14. Jahrgang | Nummer 25 | 12. Dezember 2011

Antworten

Marina Weisband, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei – Politik sollte für Piraten bedeuten, „dass wir möglichst viele Menschen möglichst glücklich machen“, haben Sie auf dem ersten Piratenparteitag verkündet. Dagegen ist wirklich nichts zu sagen. Und auch nicht dagegen, dass Ihrer nagelneuen Partei demnächst noch viele Zellteilungen bevorstehen, bevor sich herausstellen wird, was Piraten unter ihrer Politik verstehen. Dies vorauszusagen ist keine Herablassung sondern Hochrechnung aus Erfahrungen, wie sie die Grünen und die Linken bis heute machen und wir Beobachter mit ihnen. Eine echte Sorge treibt uns allerdings bereits jetzt um: Wenn Glück für Piraten bedeutet, 26 Stunden am Tag in ihre Laptops zu glotzen – auch dann, wenn auf einem Parteitag höchst Grundsätzliches zur Diskussion steht – dann dürfte es nicht um Glück sondern um Krankhaftes gehen. Aber ach – die meisten von Ihnen sind ja noch so herrlich jung …

Wladimir Putin, Eigentlichimmerpräsident der Rus – ein Glück, dass wir durch den lupenreinen Lobbyisten Gerhard Schröder wissen, dass wir es bei Ihnen mit einem „lupenreinen Demokraten“ zu tun haben. Sonst könnte man in Anbetracht der Tatsache, dass die größten Wahlerfolge Ihrer personengebundenen Partei „Einiges Russland“ offenbar in Irrenhäusern erzielt worden sind, auf merkwürdige Analogien kommen. Laut Zentraler Wahlkommission jedenfalls haben die Patienten des Moskauer Psychiatrischen Krankenhauses Nr. 3 im Nordosten der Stadt mit 93 Prozent und also fast geschlossen für die auf Ihren Namen zugelassene Partei gestimmt. In einer russischen Provinzstadt stimmten 82 Prozent der Patienten der örtlichen Nervenheilanstalt für „Einiges Russland“ was vermutlich ebenfalls einige Unruhe bei Ihnen hat aufkommen lassen. Sollten sich das dergestaltige System von Wahl-Brückenköpfigen allüberall in russischen Landen ausbauen lassen, empfehlen wir die Rückkehr zu einem – leicht adaptierten – Parteinamen, der bis 1999 ja schon mal zu reüssieren versucht hatte: „Unser Irren-Haus Russland“.

Gerhard Schindler, neuer BND-Chef – Sie haben soeben Ihr Amt mit einer der schwersten aller denkbaren Hypotheken angetreten, wofür Ihnen unser Mitgefühl sicher ist. Nein, wir meinen nicht Ihre Aufgabe, den geheimdienstlichen Augiasstall ausmisten zu müssen. Sicher, das ist auch nicht von Pappe. Dass aber ausgerechnet Ronald Pofalla Sie würdigend in Ihr Amt eingeführt hat: Ist ein schlechteres Omen überhaupt denkbar? Hätten Sie das nicht mit geheimdienstlichen Mitteln verhindern können, etwa mit K.O.-Tropfen in Pofallas Lieblingswasser, die ihm zu einer temporären (gern auch sehr viel längeren) Unpässlichkeit verholfen hätten? Oder ist Pofallas Normalität bereits Ergebnis hoch dosierter Betäubungsmittel und somit chemisch nicht mehr korrigierbar? Fragen über Fragen …

Jan van Aken, MdB der Linkspartei – Sie waren in Saudi Arabien und haben dort von maßgeblichen Leuten den Plan bestätigt bekommen, dass die berühmt menschrechtskonforme Monarchie von Deutschland 270 Leopard-Panzer kaufen will und auch erhalten soll; nun gut. Dass das nicht in ihrem Reise-Bericht an den Bundestag vorkam, begründen Sie interessanterweise so: „Auf der Reise hatte mich ein Zeit-Journalist begleitet. Wir hatten vereinbart, dass er die Zahl 270 sowie die Bestätigung durch Nitsche und Al-Saleh exklusiv verwenden kann. Deshalb habe ich das nach der Reise nicht in meine öffentlichen Berichte mit aufgenommen – das gilt für den Bericht an den Bundestag genauso wie für die Veranstaltungen, die ich danach durchgeführt habe. Solche Absprachen mit Journalisten zu exklusiven Storys sind überhaupt nichts Besonderes, sondern gang und gäbe.“ Es ist immer wieder aufs Neue frappierend, wenn sich ausgerechnet Linken-Politiker darauf berufen, was in der tradierten Politik „gang und gäbe“ ist und – in diesem Fall –an Journalisten „Vorkaufsrechte“ vergeben wie Knecht Ruprecht um diese Zeit seine Geschenke verteilt. Honni soit qui mal y pense…

Peter Sloterdijk, Philosoph – Sie haben den, wie ihn der Spiegel nannte, Lügen-Baron Karl-Theodor von Guttenberg jüngst mit dem Hochstapler Felix Krull von Thomas Mann verglichen und angemerkt, Mann hätte sich zweifelsohne „fürstlich amüsiert“ bei der Vorstellung, dass es jemand mit „so gutem Krull-Faktor“ bis zum Verteidigungsminister zu schaffen vermöchte. Aber meinen Sie nicht auch, dass Thomas Mann das Amüsement im Halse stecken geblieben wäre, wenn er hätte befürchten müssen, dass Felix Guttenberg es mit Hilfe von Steigbügelhaltern wie der Zeit im zweiten Anlauf womöglich noch viel weiter schaffen könnte?

Dieter Skiba, einst im DDR-Ministerium für Staatssicherheit für die Fahndung nach Nazi- und Kriegsverbrechern Zuständiger – mit Recht haben Sie sich in einem Interview der Jungen Welt gegen den pauschal-demagogischen Anwurf gewehrt, die Stasi habe bedenkenlos NS-Verbrecher als Mitarbeiter eingesetzt. Bei der Anführung eines Beispiels dafür, dass es freilich auch undurchsichtige Verdachtsfälle gab, führen Sie ins Feld, dass dazu „unseren Behörden“ aber keine Beweise vorgelegen hätten, „somit konnte auch – was in einem Rechtsstaat wie der DDR selbstverständlich war – keine Anklage erhoben werden“. „Rechtsstaat DDR“ …– man muss keineswegs ein Verfechter der allumfassend delegitimierenden These vom Unrechtsstaat DDR sein, aber in der Ausgestaltung seiner Gesetzlichkeit (siehe fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit) und in deren Handhabung (siehe Umgang mit Dissidenten, anderweitig Unliebsamen oder Fluchtwilligen) die Ignorierung und das Unterlaufen selbst unterzeichneter Rechtsakte (siehe eigene Verfassung oder Korb 3 von Helsinki) von Rechtsstaatlichkeit zu sprechen, ist wie ein höhnisches Nachtreten gegen alle, die wirkliche Rechtsstaatlichkeit – zum Teil höchst schmerzlich – vermisst haben, um es ganz, ganz freundlich zu formulieren.

Hans Eichel, ex-s o z i a ldemokratischer Kassenwart – Die s o z i a ldemokratische Regierungen, der Sie einst als Finanzminister angehörten, haben diesem Land – lange vor Weltfinanz- und -wirtschaftskrise die größten sozialen Einschnitte der neueren Geschichte beschert, außer freilich für Unternehmen und Unternehmer. Wäre das nicht so gewesen, könnte man es lediglich für bürokratische Rechthaberei halten, wenn Sie, der für sein achtjähriges Ministeramt nun 7.140 Euro Monatsrente bezieht, nun das Land Hessen und die Stadt Kassel dafür verklagt haben, dass Ihnen für die Tätigkeit als OB (Kassel) und MP (Hessen) nun noch weitere 2.500 Euro zustehen. Allerdings – wenn das nur Pedanterie ist, wie würde dann Habgier ohne Rücksicht auf (Ansehens-)Verluste aussehen? Unser s o z i a l e s Mitgefühl ist Ihnen jedenfalls sicher, und den in Anspruch genommenen Gerichten sicher auch.

Monika Krause-Schöne, Sprecherin der Rostocker Polizei – Nach dem Bundesliga-2-Spiel der Hanseaten gegen die ebenfalls hanseatischen Mannen von St. Pauli haben Sie erklärt: „So hart wie es sich auch anhört: Wir ziehen eine positive Bilanz“. Gemeint damit war folgende polizeiliche Attestierung der fußballerischen Begleitumstände: Zehn Verletzte, davon acht Polizisten, 33 Ermittlungsverfahren wegen Steinwürfen auf Polizisten, deren Fahrzeuge oder auf Shuttle-Busse der St. Pauli-Fans. Sieht man mal davon ab, dass es immer schwerer fällt, von Fußballspielen zu reden, wo solches und ähnliches immer öfter geschieht – härter und also nicht so positiv wird eine einschlägige polizeiliche Bilanz wohl erst ausfallen, wenn bei solchen „Spielen“ erste Tote zu vermelden sein werden. Allzu lange werden wir darauf vermutlich auch nicht mehr warten müssen.

Klaus Lederer, Berliner Linken-Chef – Möglicherweise, beziehungsweise hoffentlich sind Sie ja nur von der Berliner Zeitung falsch wiedergegeben worden – Journalisten sind ja oft sowas von schusselig, oberflächlich oder gar gemein. Aber was man jüngst über Ihr Anspruchsverhalten in der Opposition des Abgeordnetenhauses lesen konnte, war von einer beachtlichen Traditionstreue zur SED, die die Linke ja schon seit langem bemüht ist, nicht mehr zu sein.“Landeschef Klaus Lederer sagte …, die Linke beanspruche eine führende Rolle in der Opposition – auch weil die Grünen sich derzeit mit ihren Flügelkämpfen lähmten und die Piraten noch neu sind im Parlamentsbetrieb.“ Wir wollen hier gern mal davon absehen, dass es mit der inneren Einheit der Linken ja nun auch nicht so furchtbar weit her ist, aber von der „Beanspruchung“ einer „führenden Rolle“ zu reden, erinnert doch an ziemlich finstere Zeiten der führenden Rollenhalter, in denen Sie eigentlich das altersbedingte Glück hatten, noch nicht politisch aktiv gewesen sein zu können. Besser wäre es natürlich, wenn man bei den Linken die vermaledeit alten Zeiten gänzlich überwinden könnte, aber sollte man es wenigstens nicht mal sprachlich versuchen; mehr als 20 Jahre „danach“ ist das doch eigentlich nicht zu viel verlangt. Die Mit-Oppositionäre würden es Ihnen möglicherweise danken.

Peer Steinbrück, schmidtgeadelter Perspektivkader der SPD – Nicht zuletzt dank Ihres Engagements auf dem jüngsten Parteitag ist es den Seit an Seit schreitenden Genossen ja nun gelungen, einem scharfen „Linksruck“ zu entgehen; man mochte sich auch wirklich nicht ausmalen, was mit der Sozialdemokratie hätte passieren können, wenn sich die Rabulisten Ihrer Partei mit Forderungen etwa nach einer Reichensteuer hätten durchsetzen können. Man dürfe die Starken „nicht verprellen“, sondern müsse auch die Leistungsträger für ein solidarisches gesellschaftliches Bündnis gewinnen, haben Sie propagiert, ohne leider aber darauf hinzuweisen, dass die Verprellungen mehrheitlich auf der anderen Seite des sozialen Äquators zu liegen pflegen. Amüsiert hat unsereins ostelbisch Sozialisierten die Formulierung Ihres – freilich berechtigten – Hinweises darauf, dass man der Versuchung widerstehen müsse, „den Menschen mehr zu versprechen, als wir halten können“, denn „es wäre falsch, dem politischen Gegner Munition in die Hand  zu geben.“ Wer von der DDR-Oberen in Sachen Agitation und Propaganda noch lebt, wird sich zufrieden die Hände gerieben haben: Deren Erbe liegt in guten Händen.