15. Jahrgang | Nummer 15 | 23. Juli 2012

Antworten

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – Herzlichen Dank für die Hilfestellung beim Umgang mit renitenten Autoren! Hat sich doch dieser Tage A. Z. beschwert, dass die Redaktion ihn – ebenso höflich wie bestimmt – bat, sein überlanges Elaborat zumindest in die Nähe des üblichen Standards zu kürzen. Da haben wir, um deutlich zu machen, dass wir auch noch ganz anders könnten, einfach mit einem Zitat aus Ihrer Epistel an Kurt Tucholsky vom 12. April 1926 repliziert: „‚Gegen den Strom’ ist 5 Seiten und 10 Zeilen lang. Vielleicht kannst Du die 10 Zeilen streichen. Ich habe so gern ganzseitig ausgehende Gartikel. ,Fantasia’ ist 4 Zeilen über 3 Seiten – ich bitte desgleichen.“ Seitdem herrscht Ruhe.

Bob Diamond, bis aufs Hemd Ausgezogener – Als Chef der britischen Barclay-Bank mussten Sie unlängst zurücktreten, weil Ihr Geldinstitut jahrelang Zinsen manipuliert hatte, wovon sie selbstverständlich  nichts wussten, wie auch. Nachdem Sie generös auf garantierte Bonusleistungen von bis zu 20 Millionen Pfund verzichtet haben, hat man Ihnen mitleidsvoll ein – eigentlich mehr symbolisches – Trostpflästerchen in Höhe von wenigstens zwei Millionen Pfund auf die offene Wunde Ihrer verwundeten Ehre gedrückt. Wir halten das für eine gut übertragbare und pädagogisch ganz sicher wirkungsvolle Variante von Schadensregulierung: Der für die Verursachung Verantwortliche wird nicht mehr bestraft, sondern belohnt. Was gut ist, setzt sich halt durch, Herr Zumwinkel lässt grüßen.

Carsten Maschmeyer, Vergeblichgrübler – Sie, der Sie einst den AWD gegründet haben, dem Sie nun aber nicht mehr angehören und gegen den nun prozessiert wird, waren dieser Tage einschlägiger Zeuge vor Gericht. Zur Aufklärung der Frage, ob es zutrifft, dass AWD im Zuge seines Börsenganges im Jahr 2000 bei rund Dreiviertel seiner Fondsprodukte mehr als 15 Prozent Provisionen erhalten haben soll, ohne wie gerichtlich verfügt die Kunden davon zu informieren, haben Sie mit der Auskunft beigetragen, Sie könnten sich nicht erinnern. Wir sind unglaublich überrascht! Muss es doch hart sein für jemandem in Ihrem Gewerbe, sich so wenig auf sein Gedächtnis verlassen zu können. Anders betrachtet könnte es aber auch eine Voraussetzung für Geschäftemacher wie Sie sein; man weiß ja so wenig …

Florian S., vorbestrafter Nazi-GlückspilzAls letzten Oktober einige Linke auf Sie zuliefen, von denen „mindestens einer eine Sprühdose Reizgas dabei gehabt hat“, sind Sie mit Ihrem Mitsubishi gezielt in die Gruppe hineingefahren. Während sich zwei der Angreifer per Sprung zur Seite retten konnte, flog der dritte über die Motorhaube, erlitt eine Hirnblutung und litt noch Monate danach an deren Folgen. Nun hat das Landgericht Freiburg Sie freigesprochen, denn Sie hätten eindeutig in Notwehr gehandelt. Zwar hätten Sie auch einfach davonfahren können, wie das Gericht dies durchaus als Alternative erkannte. Doch sei nicht auszuschließen, dass Sie durch den drohenden Angriff panisch und verwirrt waren. Dazu fällt uns wieder mal Tucholsky ein: „Justitia, ich wein’ bitterlich, Du gehst auf einen langen —————————————“.

Harald Christ, 2009 noch Wirtschaftsminister im Schattenkabinett der SPD – Sie haben nun Ihren Rückzug aus der Politik verlautbart. Nach den Gründen befragt, wussten Sie zu resümieren: „Politik in Deutschland beschränkt sich immer mehr auf das Verwalten von Prozessen und beschäftigt sich immer weniger mit dem Erarbeiten von Lösungen. Meine Erfahrungen aus 25 Jahren aktiven politischen Engagements haben die Hoffnung zerstört, dass sich der Politikbetrieb nachhaltig ändert. Um in politische Verantwortung zu kommen, müsste ich so vieles an Überzeugung aufgeben, dass mir der Preis dafür zu hoch erscheint. Ich kann das System nicht verändern, bin aber auch nicht bereit zu akzeptieren, dass das System mich verändert, nur um einer politischen Karriere zu dienen.“ – Respekt.

Sinaitakala Tu’imatamoana ’i Fanakavakilangi Fakafanua, Frischvermählte – Soeben haben Sie den Kronprinzen von Tonga, ihren Cousin Tupouto’a Ulukalala, geehelicht. Namens der zahlreichen Blättchen-Leser all überall in Ihrem Königreich gratulieren natürlich auch wir.

Katja Kipping, neue Co-Chefin der Linkspartei – Ob man Sie zu Ihrer neuen Aufgabe nach Göttingen beglückwünschen sollte, war schon damals fraglich. Und nun dürfen Sie auch gleich erleben, dass alles bleibt, wie gehabt. Schon wieder werden Personaldebatten öffentlich geführt, wo eine parteipolitische Konsolidierung an der Tagesordnung wäre. Und schon wieder wird durch Personen, die zwar von großer Bedeutung sind für die Linke, dort aber nicht über die Kompetenz der Ämterverteilung verfügen, in bilateralen Kungelrunden darüber befunden, wer 2013 die Partei in den Wahlkampf führen soll. Unser respektvolles Bedauern ist ganz an Ihrer Seite.

Thorsten Denkler, SZ-Autor – In Anbetracht der Tragweite jener Entscheidungen, die derzeit um und für Europa getroffen werden müssen und die Ihrer Absicht nach nur durch den Schritt zu wirklich „Vereinigten Staaten von Europa“ gelöst werden können, fordern Sie zu recht, dass darüber endlich das Volk per Abstimmung entscheiden müsse. „Darum ist die Debatte, ob es eine Volksabstimmung geben muss, wenn die europäische Integration den nächsten großen Schritt macht, ziemlich vermessen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann endlich die Bürger auch in Deutschland gefragt werden. Sprechen sie sich dafür aus, den Weg zu einer politischen Union mitzugehen, sind die Vereinigten Staaten von Europa eine ganz wunderbare Vision“, schreiben Sie und das erwärmt auch uns das Herz. Nur: Glauben Sie im Ernst, dass nach aller Angstmache vor dem „deutschen Aderlass“, den letztlich ja das steuerzahlende Volk zu tragen hätte, ein „Ja“ zu Europa zu erwarten wäre?

Martha Nussbaum, amerikanische Philosophin – Sie haben in einem Interview erklärt, warum sie Blasphemiegesetze ablehnen: „Warum? Weil sie – entgegen dem, was von den Gesetzgebern behauptet wird – am Ende nicht Minderheiten und deren Bekenntnis schützen, sondern zu einem Machtinstrument in der Hand der Mehrheit werden.“ Ei non additum est.

Horst Seehofer, Oberbayer Ihr schwarz-gelbes Kabinett hat beschlossen, dass Bayern beim Bundesverfassungsgericht gegen den bestehenden Länderfinanzausgleich klagen wird. „Bei aller Solidarität haben wir immer klargemacht: Ein Transfersystem, bei dem Bayern allein die Hälfte der gesamten Ausgleichssumme in ganz Deutschland zahlt, ist aus dem Ruder gelaufen und muss korrigiert werden“, so hatten Sie sich kürzlich gegenüber der SZ geäußert. Nun sind betagte Regelungen sicher nicht sakrosankt und gehören immer wieder auf den Prüfstand – aber wo man auch recherchiert: Reumütige Verzichtsabsichten Bayerns, das von 1950 bis 1986 Nehmerland war, auf seinerzeitige Zuwendungen aus dem Länderfinanzausgleich sind einfach nicht aufzutreiben.

Andy Meindl, Präsident des Bundesverbandes Automatenunternehmer – Sie beklagen in einer Zeitungsanzeige unter anderem den Ihrer Meinung nach falschen Vorwurf, die Spielstätten seien öffentlichkeitsscheu, dunkel und von außen meist mit unschöner Plastik-Deko zugeklebt, was nämlich nicht von den Automatenbetreibern, sondern von den Kommunen verlangt werde. „Wir würden uns lieber zeigen, wie wir sind, offen und freundlich“, haben Sie mit einer Treuherzigkeit nachgeschoben, die absolut zu Ihrem uneigennützigen Gewerbe passt, an dem der Staat freilich gut mitverdient.