie unverdient wenig Widerhall in der Weltpolitik, gefunden hat: Vor kurzem nämlich haben Alaska-Amerikaner eine Petition in das Weiße Haus eingebracht, die – bislang schon von zehntausenden Stimmbürgern unterzeichnet – die Rückgabe Alaskas an Russland fordert. Der Grund dieses menschenrechtlich relevanten Vorstoßes ist allemal plausibel: Hatte Zar Alexander II 1867 in einer Zeit erheblichen Geldmangels Alaska doch an Amerika zu Konditionen verscherbelt, die allein bei einem Preis von nur 4,74 Dollar pro Quadratkilometer auch heute noch als sittenwidrig gelten müssen und zudem eigentlich lediglich als Pacht, also zeitlich befristet, und nicht als Kauf im Sinne eines finalen Besitzwechsels gemeint waren. Russlands kulturvoller Oppositionspolitiker Wladimir Schirinowski weiß diesbezüglich genau Bescheid. Auch heute ist es unumstößliche Tatsache, dass Alaska vor 12.000 bis 16.000 Jahren über die seinerzeit noch begehbare Beringstraße maßgeblich von Sibirjaken, also Russen, besiedelt worden ist, von denen sich – so die Petition – auch heute noch sehr viele auf diese russischen Wurzeln beziehen. Selbst Brot heißt bei den Indigenen dort noch immer „Chleb“, Tee „Tschai“ oder Butter „Maslo“ …
Wenn es eines weiteren Beweises bedarf, dann liegt offen zu Tage, dass es die vom Zar bevollmächtigte russische Handelskompanie Baranows – zu deren Aktionären übrigens der Zar selbst zählte – war, die Alaska früh zu jener interessanten Wirtschaftsregion gemacht hat, deren Sahne die USA dann im Klondike-Goldrausch genossen hat. Ähnlich fies wie die Tatsache, dass aus der russischen Krim seit Chruschtschows umnachtetem Geschenk dieser Region an die Ukraine allein Milliarden der touristischen Schwarzmeererlöse nach Kiew statt nach Moskau geflossen sind.
Nun lässt sich heute natürlich noch nicht sagen, ob und wann Putin das Signal zur Rückholung Alaskas (und übrigens auch einiger Teile des heutigen Kalifornien) gibt und also russische Urlauber im Waffenrock dort einrücken, Obama hat wohl aber diesbezüglich schon eine ungute Ahnung. Und gemäß der Weisheit „Alles, was Recht ist“ hat er dafür gute Gründe.
Falls in der künftigen Weltpolitik nicht insofern Vernunft einziehen sollte, dass man zumindest auf Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln verzichtet, werden die Zeiten immer absehbarer, in denen sich die geopolitische Weltkarte wieder dem Stand annähert, den es gemäß ethnischer Verteilungen und historischer Besitzansprüche im Mittelalter hatte. Immerhin: Gegenüber der Zukunft ist das Mittelalter vielleicht ja doch die erstrebenswertere Gegenwart.