13. Jahrgang | Nummer 1 | 18. Januar 2010

Beton

von Sibylle Sechtem

Im Berliner Regierungsviertel, Ecke Wilhelm-/Dorotheenstraße, wächst Beton zusammen. Der Bundestag läßt ein Verwaltungsgebäude bauen und nutzt dafür das Skelett eines Hauses, das einst, in den fernen 1970er Jahren, von einem der DDR-Baukombinate errichtet worden war. Verschiedene kleine Botschaften hatten da ihre Heimstatt, ein paar außenministerielle Büros wohl auch. Die Fassade, die nie ein Glanzstück war, bot zuletzt einen nur noch traurigen Anblick – kein Wunder nach langem Leerstand und bei einsetzendem Verfall. Aber die Grundstruktur stimmt, die Traufhöhe auch, und die Festigkeit des aus der Vor-Asbest-Zeit stammenden Betons sowieso.

Ach, wie schön das gehen kann, dieses auf gründliches Prüfen folgende Nutzen des schon Vorhandenen, dieses so neugierige wie achtungsvolle Hinter-die-Fassade-Schauen, diese Konzentration auf den Wesenskern. Und dieses behutsame Verändern.

Das oberste Stockwerk hat man abgetragen und ein neues an seine Stelle gesetzt – eines, das nicht ganz bis an die Straßenfront reicht. Nahtlos hat sich der neue Baustoff mit dem alten verbunden. Und zur Straße hin sind an die Schmalseite der Boden-Decken-Platten Betonelemente in der Form ungleichseitiger Dreiecke geklebt, auf daß die künftigen Fassadenelemente aus Stahl und Glas nicht glatt, sondern in auflockernder Schräge eingehängt werden können. Man darf gespannt sein, ob nach Fertigstellung des Gebäudes irgendwo ein Täfelchen auf diese gelungene Ost-West-Synthese hinweisen wird.

Auf eher bizarre Weise ergänzen sich Ost- und West-Beton an anderer Stelle. Weil SPD-Platzeck in Brandenburg sich anders entschieden hat als SPD-Matschie in Thüringen und also nicht wie dieser dem vor Gott und der Tradition fest verbrieften Recht der CDU aufs Regieren Geltung verschafft, sondern eine Koalition mit der LINKEN gebastelt hat, feiert die Stasi-Frage wieder einmal Urständ. Aber nicht um jene famose Methode der Birthler-Behörde soll es hier gehen, die darin besteht, die plötzlich Enttarnten nicht auf direktem Wege von ihren ziel- und zeitgenau gemachten Entdeckungen in Kenntnis zu setzen, sondern dies per Umweg über die Journalisten der einen oder anderen Zeitung zu tun, damit, wenn alles schön ausführlich gedruckt und ausgeschmückt und anderen Zeitungen zum Fortschreiben überlassen wurde, für die Betroffenen dann aber auch wirklich gar keine Verteidigung mehr möglich ist.

Das ist vielerorts schon ebenso oft hin und her erörtert worden wie die Frage, von welcher gesellschaftlichen Relevanz die Taten der hier zur Debatte stehenden Täterinnen und Täter denn nun eigentlich wirklich gewesen sind, und warum diese Taten nach dem Willen unter anderem der genannten Behörde nie, aber auch wirklich niemals verjähren dürfen.

Nein, mir geht es hier um die Charakterfrage. Als eine solche, heißt es mit hoch gerecktem moralischem Zeigefinger vornehmlich in der CDU, müsse Spitzelei nun einmal gelten, und immer schließt sich die Versicherung an, man wolle, weil das so ist, mit denen, die es taten, nichts und gar nichts zu tun haben. Soweit, so gut. Aber dann kommt aus dieser gleichen CDU so eine junge Ministerin wie die Neue im Fach Familie, Kristina Köhler mit Namen, daher, und man weiß von ihr, daß sie zu den glühenden Verfechterinnen der Überwachung der LINKEN durch den Verfassungsschutz gehört. Da ist man vor Staunen baff. Sie will also auf die Leute der LINKEN, die da vor und mit ihr im Bundestag sitzen, ganz genau solche Typen fragwürdigen Charakters ansetzen wie die, die sie gerade und immer wieder zu verteufeln angetreten ist.

Auch so kann man den einen Beton auf den anderen setzen. Aber keine Frage: In Variante eins sieht es deutlich besser aus.