15. Jahrgang | Nummer 11 | 28. Mai 2012

Antworten

K. L., Anonymer – Angesichts der Abservierung Norbert Röttgens als Bundesumweltminister durch die Bundeskanzlerin sollen Sie laut Berliner Zeitung gestöhnt haben: „So ein Blutbad. Es ist unfassbar.“ Starke Vergleiche haben ja durchaus Ihren Reiz – wenn sie denn passen. Der Ihrige ist aber allenfalls unfassbar dumm. Denn die Menschheitsgeschichte ist zwar wahrlich gepflastert mit Blutbädern, aber gemessen an realen historischen Ereignissen – von der Varus-Schlacht über Wounded Knee bis zu Amokläufen unserer Tage – verdient Röttgens Entlassung doch nicht einmal das Prädikat „Hausschlachtung“.

Klaus Wowereit, brutalstmöglicher Kontrolleur – Sie haben nun die Eröffnung des Berliner Großflughafens BER für den 17. März angekündigt. Erstaunlicherweise haben Sie sich sogar dazu hinreißen lassen, dies mit der Jahreszahl 2013 zu verbinden. Gewagt, gewagt! Was wir von Ihnen und Ihren 14 Aufsichtsratskollegen gern wissen würden ist, wofür IhrTun und Lassen in diesem Amt eigentlich gut war, wenn das Projekt wegen Planungsfehlern nun sogar schon zweimal kläglich verschoben werden musste; von Petitessen wie der erst in diesem Jahr entdeckten Notwendigkeit, noch rasch ein Zelt für weitere Check-Ins anzubauen, reden wir mal gar nicht erst. Entweder haben auch Sie versagt und gehören – als Aufsichtsrat – zurückgetreten, oder aber es braucht solche albernen Ämter nicht.

Katharina Schwabedissen, gefühlte Wahlsiegerin aus NRW – „Draußen auf der Straße sind wir bei gefühlten zwölf 12 Prozent“, erklärten Sie als Linke-Spitzenkandidatin dem verblüfften Fernsehvolk, als sich die Hochrechnungen für Ihre Partei am Wahlabend bei satten 2,5 Prozent einpendelten. Knapp daneben ist auch vorbei. Allerdings befinden Sie sich mit dieser Art der Realitätswahrnehmung bei den augenblicklichen Linksparteigranden aller „Strömungen“ in guter Gesellschaft.

Willy Brandt, Denkmalgewordener – Wir lassen mal unbeachtet, dass Ihr Name im Zusammenhang mit dem Berliner Großflughafen leider als zumindest zwischenzeitlich beschädigt zu betrachten ist und möchten Sie – mit Blick auf das tapfere Engagement der Bundesrepublik in Sachen Julia Timoschenko – mit folgenden Worten zitieren: „Leute, die ihre Absichten verschleiern möchten, indem sie Menschenrechte vorschieben, wo Besitz- und Machtinteressen gemeint sind, handeln nicht nur zynisch und heuchlerisch, sie gefährden auch die politische Lösung großer sozialer Probleme. Heuchelei ist aber gewiss kein geeignetes Kriterium, um die Interessen der westlichen Demokratien zutreffend zu definieren“.

Kristina Schröder, Flexibelquotige – Im Gegensatz zu Kabinettskollegen und Oppositionspolitikern lehnen Sie eine vorgegebene Frauen-Quote für Führungspositionen in Unternehmen ab. Sie wollen diese auch den Unternehmen selbst überlassen. Um dennoch Bewegung in diese Angelegenheit zu bringen, schlagen wir vor, ganz so zu verfahren, wie Jesus es laut Thomas-Evangelium getan hat: „Simon Petrus sprach zu ihnen: Maria soll aus unserer Mitte fortgehen, denn die Frauen sind des Lebens nicht würdig. Jesus sprach: Seht, ich werde sie ziehen, um sie männlich zu machen, damit auch sie ein lebendiger Geist wird, vergleichbar mit euch Männern. Denn jede Frau, die sich männlich macht, wird in das Himmelreich gelangen.“

Askyltos, Protagonist in Petronius’ Satyrikon „Wozu nützen die Gesetze, /wenn der Mammon nur regiert. / Wenn der kleine Mann der Straße / immer den Prozeß verliert?“ wussten Sie bereits zu Neros Zeiten feststellend zu fragen. Es gibt halt wirklich nur wenig Neues unter der Sonne.

Sarah Wagenknecht – Linkspartei-Ikone  „Es gibt im Parteienspektrum dringenden Bedarf für eine Partei wie Die Linke, die immerhin die einzige ist, die die Wirtschafts- und Finanzordnung in Frage stellt, statt sich den Reichen und Mächtigen anzubiedern. Es gibt in der politischen Landschaft ein ständiges Auf und Ab von Parteien. Augenblickliche Stimmungen sind keine Jahrhunderttrends“,wissen wir dank Ihnen als politische Situationsbeschreibung zu schätzen. Eine klitzekleine Nachfrage hätten wir aber doch: Woran misst sich der „dringende Bedarf“, wenn ihre Partei wieder dabei ist, auf fünf Prozent zurückzusinken? Es wird wohl am Wahlvolk liegen, das der Avantgarde mal wieder nicht zu folgen vermag. Schon Grigori Kossonossow war es nicht gelungen, Geld für ein neues Flugzeug zu sammeln: „Die Bauern seines Heimatdorfes waren eben noch ein zu ungebildetes Volk“; kommentierte resigniert sein Erfinder Michail Sostschenko.

Mathias Rust, „Kreml-Flieger“ – Der 25. Jahrestag der formidablen Landung Ihrer „Cessna“ auf Moskaus Rotem Platz ist medialer Anlass, sich wieder mal an Sie zu erinnern. Wir haben wenig Lust, uns auf nachmalige Vermutungen, was in Ihnen seinerzeit vorgegangen sei, zu beteiligen; auch nicht daran, inwieweit Sie mental gestört sind oder nicht, zu welcher Annahme zumindest Ihr späterer Mordversuch an einer Schwesterschülerin in Hamburg Anlass gab. Wir nehmen den Flug nach und die Landung in Moskau – beides vor aller Augen – als das, was es in erster Linie war: Die Adaption des Märchens von „Des Kaisers neuen Kleidern“. Immerhin hatten Sie der Welt vorgeführt, dass die hochgerüstete UdSSR zumindest in Ihrem Falle „ja gar nichts an hatte“.

Niccolò Machiavelli, verkannter Realist  Ihr Werk „ Vom Fürsten“ liest sich wie eine Gebrauchsanweisung für pure Demagogie als Führungsprinzips des Erfolges. Mag sein. Es ist zunächst aber nichts anderes, als die Synopse ihrer damaligen Erfahrungen, die den heutigen merkwürdigerweise noch immer weitgehend entsprechen. Und so gesehen, liest es sich sehr aktuell, wenn man Sie zum Beispiel(!) – mit diesen Worten zitiert: „Die Menschen urteilen im Allgemeinen nach dem Augenschein, nicht mit den Händen. Sehen nämlich kann jeder, verstehen können wenige. Jeder sieht, wie du dich gibst, wenige wissen, wie du bist. Und diese wenigen wagen es nicht, sich der Meinung der vielen entgegenzustellen. Denn diese haben die Majestät des Staates zur Verteidigung ihres Standpunktes.“ – Auch heutige Politik ist letztlich nur ein uralt Ding.

Carlos Fuentes, nunmehrige Leerstelle der Weltliteratur – Ihr Tod ist betrüblich wie jeder andere auch. Aber es schmerzt in Ihrem Fall umso mehr, als die literarische Welt nicht nur Lateinamerikas einen der ganz Großen verliert, und einen politisch Engagierten ebenso. Wir zitieren hier gern, was Ihnen in einem Rundfunkbeitrag „nachgerufen“ wurde: „Fuentes provozierte gern. Doch war er ein Kämpfer mit Zweifeln, ein skeptischer Aufklärer. Im blinden Glauben an den Fortschritt entdeckte der linke Publizist irgendwann den Unglückskeim des 20. Jahrhunderts. Manchmal zitierte er Oscar Wilde: ‚Pessimismus ist ein informierter Optimismus.’“