von Sarcasticus
Zehn Jahre ist sie alt, die Riester-Rente. Und hat sie sich gelohnt? Für die Finanzbranche allemal. Insgesamt 15 Millionen Riester-Verträge sind bereits abgeschlossen worden, und ein Ende ist nicht absehbar. Allein knapp elf Milliarden Euro an Steuergeldern in Gestalt staatlicher Fördermittel sind bis Ende 2011 ins Riestern geflossen. Und die Zeitschrift Finanztest hat addiert, dass die Anbieter von Riester-Produkten, also Banken, Versicherungen, Fonds und Vertriebe wie etwa der AWD, bisher rund 5,9 Milliarden Euro an Provisionen und Verwaltungsgebühren eingestrichen haben – rund 15 Prozent aller Sparbeiträge von Kunden und aller staatlichen Zuschüsse. Da kann schon von sattem Segen gesprochen werden, quasi von einem Subventionsmodell für die Finanzindustrie, und wüsste man nicht, dass das Ganze von der SPD-geführten Bundesregierung unter Gerhard Schröder erfunden worden ist, könnte man versucht sein mutzumaßen, dass das Projekt selbst aus der Branche stammt oder zumindest im trauten Miteinander beider Seiten kreiert wurde.
Apropos: Auch für Verschwörungstheoretiker ist Riester eine wahre Fundgrube. Schon Blicke auf die Vorgeschichte des Projektes offenbaren – nun sagen wir – Geschmäcklerisches. Da gab es den Professor Bert Rürup, zeitweise Chef der fünf so genannten Wirtschaftsweisen und nie müde werdend, landauf, landab zu verkünden, dass der alternden Bevölkerung des Landes viel mehr private Rentenvorsorge Not tue, wenn sie nicht massenhaft der Altersarmut anheim fallen wolle, und nach dem daher folgerichtig ein neben Riester weiteres privates Rentenvorsorgemodell benannt wurde. Und da gab es Carsten Maschmeyer, weiland Gründer und Chef des Drückerimperiums AWD, der als Multimillionär an eigener privater Rentenvorsorge gar nicht, im Hinblick auf neue Vertriebsprodukte für sein Fußvolk dafür aber umso mehr interessiert war. Maschmeyer und Rürup bildeten später, als die Privatrente für die Massen in trockenen Tüchern war, ein gemeinsames Beratungsunternehmen. Daneben gab es Männerfreundschaften – etwa die zwischen Gerhard Schröder und Maschmeyer, der Schröder auf dem Weg zur Kanzlerschaft mit teuren Anzeigen unter die Arme gegriffen hatte und dessen AWD die Riester-Rente schließlich florierende Geschäfte bescherte. Den Namensgeber, Walter Riester, heuerte der AWD dann später gleich noch als Werbeträger an, wie letztes Jahr durch die Medien ging. Und nicht zu vergessen – die andere Männerfreundschaft, zwischen – schon wieder – Maschmeyer und Christian Wulff, seinerzeit noch CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, der sich laut eigener Kalendereintragung mindesten einmal mit Maschmeyer in Sachen Riester traf. Machte Wulff gut’ Wetter in der Union für die Rentenpläne? Das soll hier keinesfalls behauptet, aber zumindest doch gefragt werden. Wir sind ja noch beim Stichwort Verschwörungstheorie. Und da fügt sich der spätere Wulff-Urlaub in Maschmeyers Luxus-Villa auf Mallorca ebenso füglich ein wie dessen 42.000-Euro-Privatwerbungskampagne für einen Wulff-Wälzer während des niedersächsischen Landtagswahlkampfes 2007. Das Buch hieß sinnigerweise „Besser die Wahrheit“, was heute – angesichts des Dauerskandals um den Bundespräsidenten – alternativ als bitterer Witz oder geniale Vorausschau gesehen werden kann.
All die skizzierten Sachverhalte im Vor- und Umfeld der Riester-Rente müssen mit dieser selbst natürlich gar nichts zu tun gehabt haben. Aber als die Sache praktisch ins Laufen gekommen war, jubelte Maschmeyer, dass die Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge ein Wachstumsmarkt für Jahrzehnte sei: „Es ist so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln.“ Das war 2005. Die Entwicklung – siehe die eingangs genannten Zahlen – hat diesen Optimismus aufs Trefflichste bestätigt, wenn nicht überboten.
Doch all dies ist, obwohl die namentlich Genannten noch munter ihr Wesen treiben, Schnee von gestern, und wenn es sich für die Versicherten richtig lohnte, dann sollte über diese Petitessen im Interesse der guten Sache fürderhin geschwiegen werden. Denn Ziel von Riester & Co. war ja erklärtermaßen, die von der Politik unter Gerhard Schröder forcierte Kürzung der gesetzlichen Rente auf der Seite der Betroffenen durch geförderte private Vorsorge auszugleichen. Das entscheidende Kriterium für die Bewertung dessen, was seither praktisch geschehen ist, liegt also darin, inwieweit das gesteckte Ziel erreicht werden wird. Die Arbeitgebervereinigung BDA spricht in diesem Zusammenhang heute von einem Erfolgsmodell.
Und steht damit in ziemlich diametralem Gegensatz zum Fazit einschlägiger Experten. „Riester-Sparer werden in vielen Fällen nur so viel Rendite erzielen, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt“, meint etwa Kornelia Hagen, Fachfrau beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Und das heißt ja dann wohl: Rendite gegen Null. Ein praktisches Beispiel? War unter anderem im Spiegel zu finden: Eine 35-jährige Frau mit zwei Kindern etwa, die 2011 einen Riester-Vertrag abgeschlossen hat, müsste erst einmal 109 Jahre alt werden, „bis sie das eingesetzte Kapital mit halbwegs vernünftigen 2,5 Prozent Zinsen heraushat“.
Walter Riester, der das nach ihm benannte Konstrukt ebenfalls nach wie vor öffentlich als Erfolg preist und dabei gern die Millionen von abgeschlossenen Verträgen „toll“ findet, rechnet anders: Eine Familie mit zwei Kindern, die über ein Jahreseinkommen von 20.000 Euro verfüge, habe bei einem Eigenanteil von 122 Euro Anrecht auf mindestens 678 Euro Riester-Zuschuss.
Diese Zahlen sollen hier gar nicht bezweifelt werden, doch die Staats-, also Steuergelder, da sind sich Kritiker einig, subventionieren mehr, als sie der Altersvorsorge der Versicherten dienen, eine Branche, die ihre Kunden mit schlechten Produkten massenhaft über den Tisch zieht und denen für die ersten Rentenjahrzehnte und für viele wohl bis zum Lebensende nicht das zu bieten hat, was von Politik, Branche und Produktwerbung behauptet wird.
Dass bessere Riester-Produkte wie etwa kostengünstige Banksparpläne dabei kaum bekannt gemacht werden, weil sie für Anbieter wenig lukrativ sind, und dass das Kleingedruckte entsprechender Verträge häufig so abgefasst ist, dass Kunden besonders miese Offerten kaum zu erkennen vermögen, passt zusätzlich ins Bild, das mal als Melkstand für die Finanzindustrie beschrieben worden ist, – ebenso wie der Sachverhalt, dass das ganze Ausmaß der Kosten und Gebühren, die dem Kunden nicht zugute kommen, häufig systematisch verschleiert wird.
Wer jedenfalls daran denkt, einen Riester-Vertrag neu abzuschließen, der sollte sich nicht auf das staatliche Gütesiegel verlassen, das alle zum Handel zugelassenen Produkte aufweisen müssen. Das haben gegebenenfalls auch Anbieter, in deren Unterlagen es heißt: „Verwaltungskosten 4,5 Prozent jedes Eigenbeitrages und jeder Zulage, dazu jährlich zwölf Euro zuzüglich ein Euro pro Beitragszahlung sowie jährlich 1,5 Prozent der Jahresrente.“ Alles klar? Ist es in Anbetracht derartigen Verschleierungssprechs eigentlich hilfreich oder zynisch, wenn Walter Riester meint, der Verbraucher müsse sich schlaumachen?
Etwa 20 Prozent aller deutschen Arbeitnehmer brauchen sich jedoch keinerlei Gedanken über den ganzen Komplex der privaten Altersvorsorge machen. Bei denen reichen die laufenden Einkünfte von vornherein nicht aus, um derlei auch nur ins Auge zu fassen. Nach der hier sichtbar gewordenen Logik staatlicher und privatwirtschaftlicher Akteure könnte man darin fast etwas Positives sehen. Denn je niedriger später die gesetzliche Rentenhöhe dieser Prekärverdiener, desto geringer natürlich der absolute Fehlbetrag aus der verringerten Staatsrente, der durch private Vorsorge auszugleichen wäre.
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