15. Jahrgang | Nummer 3 | 6. Februar 2012

Ruhm und Nachruhm

von Renate Hoffmann

Was Friedrich kann, kann Maximilian allemal! Nahm Friedrich II. energischen Einfluss auf die Verbreitung der Kartoffel in den preußischen Küchen, so setzte Maximilian I. die Doppelte Buchführung ein. Holte der preußische König Voltaire an den Hof und gute Musiker, engagierte der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Künstler wie Albrecht Dürer und Peter Vischer d.Ä. und Albrecht Altdorfer und Lucas Cranach d.Ä.
Manches einte sie: Leutseligkeit und Härte; bedacht auf Ansehen und Nachruhm und auf Erweiterung von Macht und Territorium. Für die jeweiligen Finanzkrisen hatte Friedrich seinen Kaufmann Veitel Heine Ephraim, Maximilian den Jacob Fugger. Sie führten Kriege – mit Erfolgen und beachtlichen Misserfolgen. Der Eine liebte Hunde, der Andere die Jagd. Das Trennende bilden die Jahre.
Feiert man derzeit des „Alten Fritzens“ 300. Geburtstag, kann Maximilian, der „Letzte Ritter“ zwar nicht mithalten, was das Jubeln betrifft, doch bringt er immerhin 253 Jahre mehr auf als der „Alte von Sanssouci“. – Sterben mussten sie beide. Der Eine ließ sich nahe seinen Hunden begraben, unprätentiös. Der Andere …
Innsbruck, Stadt zwischen himmelhohen Bergen, tief unten am namengebenden Flusse gelegen. Im Gewirr ihrer Gassen und Gässchen, die den Abglanz bedeutender Vergangenheit tragen, steht die Hofkirche. Darinnen, die sakrale Szene beherrschend, ein Grabmal. Zu Ruhm und Ehren eines Mannes, der an der Wende zum 16. Jahrhundert die europäische Geschichte durcheinander wirbelte. Kaiser Maximilian I. (1459-1519). Vielseits interessiert und tätig; von mittlerer Größe und blässlichem Teint, nicht schön, aber gut gebaut; sportlicher Typ und gesundheitsbewusst (Unpässlichkeiten bekämpfte er mit Leibesübungen und „Wassertrinken“); diplomatische Fähigkeiten, doch ungeschickt in der Finanzpolitik.
Maximilian sorgte für seine Popularität; im Leben und auch fürderhin. Porträts der kaiserlichen Majestät kursierten, von den besten Künstlern gemalt, geschnitten, gestochen, auf Münzen geprägt und in religiöse Darstellungen einbezogen. St. Georg ist Maximilian, einer der  Heiligen Drei Könige ebenfalls; sogar ein Verkündigungsengel trägt Maxens Züge (Gesichtsblässe mag zutreffen, Engelsgleichheit weniger).
Die Majestät schrieb, besser wohl ließ über sich und die Ströme der Zeit schreiben. „Freydal“, „Theuerdank“ und „Weißkunig“ heißen die reichbebilderten Werke. Im „Weißkunig“ erklärt Max, was man zum Erhalt des Nachruhmes bedenken sollte: „ … wer ime in seinem leben kain gedächtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedächtnus und desselben menschen wird mit dem glockendon vergessen … “ Also machte Maximilian beizeiten ein „gedächtnus“. In der Hofkirche zu Innsbruck.
Er plante großzügig. 40 überlebensgroße Gestalten der Ahnen und Vorbilder sollten sein Grabmonument umstehen; ergänzend dazu 34 Büsten römischer Caesaren und 100 Heiligen-Statuetten. Allesamt aus Bronze gegossen. Geldnot und Zeitenlauf entschieden anders. – Der Kaiser bestimmte, sozusagen in letzter Lebensminute, Wiener Neustadt zur persönlichen Ruhestätte, verlor aber kein Wort über den Standort seines nachrühmlichen Großprojektes – und starb. Nur ein Teil des Auftrages war erfüllt. Und der befand sich in Innsbruck, wo man die Bildwerke überwiegend gegossen hatte. Was sollte man tun?
Maxens Nachfahren mühten sich redlich. Sie ließen in seiner Lieblingsstadt Innsbruck die Hofkirche erbauen, weiterhin „Ahnen“ gießen und erfüllten – mit Einschränkungen – den Wunsch ihres Groß- und Urgroßvaters. Die kaiserliche Hinterlassenschaft wirkt grandios. Doch das Hochgrab ist leer. Ein Kenotaph, ein Schaugrab. Der Herr liegt in Wien, wie befohlen. –
Obenauf kniet Maximilian, umgeben von den vier Kardinaltugenden, nach antiker Auslegung: Tapferkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Klugheit. In feinster Manier schmücken Marmorreliefs die Seitenwände der Tumba. Situationen aus Maxens Leben nachzeichnend. Im Nähertreten sehe ich viel Kampfgetümmel, Schlachten, Eroberungen, Siegestaumel. Ein wunderbares filigranes Gitter umrandet Maximilians Taten und mildert das Kriegsgeschrei.
Und nun zur illustren Gesellschaft, aufgerufen, die Ehrenwache zu halten. Fast bin ich ein wenig verschreckt, wie sie in Würde auf mich herabschauen, die Männer und Frauen. Überlebensgroß, 28 an der Zahl und zwischen den hohen Säulen aufgereiht. Sie tragen große Namen.
Johanna von Castilien, des Kaisers Schwiegertochter und sein Sohn Philipp der Schöne, König von Castilien etc. und Erzherzog zu Österreich. Auch Gottfried von Bouillon, der sich König von Jerusalem nannte. Maxens Vater Friedrich III., Römischer Kaiser. Und seine Großeltern. Cimburgis von Masovien, die Großmama. Sie soll ihren Nachfahren (auch Maximilian) die „habsburgische Unterlippe“ vererbt haben. Welch temperamentvolle Erscheinung. Der eigenwillige Kopfputz weist auf ihre polnische Abkunft hin.
Maximilians Frauen. Maria von Burgund, schön und reich, die geliebte und frühverstorbene erste Gemahlin. Sie stürzte vom Pferd. Der Gemahl war untröstlich. Mädchenhaft und ebenmäßig sind ihre Züge, schmalhüftig ist die Gestalt. Das kostbare Gewand mit dem zierlichen Muster im schweren Brokat verrät höchste Kunst des Modelleurs und Gießers (Gilg Sesselschreiber). Unweit von Maria steht Maxens Schwester Kunigunde, ebenfalls aus Sesselschreibers Werkstatt stammend. Sie trägt einen kunstvoll gewundenen Kranz im Haar und stellt das rechte Bein leicht an. Ihr Knie unter dem faltenreichen Kleid schimmert auffallend hell. Man wird es wohl öfter verstohlen betätschelt haben.
Die stattlichen Herren, mit den Insignien der Macht versehen, sind zumeist von Kopf bis Fuß in prunkvolle Rüstungen gezwängt. – Der Kaiser übertrug die Arbeiten nicht nur den besten, sondern zeitweilig auch den damals allerbesten Künstlern. Albrecht Dürer übernahm die Entwürfe für drei der männlichen Statuen. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, der edle, den Blick in ferne Welten gerichtete König Artus (der Mythologie entstiegen, und nicht mit Max verwandt!) und Albrecht IV. von Habsburg. Lächelnd, behende, als wolle er einen Branle tanzen (nicht weit entfernt von ihm steht Elisabeth von Ungarn … ). Beide Figuren goss Peter Vischer d.Ä. in Nürnberg. – Gotenkönig Theoderich hingegen stützt sich auf einen Stab und sinnt den Geschicken nach.
Das „gedächtnus“ gelang Maximilian in vollem Umfange. Es ist von europäischem Rang. Ich erweise den Künstlern meine Reverenz.