14. Jahrgang | Nummer 19 | 19. September 2011

Antworten

Hans Modrow, Enttäuschter – „Und mich ärgert, dass ich zu lange an Gorbatschow geglaubt und ihm vertraut habe“, haben Sie der auf solche Antworten stets begierigen Jungen Welt in einem Interview gesagt. Nun lässt sich über Gorbatschow in der Tat auch viel Negatives sagen, möglicherweise auch, dass seinerseits von Anfang an das Kalkül der Zerstörung des Sozialismus statt seiner Reformierung obwaltete. Nur eben: Wenn man den Realsozialismus dadurch zerstören kann, dass er die Demokratisierung der Gesellschaft und die Ehrlichkeit und Offenheit der Regenten gegenüber ihrem Volk zum Programm macht – kann es da nicht sein, dass der Webfehler bei eben jenem Sozialismus-Verständnis liegt? Und wird dann nicht die Rolle eines Protagonisten wie Gorbi doch erheblich zweitrangig? Ein seltsames Enttäuschtsein, das Sie da umtreibt.

Dr. Angela Merkel, Kassandra aus Templin – „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, prophezeiten Sie zu Monatsbeginn. Sie galten als fleißiges und belesenes Schulkind. Da dürfte Ihnen das norddeutsche Märchen vom „Fischer un siener Fruu“ noch erinnerlich sein. Für weniger Belesene: Fischers Frau wurde dank des Buttes, der ihr jeden Wunsch erfüllte, reich und mächtig. Nur auf der letzten Sprosse der Leiter, sie wollte Gott werden, da glitt sie aus und landete wieder „in’n Pisspott bet up deesen Dag.“ Wenn Sie wirklich meinen, Sie seien Europa…

Nadine Schellenberger, gerechte Gastwirtin aus Ladenburg – Auch wenn die Regenbogenpresse, die Honoratioren ihres Städtchens und gar der eigene Ehemann, der sie beide als „die Deppen in Ladenburg“ sieht, mit dem Finger auf Sie weisen: Wir meinen, Sie gehören zu der Minderheit von Menschen, die beste badische Demokratietraditionen am Leben erhält. Ließen Sie doch das schwedische Königspaar, das in Ihrem „Güldenen Stern“ speisen wollte, unverrichteter Dinge wieder abziehen, weil Ihre Küche durch eine Hochzeitsgesellschaft voll ausgelastet war. Mit Ihrer Äußerung, in dem Moment sei es für Sie „egal gewesen, ob es der Straßenfeger ist oder die Königin“, würden Sie beim öffentlich-rechtlichen Adelskanal aus Potsdam und Berlin natürlich keine Sympathien ernten. Bei uns schon. Wir empfehlen das Lokal einer so gerechten Wirtin gerne weiter!

Biermösel Blosn, geliebte – Sie haben bekundet, ihr brüderliches „Triumpfirat“ aufzulösen. Nach 35 Jahren eines grandiosen Daseins als „Stachel im Fleisch der CSU“ und als „Das andere Bayern“ gehen Hans, Michael und Christoph Well nun also eigene Wege. Das ist nach so langer Zeit sicher kein überraschender Lauf der Dinge, aber schade ist es dennoch. Bleibt uns nur ein „Danke“ für das gemeinsam Vollbrachte, und – wie nun auch immer – weiter so, wir sind da guter Dinge.

Mustafa Abd al-Dschali, libyscher Übergangschef – Persönliche Verantwortung für politisches Tun und Lassen zu übernehmen ist nicht eben üblich in der Welt der Verantwortungsträger. Deshalb schon mal Respekt gegenüber ihrer Ankündigung, der erste sein zu wollen, der sich in einem demokratischen Libyen vor Gericht für sein Mittun am Gaddafi-Regime, in dem Sie immerhin seit 2007 Justizminister waren, verantwortet. Ob dieser Respekt Ihnen gegenüber berechtigt ist, wird freilich die Zeit zeigen müssen, wie auch in all jenen Belangen, bei denen Libyer auf wirkliche Fortschritte hoffen.

Christoph Meyer, Pleitekapitän der Berliner FDP – „Wir wollen nicht, dass die Berliner die Zeche für die Schulden anderer zahlen“, erklärten Sie Mitte dieser Woche der verblüfften Öffentlichkeit. Einmal davon abgesehen, dass die Nonsens-Skala liberaler Sprüche nach oben hin offen scheint, Ihr Partei- und Griechenlandfreund Philipp Rösler ist da nur die Spitze des Eisbergs, müssten Sie es als erfahrener Haushälter genauer wissen: Der kleine „Rest“ der Republik zahlt auf diversen Umwegen mit für die Berliner Schulden, zu deren Verursachern auch eine neoliberale Bundespolitik gehört.