14. Jahrgang | Nummer 23 | 14. November 2011

Nicht das schlechteste Jahr

von Lothar Quinkenstein

Die Pappeln am Parkplatz,
heruntergestümmelt,
eineinhalb Stock hohe Masten,
tragen ihr Laub
immer noch grün.
Der wärmste Herbst
seit siebzehnhundertneunundsiebzig,
und mit der Zeitung unterm Arm
knüpf ich die Masche
des heutigen Heimwegs.

Die Brandmauer dunkelt,
wie sie das tut an Nachmittagen
Anfang Dezember, ich blättere
zurück und sehe:
das war nicht das schlechteste Jahr:
Bürger schrieb seinen Prolog
zu Sprickmanns Eulalia auf einem Privattheater,
Krasicki verfasste Satyry,
Lichtenberg widmete sich
der Neuesten Geschichte der Blitzableiter,
Kniaźnin gab den Erotyki letzten Schliff,
Forster gelang Ein Blick
in das Ganze der Natur.

Beruhigt
von so viel Errungenschaft,
schau ich der Wäsche beim Trocknen zu,
den Wimpeln, den Fähnchen,
dem Segel des Lakens,
gehisst in die Windstille
unsrer gemieteten Bleibe.