14. Jahrgang | Nummer 17 | 22. August 2011

Antworten

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber von Schau- und Weltbühne – Sie schrieben am 2. Juli 1920 aus dem (Arbeits-)Urlaub in Kampen auf Sylt an Ihren engsten Mitarbeiter, Kurt Tucholsky, der die Stellung in Berlin hielt: „Ihre Sündhaftigkeit und Faulheit ist freilich gigantisch. Aber bei der Milde eines Sklavenhalters, wie ich einer bin, können sich die Sklaven eben alles erlauben.“ Wir wissen zwar nicht, ob Sie darüber erbaut wären, aber wir dürfen Ihnen versichern, dass sich an diesen glückseeligen Zuständen in der Redaktion nichts geändert hat.

Arnold Schölzel, Junge-Welt-Chefredakteur – Auf ihrer Titelseite vom 13. August hat die von Ihnen geleitete Tageszeitung für eine Reihe von Umständen gedankt, vor denen die Mauer die DDR-Bürger geschützt hat. „Einfach mal Danke“ haben Sie dabei auch „für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe“ gesagt. Mal abgesehen von der in der Tat unappetitlichen Figur des nachwendigen dortigen Museumsleiters: Müssen wir angesichts Ihrer Vita davon ausgehen, dass Sie speziell das dortige Stasi-Gefängnis im Blick hatten und dessen Existenz und Funktion ohne Herrn Knabe als etwas einer Danksagung Wertes betrachten? Es würde uns ja nicht wirklich überraschen, aber trotzdem – so viel Chuzpe muss man erstmal haben!

Berthold Kohler, FAZ-Kolumnist – „Für die Generation Facebook spielt es so gut wie keine Rolle, ob einer aus Leipzig oder aus Lübeck kommt“, stellen Sie in einem Text zum Mauerjubiläum fest. „Die innere Einheit ist für sie kein Thema mehr. Leider gilt das aber auch oft für Schießbefehl und Mauertote. Hitler lässt in den Lehrplänen nach wie vor nicht viel Platz für Honecker.“ Da der letzte Satz schwerlich anders als bedauernd zu interpretieren ist, möchten wir Ihnen gern Mut zusprechen: Halten Sie durch! Sie wissen doch – ohne Fleiß kein Preis! Und spätestens zum 110. Jahrestag der Mauer werden Sie und Ihresgleichen es geschafft haben, aus diesem unbestreitbar menschenfeindlichen Machwerk das größte aller deutschen Verbrechen gemacht zu haben. Das dürfte dann endlich auch das Platzverhältnis beider Personagen in den Lehrplänen umkehren.

Helmut Schmidt, Alt-Bundeskanzler Sie teilen die Menschheit gern in drei Kategorien ein: in normale Menschen (98 Prozent), in Kriminelle, die vor Gericht gehören, und in Investmentbanker. „Dabei ist das Wort Investmentbanker nur ein Synonym für den Typus Finanzmanager, der uns alle, fast die ganze Welt, in die Scheiße geritten hat und jetzt schon wieder dabei ist, alles wieder genauso zu machen, wie er es bis zum Jahre 2007 gemacht hat.“ Das klingt wie ein Kommentar zur Designierung des Investmentbankers Anshu Jain zum nächsten Chef der Deutschen Bank. Was halten Sie vor diesem Hintergrund von folgender Überlegung: Da die Deutsche Bank mit einer Bilanzsumme von 1,9 Billionen Euro, was fast der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands entspricht, im Falle eines erneuten, von ihr mit verursachten Crashs die gesamte Volkswirtschaft mit in die Krise stürzen würde, wäre es quasi ein Akt vorausschauender nationaler Notwehr, den Laden zu verstaatlichen und anschließend in Einzelteile von verantwortbarer, weil beherrschbarer Größenordnung zu zerlegen. Könnten Sie sich für diese Idee erwärmen? Wir träten unsere Urheberschaft gern an Sie ab. Denn wenn Helmut Schmidt in der ZEIT verkündete: „Verstaatlicht die Deutsche Bank, damit die uns nicht nochmal in die Scheiße reitet!“, dann wäre zumindest ein Anfang gemacht.

David Cameron, Tiefschürfender – Über Generationen hinweg habe sich in Großbritannien per „Zeitlupe“ ein „moralischer Zusammenbruch“ ereignet, haben Sie nach den jüngsten Ausschreitungen auf der Insel festgestellt: „Die sozialen Probleme, die sich seit Jahrzehnten entwickelt haben, sind vor unseren Augen explodiert.“ Und Sie nennen auch zumindest einen Teil der Ursachen für diese Entwicklung, nämlich „einige der schlimmsten Seiten der menschlichen Natur“ über Jahrzehnte toleriert, mit Nachsicht behandelt und begünstigt zu haben. Gezüchteter Ellbogenegoismus? Verblödung durch die Medien? Konsumenten-Abrichtung durch die Werbung? Legitimierung von Gewalt durch muntere Kriegsteilhabe? Ob – zum Beispiel – dies damit gemeint war, ist uns leider nicht überliefert. Welche Konsequenzen ihre Aussage, dass „unser Kampf um Sicherheit von einem sozialen Kampf begleitet werden muss“ zeitigen wird, dürfte abzuwarten sein. Wir hoffen auf Nachsicht, wenn wir diesbezüglich nicht allzu große Erwartungen hegen.

Warren Buffet, drittreichster Mann der WeltWährend die Armen und die Mittelklasse für uns in Afghanistan kämpfen und viele Amerikaner sich mühen, um über die Runden zu kommen, bekommen wir Superreichen weiter unsere Steuererleichterungen“, haben Sie jetzt – einmal mehr – mit  dem Steuersystem der USA abgerechnet. In den vergangenen Wochen hätten Sie von Politikern oft gehört, dass jeder ein Opfer bringen müsse. „Ich fragte meine superreichen Freunde, welche Opfer sie auf sich zukommen sehen. Aber es ging ihnen wie mir: Sie waren nicht betroffen.“ Was nur bestätigt, was – wiederum Sie – in ähnlichem Kontext mit bemerkenswerter Klarheit festgestellt haben: „Es herrscht Klassenkampf, meine Klasse gewinnt, aber das sollte sie nicht.“

Hartmut Mehdorn, künftiger Berliner Überflieger – Wie zu lesen ist, sollen Sie bald der etwas angeschlagenen Fluggesellschaft Air Berlin vorstehen. Wir gehen sicher nicht fehl in der Vermutung, dass ob dieser Option bei den dort Beschäftigten eitel Freude ausbricht. Nun brauchen Sie im Falle von Air Berlin zwar nichts privatisieren, aber von dieser Geschäftsgrundlage ist das von Ihnen bestens gepflegte Gesundschrumpfen des „Humankapitals“ ja auch nicht abhängig.

Peter Bofinger, Wirtschaftswegweiser – „Auch aus Gründen der Gerechtigkeit wäre es naheliegend, die Kosten der Krisenbewältigung von jenen tragen zu lassen, die von den Fehlentwicklungen der Boomjahre und der anschließenden Rettung am meisten profitiert haben. Dies könnte dafür sprechen, die zusätzlichen Einnahmen nicht nur über die Einkommensteuer, sondern auch über Vermögensabgaben zu erbringen“, haben Sie jüngst öffentlich wissen lassen. Tapfer, Chapeau! Nur gut, dass Sie der Nähe zu den Linken unverdächtig sind. Sonst würden Sie von den Mainstreammedien ganz sicher verdächtigt, mit Gesine Lötzsch zusammen nach Wegen zum Kommunismus zu suchen. Denn von der Idee, Profiteure an den maßgeblich von ihnen verursachten Dilemmata in Wirtschaft und Finanzen zu beteiligen, bis zum kommunistischen Umsturz ist es ja nur ein klitzekleiner Schritt.

Barack Obama, Blauäugiger – „Ich vertraue auf die Vernunft. Wir alle sind verantwortungsvolle Leute“, haben Sie im Kontext der Hoffnung geäußert, die Republikaner würden sich zu einem Haushalts-und-Schuldengrenzen-Kompromiss bereit finden, der etwas mehr mit Ihren präsidialen Vorstellungen zu tun hätte als jener, auf den Sie sich in Anbetracht des Abgrundes haben einlassen müssen. Nun wissen wir nicht genau, ob Ihre Aussage eine pragmatisch-öffentliche ist oder wirklich Ihre private Anschauung. Wäre letzteres der Fall, dann hätten wir Ihre politischen Wahrnehmungsfähigkeiten allerdings gröblichst überschätzt.

Guntram Schneider, sozialdemokratischer Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen – Ihr Büro erhielt unlängst einen Anruf aus dem Bundeskanzleramt. Die Regierungschefin wünschte Herrn Laumann zu sprechen. Allerdings musste Ihr Amtsvorgänger, der Christdemokrat Karl-Josef Laumann, das Büro bereits vor einem Jahr räumen, nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch SPD und Grüne. Laumann wäre heute als Vorsitzender der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag zu erreichen. Doch das hat sich augenscheinlich auch noch nicht bis zu Bundesumweltminister und NRW-CDU-Chef Norbert Röttgen herumgesprochen. Dessen Büro schlug bereits wiederholt in Ihrem Vorzimmer auf. Sie, so war zu hören, halten diese Orientierungslosigkeit in der Kommunikation „für symptomatisch, wie Deutschland regiert wird“. Wir halten es da mit einem Couplet von Otto Reuter: „Die Zeiten sind heute recht sonderbar, / Det wundern verlernt man janz und jar. / Drum denk ick een für allemal, / Wat ooch passiert is mir ejal. / Und jeht ooch alles de kreuz und quer, / Ick wunder mir über jarnischt mehr.“

Thomas Straubhaar, Wirtschaftswissenschaftler – Sie haben einen Sechs-Punkte-Plan zur Bewältigung der internationalen Finanzkrise entwickelt. Punkt fünf besagt dabei, dass die Urteile von Ratingagenturen – um sich von deren „Joch“ zu befreien – „zu einfachen Meinungsäußerungen degradiert werden. Man kann sie wie Gütesiegel von Verbänden oder Bio-Siegel von Verbraucherschützern betrachten, darf dazu aber nicht gezwungen werden. Die Urteile der Bonitätsprüfer sollten also nur noch zu einer Aussage werden, auf die hören mag, wer hören will.“ Eine Option von ebenso großer Einfachkeit wie Effizienz, scheint’s. Wenn Ratingagenturen aber, und nichts anderes legen Ihre Gedanken nahe, so überflüssig sind wie ein Kropf – warum dann nicht gleich ganz abschaffen?

Woody Allen, Klarsichtiger – „Ich finde, dass die Rechtsaußen bei den Republikanern wirklich den Interessen des Landes geschadet haben und es auch weiterhin tun“, haben Sie jüngst erklärt, um es dann auf den Punkt zu bringen: „Sie sind dumm und eine Blamage für die USA.“ Wie wahr, nur ist Dummheit leider kein Hinderungsgrund, um es nicht auch auch in einer Supermacht an die Spitze zu bringen; acht Jahre George Bush jr. als Marionette der Halliburtons & Co. sind noch in allzu frischer Erinnerung, wie auch der Sachverhalt, dass der Mann ja – wenigstens beim zweiten Mahl – von einer Mehrheit gewählt worden ist.