13. Jahrgang | Nummer 3 | 15. Februar 2010

Ceausescu: Die Totenstille nach dem Schuß

von Kai Agthe

Thomas Kunze hat in seiner 2001 erschienenen Biographie Nicolae Ceausescus detailliert gezeigt, wie es der halbgebildete Schuster aus der rumänischen Provinz zu einem der kaltblütigsten Diktatoren in der östlichen Hemisphäre nach Stalin bringen konnte. Als Leser konnte man nur ungläubig den Kopf schütteln über die Auswüchse an Personenkult, der alles in den Schatten stellte, was man über die Formen an hündischer Verehrung zu wissen glaubte. Die hündische Verehrung darf wörtlich verstanden werden. Denn Ceausescus Hund mußte derselbe Respekt gezollt werden wie seinem Herrchen. Stand dem Despoten der Sinn danach, den Dobermann zu sehen, so wurde das von ihm „Genosse Corbu“ gerufene Tier in einer schwarzen Limousine und mit Polizeibegleitung wie ein Staatsgast zu Ceausescu gebracht. Und die graue Eminenz in diesem Schreckensregime war Ceausescus Frau. „Elena“, so Milo Rau in der Einleitung zu dem im Verbrecher-Verlag veröffentlichten Band „Die letzten Tage der Ceausescus“, „war und blieb das Ungeheuer im gefrorenen See der Ceausescu-Jahre.“

Der rumänische Dichter Mircea Dinescu nannte das in offiziellen Verlautbarungen allen Ernstes als „diamantene Epoche“ und „goldenes Zeitalter“ bezeichnete Ceausescu-Regime einen „real existieren Kafkaismus“. Den Speichelleckern, die in allen Tonlagen Lobeshymnen sangen, war keine Bezeichnung zu peinlich, um Ceausescu zu feiern. Waren alle Attribute erschöpft, blieb als letzte Ausflucht die Heiligsprechung: „unser irdischer Gott“.

Kein Kafka, kein Orwell hätte diese Geschichte erfinden können, die bis 1989 in Rumänien gelebt wurde. Hinterlassen haben die Ceausescus ein zerrüttetes Land, das auch nach zwanzig Jahren noch an diesem Erbe zu tragen hat – und mit dem „Haus des Volkes“ das größte Gebäude Europas.

Der in der Schweiz lebende Autor Milo Rau legt hier eine ausführliche Dokumentation über die letzten Tage der Ceausescu und den Schauprozeß gegen das Ehepaar vor. Das Buch stellt eine vorbildliche Ergänzung zu Thomas Kunzes Ceausescu-Biographie von 2001 dar. Daß die Ceausescus am 25. Dezember 1989 in einem buchstäblich kurzen Prozeß, den ehemalige Paladine veranstalteten, zum Tode verurteilt und umgehend nach Verkündigung des Urteils hingerichtet worden sind, hat die Weltöffentlichkeit am Weihnachtsfest vor zwanzig Jahren schockiert. Denn jene, die sich zu Richtern ernannten und im Namen des rumänischen Volks Recht zu sprechen meinten, haben keinen Deut mehr Menschlichkeit bewiesen als der skrupellose „Conducator“, der sein Volk mit Hilfe des Geheimdienstes Securitate knechtete.

Milo Rau hat zahlreiche Zeitzeugen befragt. Neben jenen, die die Revolution in Rumänien auf den Weg brachten, auch ehemalige Untergebene aus dem inneren Kreis um Ceausescu. Mit Dorin Carlan hat sogar einer von drei Fallschirmjägern seine Erinnerungen zu Protokoll gegeben, die die Ceausescus nach der Urteilsverkündigung exekutierten. Über den Ablauf der Hinrichtung teilt er trocken mit: „Ich hatte eine kurze Blockade in meiner Maschinenpistole, wechselte schnell das Magazin und schoß beide in den Kopf, denn sie bewegten sich noch.“

Keine Frage, Ceausescu war einer schlimmsten Despoten im einstigen Ostblock. Er und seine Frau hätten dennoch in einem fairen Gerichtsverfahren für ihre Verbrechen abgeurteilt werden müssen. Der Schauprozeß vom 25. Dezember 1989 dauerte – wie Ernest Wichner am 23. Dezember 2009 in der Frankfurter Allgemeinen erinnerte – kaum mehr als eine Stunde, von 13.40 bis 14.47 Uhr. Vier Minuten später wurde geschossen. Wenn man den Angaben der Ausführenden Glauben schenken darf, waren es neunzig Kugeln. Dann war es still. Totenstill.

Milo Rau, Die letzten Tage der Ceausescus, Verbrecher Verlag, Berlin 2010, 271 Seiten, 13 Euro

P.S.: BUKAREST. Die Erben des 1989 hingerichteten Diktators Nicolae Ceausescu haben das Bukarester Odeon-Theater wegen des Doku-Dramas  „Die letzten Tage der Ceausescus“ in der Regie des Schweizers Milo Rau verklagt. Ceausescus Sohn Valentin und dessen Schwager Mircea Oprean verlangen eine Entschädigung, weil sie den Begriff „Ceausescu“ schon vor Jahren in Rumänien als Marke angemeldet hätten. Die rumänische Kulturszene reagierte empört. In dem Stück gehe es „um den Diktator Ceausescu, nicht um die Marke Ceausescu“, sagte der Vorsitzende des Schriftstellerverbands, Nicolae Manolescu.