von F.-B. Habel
Im November war es 60 Jahre her, dass die Panzerknacker, diese Bande von Berufsverbrechern, zum ersten Mal in einer amerikanischen Comic-Geschichte auftauchte, um Dagobert Duck, der reichsten Ente der Welt, die Fantastilliarden abzuluchsen. Und vor 50 Jahren erschien zum ersten Mal die nicht ganz unerotische Hexe Gundel Gaukeley auf der Bildfläche – natürlich mit dem gleichen Ziel. Wer beim Schöpfer dieser Figuren an Walt Disney denkt, hat recht und auch nicht. Denn sie, wie auch Daniel Düsentrieb und Gustav Gans wurden von dem genialen Zeichner Carl Barks dem Disney-Universum hinzugefügt. Ihm und seinen Kollegen Floyd Gottfredson und Al Taliaferro ist die Ausstellung „Entenhausen ist überall“ im Berliner Schloss Britz gewidmet, die aus Sammlerbeständen zusammengestellt wurde und viele wissenswerte Hintergründe bietet. Aber sie macht auch Spaß – was ja bei diesem Genre die Hauptsache ist.
Entenhausen und seine Figuren, die in ihren besten Geschichten eine Persiflage auf den amerikanischen Alltag mit gelegentlichen versteckten politischen Anspielungen lieferten, waren, ob eingestandenermaßen oder nicht, Anregung auch für Comic-Zeichner – pardon! – Gestalter von Bildgeschichten in der DDR. Jürgen Kieser, der Erfinder der Mäuse „Fix und Fax“, stritt kürzlich bei einem Pressegespräch zu seinem 90. Geburtstag ab, Comic-Zeichner zu sein oder sich am Disney-Stil orientiert zu haben. Wenn man seine Zeichnungen kennt, mag man es nicht glauben. Für Erich Schmitt hingegen gehörten Micky-Maus-Hefte zur häufigen Lektüre, und er gewährte Micky, Goofy und Donald auch schon mal einen Gastauftritt in seinen Karikaturen. Nachdem der 1984 verstorbene Schmitt, der als produktivster Comic-Zeichner der DDR gilt, ein paar Jahre lang „herrenlos“ war, werden seine Geschichten jetzt wieder von der Eulenspiegelverlagsgruppe herausgegeben. Die patente „Schwester Monika“ und die barbusige „Nixi“ sind in preiswerten Ausgaben wieder im Handel, preiswert aber auch billig. Sie liefern leider keinerlei Hintergrundinformationen. Für den gerade frisch erschienenen Knappen „Kuno Wimmerzahn“ beispielsweise ließ sich Erich Schmitt von Barlogs „5 Schreckensteinern“ von 1940 anregen (auch gerade in einer limitierten Sammleredition bei INCOS wiederaufgelegt). Vielleicht muss man das nicht unbedingt wissen, aber in Schmitts frechen Knappen-Abenteuern finden sich viele aktuelle Anspielungen auf die Entstehungszeit. Der kundige Leser kann durchaus Bundeskanzler Adenauer oder SPD-Chef Ollenhauer erkennen und hat dabei zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Aber kein Kommentar weist darauf hin. Für „Karl Gabels Weltraumabenteuer“ gibt der Verlag an, dass die Ausgabe „auf dem unveränderten Erstabdruck der Geschichte in der Berliner Zeitung von 1967/68“ beruht. Dabei wird unterschlagen, dass die BZ-Fassung schon die überarbeitete Version der „Reise zu den Proximanen“ aus der Wochenpost von 1956 war. Für die BZ hatte Schmitt die Geschichten nicht nur neu gezeichnet, sondern auch inhaltliche Änderungen angebracht. So wurde aus dem gesamtdeutschen Team der fünfziger Jahre („Deutsche an einen Tisch“, lautete damals noch das Motto) nunmehr im Zeichen des Bruderbundes ein Kollektiv DDR/SU. Der Vergleich lohnt und ist möglich, weil der kleine, aber rührige Dresdner Holzhof-Verlag die Ur-Proximanen als Sonderheft wiederaufgelegt hat. Der Verleger Guido Weißhahn widmet sich mit Akribie den „Klassikern der DDR-Bildgeschichte“, hat unter anderem Comics von Jürgen Günther, Reiner Schwalme, Heinz Jankofsky und Horst Alisch nachgedruckt, alle in Mini-Auflagen, die gerade die Kosten decken, aber im Gegensatz zur Eulenspiegel-Gepflogenheit sehr informativ kommentiert werden. Auch Richard Hambach, dem Erfinder von „Mäxchen Pfiffig und Tüte“ aus dem Frösi-Magazin (vergleiche Blättchen 13/2005) hat er ein opulentes Heft gewidmet.
Das Allround-Talent Richard Hambach ist, von der Öffentlichkeit leider unbemerkt, im September im 94. Lebensjahr gestorben. Bis vor etwa zehn Jahren belieferte er noch die Berliner Zeitung mit Rätselzeichnungen für die Kinderseite, aber einen Nachruf war er ihr nicht wert. Hambach war Geschichtenerzähler, Liederschreiber, Verseschmied, Puppen- und Filmgestalter, Spiele- und Rätselerfinder und vor allem ein fantastischer Zeichner. Auch er hatte sich von den „5 Schreckensteinern“ etwas abgeguckt, auch von O.E. Plauen, aber er wehrte sich dagegen, Comic-Zeichner gewesen zu sein. Bildgeschichten habe er auch gemacht, meinte er, wenn es aus didaktischen Gründen nötig war. Zu diesen dem Lernen förderlichen Projekten gehörte Hambachs „Brandschutzfibel“, von der in mehreren Folgen eine Auflage von 800.000 erreicht wurde, und die Geschichten um „Kundi“ in der Für Dich. In den fünfziger Jahren agitierte er in Der junge Pionier gegen Comics, die damals pauschal als jugendgefährdend betrachtet wurden, und das machte er ausgerechnet mit einem Comic – einschließlich Sprechblase! Das Genre war so verkehrt denn doch nicht. Vielleicht ist die starke Didaktik, oft im Sinne fortschrittlicher, „sozialistischer“ Werte der Grund, warum der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag (der auch das Gesamtwerk des „Mäusevaters“ Jürgen Kieser verlegt) nach kurzer Annäherung in den neunziger Jahren denn doch nicht auf das Werk des Meisters zugriff.
Das Mosaik, die führende Comic-Zeitschrift der DDR, feierte kürzlich 20. Jubiläum. Zwar gab es die DDR vor 20 Jahren nicht mehr, aber die Erfolgsgeschichte ging damals in eine neue Runde, nachdem der West-Berliner Werbefachmann Klaus D. Schleiter nach bitteren Querelen mit der Treuhand endlich das Mosaik kaufen konnte. Bei der Jubiläumsfeier waren auch die Eltern der beliebten Abrafaxe, die Zeichnerin Lona Rietschel und der Autor Lothar Dräger – beide längst im Rentenalter – dabei. Das Mosaik ist heute die größte Comic-Zeitschrift deutscher Produktion, vergibt viele Lizenzen ins In- und Ausland und hat sich mit einem „Mädchen-Mosaik“ mit den Heldinnen Anna, Bella & Caramella erfolgreich an die beliebten japanischen Mangas angelehnt. Für die Abrafaxe hingegen begann im Herbst ein neues Abenteuer, das sie erstmals nach Australien in die Anfangsjahre der Besiedelung des Kontinents führt. Natürlich befreunden sie sich mit einem Koori an, einem Ureinwohner, und der Kater Trim wird Gegenspieler der von Lona Rietschel erfundenen Ratte.
Rietschel und Dräger waren schon wichtige Künstler im Mosaik-Kollektiv, als noch Hannes Hegens Digedags das Gesicht der Zeitschrift bestimmten. Zwar wurden die Gnome 1975 aufs Altenteil geschickt, aber in Buchform erscheinen sie für ein junges Publikum noch immer, und Altmeister Hegen schafft dafür auch noch gelegentlich neue Zeichnungen. Wie für die West-Comic-Freunde in Britz gibt es auch im östlichen Lichtenberg eine Bildgeschichten-Ausstellung im Stadthaus Lichtenberg. Hier erfährt man viel über die Digedags, die Abenteuer und die Eingriffe, die Hintergründe für Fehden und kann Spaß an den zahlreichen Comic-Figuren haben, unter ihnen auch der ewige Tolpatsch Ritter Runkel. Über den hat übrigens Lothar Dräger schon sein drittes Buch geschrieben.
Entenhausen ist überall – Donald, Micky und ihre Väter, Ausstellung im Schloß Britz, Alt-Britz 73, Di-So 11-18 Uhr, bis 11.3.12; Erich Schmitt, Schwester Monika 2012, Verlag Bild und Heimat Reichenbach, 13 Blatt, 9,95 Euro; Erich Schmitt, Karl Gabels Weltraumabenteuer, Eulenspiegelverlag, 4,99 Euro; Erich Schmitt, Die Reise zu den Proximanen, Holzhof Verlag Dresden, 5,00 Euro; Richard Hambach, Mäxchen Pfiffigs Abenteuer, Holzhof Verlag Dresden, 6,00 Euro; Mosaik Heft 432: Die Insel, Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag, 2,40 Euro; Das Mosaik von Hannes Hegen – Abenteuer Wissenskosmos, Ausstellung im Museum Lichtenberg, Türrschmidtstraße 24, Di-Fr + So 11-18 Uhr, bis 30.12.11.
Schlagwörter: Comic, Erich Schmitt, F.-B. Habel, Jürgen Kieser, Micky Maus, Mosaik, Richard Hambach