17. Jahrgang | Nummer 8 | 14. April 2014

Feuerbach – Marx – Gauck.
Über den Umgang mit der Veränderung der Welt

von Jürgen Heiducoff, Huadian, VR China

Feuerbach, Marx erkannten und auch Gauck erkennt, dass sich die Welt verändert.
Und jeder von ihnen kam respektive kommt zu anderen Folgerungen.
Ludwig Feuerbach realisierte die subjektive Rolle des Menschen im Prozess der materiellen Veränderung der Welt noch nicht ausreichend.
Karl Marx forderte die Welt zu verändern, statt sie nur unterschiedlich zu interpretieren. Er dachte vor allem an revolutionäre Veränderungen.
Joachim Gauck fordert, Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen, da die Welt sich verändert habe
Knüpft Gauck bewusst an die beiden deutschen Philosophen an? Werfen wir einen Blick auf seine Rede zur Eröffnung der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz (alle Hervorhebungen – J.H.): „Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert und profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.
Deutschlands so definiertes Kerninteresse zu verfolgen, während sich die Welt rundherum tiefgreifend verändert, das ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wenn es in den vergangenen Jahren eine Konstante gab, so ist es die Beobachtung, dass wir die Geschwindigkeit des Wandels permanent unterschätzen. Regelmäßig wundern sich Zukunftsforscher, dass Veränderungen in der Welt deutlich schneller Wirklichkeit werden als von ihnen prognostiziert.“
Gauck seinerseits warnt, im „Zuge dieser Entwicklungen zu glauben, man könne in Deutschland einfach weitermachen wie bisher […]“ und dass „[…] der Wandel allmählich an bundesdeutschen Gewissheiten nagt […]“. Und ihn treibt die Frage um: „Hat Deutschland die neuen Gefahren und die Veränderungen im Gefüge der internationalen Ordnung schon angemessen wahrgenommen?“
Der Bundespräsident liegt richtig mit seiner Erkenntnis, dass sich die Welt verändert hat. Und er plädiert leidenschaftlich für eine „Erhaltung“ des bestehenden westlichen „Ordnungsgefüges und Systems“. Er will es „zukunftsfähig“ machen.
Doch andere internationale Akteure streben nach einer multipolaren Welt. Und sie haben in der friedlichen wirtschaftlichen Entwicklung in diese Richtung beachtliche Erfolge erzielt. Sie haben das Weltgefüge bereits verändert – ohne militärische Gewalt und Kriege, ohne Bomben, ohne Drohnen, ohne zivile Opfer. Ich verweise auf die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die neuen Mächte fordern ihre Rechte in der internationalen Ordnung ein.
Unser Bundespräsident schlussfolgert mit Blick auf die Welt, Deutschland müsse bereit sein, mehr internationale Verantwortung zu übernehmen.
Doch, das deutsche, das westliche „Ordnungsgefüge zu erhalten“, während sich die Welt verändert hat und weiter verändert, das kann neue Konflikte hervorbringen.
Bleibt zu hoffen, dass Joachim Gauck meint, Deutschland müsse künftig mehr Verantwortung für einen stabilen Frieden in der Welt und die friedliche Regelung aller Streitigkeiten, für mehr politische Kompromisse tragen.
Dies hat er leider bisher allerdings noch nicht explizit hervorgehoben.

Jürgen Heiducoff war Offizier der NVA und der Bundeswehr, in der er sich mit Abrüstung, Rüstungskontrolle und militärischer Vertrauensbildung befasste. Er war in Tschetschenien als OSZE-Beobachter sowie in Afghanistan, zuletzt als militärpolitischer Berater des Botschafters, im Einsatz. Durch wiederholte Kritik am militärischen Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung verlor er das Vertrauen seiner Vorgesetzten. Seit drei Jahren ist Heiducoff im Ruhestand.