27. Jahrgang | Nummer 18 | 26. August 2024

Bemerkungen

Jetzt hängen sie wieder

Ja, jetzt hängen sie wieder, die bäumegefressenhabenden und umweltverschandelnden, nichtssagenden und oft hässlichen Wahlplakate der Parteien und Wählervereinigungen. Auf meinem Weg zur nächsten Dresdner Kaufhalle starrt mich eine CDU-Dame von gleich fünf Plakaten an, verrät mir zwar ihren Namen, verliert aber kein Wort darüber, wofür sie einsteht.

Beim Namen will ich sie hier nicht nennen, denn man staunt, dass es überhaupt noch Leute gibt, die sich für diese www-Aktion (widersinnige Wahlwerbung) hergeben.

Bei gestandenen Politikern darf man die Namen jedoch nennen. Da spricht sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer für Recht und Ordnung aus. Doch seine CDU regiert den Freistaat Sachsen, seitdem es ihn wieder gibt. Macht er hier Werbung für eigenen Nachholbedarf?

Und seine Sozialministerin Petra Köpping wird von ihrer Partei, der SPD, als „Die Richtige für 15 € Mindestlohn“ bezeichnet. Wer in aller Welt soll glauben, dass sie so wenig verdient?

Besonders unsinnig sind Plakate, die zur Wahl aufrufen, ohne konkret zu sagen, warum man sein Kreuz hier oder dort machen soll. „Weil es um Sachsen geht!“ Jede Kindergartengruppe könnte bessere Slogans erfinden.

Am Schluss habe ich mir noch Wahlplakate der AfD angesehen. Darauf stand „Jetzt reicht‘s!“ Das finde ich schon lange, aber die Partei macht trotzdem weiter.

Rainer Rönsch

Schönste Gedichte

Mein schönstes Gedicht?
Ich schrieb es nie.
Es war die KI !

Die erste Zeile habe ich mir von Mascha Kaléko geliehen. Ihr Vierzeiler geht so:
Mein schönstes Gedicht?
Ich schrieb es nicht.
Aus tiefsten Tiefen stieg es.
Ich schwieg es.

Heinz Freiberg

 

Blutbad im Supermarkt

Es ist viel passiert in den sieben Jahren, die zwischen den beiden letzten Studioalben der deutschen Indierock-Band Kettcar liegen. In diesen sieben Jahren gab es eine (vermutlich noch nicht endgültig besiegte) Pandemie, eine (vermutlich bald abgewählte) irrlichternde Ampelregierung, gab und gibt es Krieg im Osten Europas und im Nahen Osten. Doch bisher sind es eher die kleinen Kriege, die in unser Alltagsleben dringen und reichlich Material für die Band Kettcar liefern.

Mit ihrer kraftvollen Musik bekommen die Texte nochmals mehr Wirkkraft. Dabei verzichten sie auf platte Festschreibungen oder Parolen, sondern sezieren unser alltägliches Miteinander, ohne den Anspruch erheben zu wollen, die gesellschaftlichen Zusammenhänge in einer Dreiviertelstunde abschließend (er-)klären zu können.

Manchmal sind es geschickte Fragen oder beim ersten Anhören verstörende Wahrnehmungen, die tiefgründig nachwirken. Auch eine alltägliche Situation wie das Einkaufen kann kühl bis provokant seziert werden:

„Die Nerven liegen blank, gerade eben

Hat es ein Blutbad im Supermarkt gegeben

Aber Gott sei Dank, wir sind am Leben

Es wurde durchgesagt, es wird noch

Eine zweite Kasse aufgemacht“

(„Einkaufen in Zeiten des Krieges“)

Paketzusteller und Pflegerinnen stehen im Mittelpunkt des Lieds „Doug & Florence“. Im Intro zu dieser Hommage an den in den USA aus einer Sitcom bekannten Paketfahrer Doug Heffernan und an die als Begründerin der modernden Krankenpflege geltende Florence Nightingale heißt es:

„All die Türen stehen dir offen

Sie sind nur alle sehr weit weg

Das kannst du gern ganz anders hoffen

Es hat nur keinen Zweck…“

Kettcar, bestehend aus Marcus Wiebusch (Gesang, Gitarre), Lars Wiebusch (Keyboards, Gesang), Reimer Bustorff (Bass, Gesang), Erik Langer (Gitarre, Gesang) und Christian Hake (Drums) präsentieren in „gute laune ungerecht verteilt“ keine Wohlfühlmusik.

Es ist Musik mit harten Beats für wache Zeitgenossen, die sich nicht mit vorschnellen Feststellungen oder Zuschreibungen zufriedengeben.

Thomas Rüger

Kettcar: gute laune ungerecht verteilt. CD, Label Grand Hotel van Cleef, 2024, etwa 16 Euro.

 

Zinnober

Die Olympischen Spiele in Paris wurden durch die Berichterstattung mit vollsten Superlativen präsentiert, absolut unglaublich. Die Modewörter der aktuellen Saison waren unfassbar, was ja ursprünglich unbegreiflich bedeutet, und mega. Mega in allen Verstärkungs- und Bedeutungsvarianten, gern auch geil gesteigert.

Die Anglizismen hatten nicht nur beim Boxen einen Lucky Punch. Wenn der Top-Scorer den blank in der Box stehenden Keeper fand, dann war Fußballevent. Manch Sportler performte sogar galaktisch.

Als Hauptnahrungsmittel galten mal wieder die Körner. Glücklich die Sportler, die am Ende noch einige zu verlieren hatten, wozu auch immer, um Gas zu geben, einen Gang zuzulegen oder um von der Bremse zu gehen. Schlussendlich oder am Ende des Tages hieß es, das Spiel ist aus, wenn auch hoch oder tief stehend, alles wegverteidigt und über die Zeit gerettet.

Olympia war megacool, das beste ever, aber so was von.

Klein Zaches

Letzte Meldung

Der Raser-Rekord auf deutschen Straßen liegt mittlerweile bei 417 Stundenkilometern. Gefahren von einem tschechischen Milliardär mit einem Bugatti Chiron. Der Raser hat sich dabei auch noch gefilmt. Das Fahrzeug verfügt über 1500 PS und wird vom Hersteller damit beworben, dass es einen startenden Kampfjet überholen könne. Die Rekordfahrt fand auf der A2 in Sachsen-Anhalt statt.

Das Verfahren gegen den Fahrer wurde von der zuständigen Polizeidirektion in Stendal eingestellt, weil auf dem betreffenden Abschnitt der A2 keine zulässige Höchstgeschwindigkeit gilt. (Auf solchen Strecken, die es auch auf anderen deutschen Autobahnen immer noch gibt, ist in Sachen Geschwindigkeit alles erlaubt.) Außerdem befanden die Ordnungshüter, der Mann habe nicht rücksichtslos gehandelt, habe er doch bewusst gutes Wetter gewählt und eine verkehrsarme Zeit …

Da kann man nur hoffen, dass sich diese Einladung nicht herumspricht: Ihr Raser der Welt, kommt nach Deutschland und tobt euch aus!

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