13. Jahrgang | Nummer 13 | 5. Juli 2010

So funktionierte die DDR

von Kai Agthe

So unglücklich, weil mißverständlich, der Titel des Buches ist, so treffend ist sein Untertitel. Hervorgegangen ist der Band aus einer zweiteiligen Ringvorlesung, die die Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen veranstaltete. Dem Herausgeber Joachim Klose ist das nicht geringe Kunststück gelungen, dank überzeugender Beiträge jenen Weg weiter zu ebnen, der zu einer kritischen Kultur des Erinnerns an die DDR führt. Wenn solche Autoren wie Freya Klier, Joachim Gauck und Günter Schabowski – der die DDR als das benennt, was sie war: eine Diktatur – in einem Buch vereint sind, dann ist der eingeschlagene Pfad der richtige.
Mit „Wege zu einer Kultur des Erinnerns“ steht ein programmatischer Beitrag des Berliner Theologen und Politikers Richard Schröder am Beginn. Er findet für die DDR und ihre Staatsmacht die Bezeichnung „black box“, weil sie undurchschaubar und unberechenbar gewesen sei. Die folgenden 33 Aufsätze geben einen vielfältigen Einblick, wie der sog. „Arbeiter- und Bauernstaat“ wirtschaftlich, politisch, sozial und kulturell funktioniert hat.
Der Psychologe Joachim Maaz blickt vom Kollektiv auf das Individuum und erinnert daran, daß „psychologische Parameter immer eine größere Bedeutung für den Einzelnen haben als politische oder materielle Werte“. Der SED bescheinigt er eine „Mutterbedrohung“ und dem System DDR, das eine geschlossene Gesellschaft war, die Unmöglichkeit von „Vaterflucht“. Ob Freya Klier in ihrem Aufsatz „Erziehung zur Unmündigkeit“ richtig liegt, wenn sie meint, dass die Demonstrationen von 1989 weitgehend ohne EOS-Schüler und Studenten stattfanden, möchte ich, eingedenk meiner Wende-Erfahrung als Abiturient in Magdeburg, bezweifeln. Daß die DDR aber unmündige Bürger erzog, ist unzweifelhaft. Es wird ferner das Scheitern der Planwirtschaft thematisiert, das Verhältnis zu Fremden in der DDR, die heimliche Macht der Informellen Mitarbeiter des MfS sowie die Strategien zur Kompensation des Mangels.
Man kann über diesen klug komponierten Band nichts Besseres sagen, als daß sich auch und gerade all jene, die dieses seltsame Ländchen nicht aus eigenem Erleben kannten, ein Bild machen können von der „größten DDR der Welt“ (Christoph Dieckmann). Das Buch ist auch eine wunderbare Ergänzung zu Martin Sabrows Anthologie „Erinnerungsorte der DDR“.

Wie schmeckte die DDR? Wege zu einer Kultur des Erinnerns. Hrsg. von Joachim Klose. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2010. 510 Seiten, 29,80 Euro