27. Jahrgang | Nummer 13 | 17. Juni 2024

Antworten

Friedrich Wolff, prominenter Anwalt in der DDR und später – Sie wurden 1922 geboren und gaben ihren 2013 erschienen Memoiren den Titel: „„Ein Leben – Vier Mal Deutschland. Erinnerungen: Weimar, NS-Zeit, DDR, BRD“. Verteidigt haben Sie zu DDR-Zeiten verfolgte Bürgerrechtler ebenso wie den Kanzleramtsspion Günter Guillaume, nach der Wende Erich Honecker und Hans Modrow.

Ihr Lebensresümee: „Die DDR war mir das liebste der vier Deutschländer. Sie führte keinen Krieg, ihre Soldaten standen nicht vor Moskau oder in Stalingrad, sie wurde auch nicht am Hindukusch verteidigt. Juden oder Ausländer wurden in der DDR nicht diskriminiert, Arbeitslose gab es nicht. In ihr sah man keine Obdachlosen, gab es kein Hartz IV. Konzernherren […] existierten nicht. Man lebte einfach als Gleicher unter Gleichen […]. Ich bin zufrieden mit meinem Leben und setze weiter auf den Sozialismus.“

Jetzt sind Sie verstorben. Wir werden Ihnen ein ehrendes Angedenken bewahren.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine – Vor wenigen Tagen hielten Sie eine Rede im Deutschen Bundestag, in der Sie erklärten, was der Sinn des Widerstands gegen die Aggression Russlands ist, nämlich eine Teilung der Ukraine in einen ukrainischen Westen und einen russischen Osten zu verhindern. Dies stimmt mit der Auffassung vieler Experten überein, wonach Russland die Krim und den Donbass beansprucht, jedoch nicht den ukrainischen Westen, in dem es als Besatzungsmacht nicht auf Unterstützung größerer Teile der Bevölkerung hoffen könnte. Der gegenwärtige Minister für Verteidigung, Boris Pistorius (SPD), behauptet hingegen, Russland ginge es um die Besetzung der ganzen Ukraine und nachfolgend einen Krieg gegen die NATO-Staaten Europas – eine unbelegte These, die benutzt wird, um Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen, also die über Jahrzehnte mühsam befriedete deutsche Gesellschaft erneut zu militarisieren. Vielleicht hatten Sie bei Ihrem Besuch Gelegenheit, Minister Pistorius darüber aufzuklären, was Sie als das Ziel der russischen „Spezialoperation“ im Bundestag dargestellt haben. Es müsste diesen veranlassen zu erklären, was der Sinn seiner angestrebten „Tüchtigkeit“ denn nun eigentlich sei, damit nicht nur die 18-Jährigen begriffen, warum Bahr und Brandt die Welt schlechter verstanden als Scholz und Pistorius, die meinen, einer Friedenspartei anzugehören.

Richard Sawka, britischer Russland-Experte – Zum Ukraine-Krieg äußerten Sie unlängst: „Der ehemalige Präsident Bill Clinton argumentiert, der russische Einmarsch stelle die Erweiterungspolitik nicht in Frage, sondern sei vielmehr der Beweis ihrer Notwendigkeit. Auf die Weise rechtfertigt er die NATO-Erweiterung ex post mit dem russischen Einmarsch […]. Der Trugschluss liegt auf der Hand: Die NATO-Erweiterung hat ein europäisches Sicherheitsdilemma ausgelöst, auf das Russland mit Gewalt reagierte. Der Krieg hat gezeigt, dass man die russischen Bedenken ernster hätte nehmen müssen.“ Und Sie warnten: „Europa gleitet einem Abgrund aus Konfrontation, Militarismus und Krieg entgegen. Es ist höchste Zeit für Diplomatie – bevor es zu spät ist.“

Leider will niemand Führender im Westen diesen Schuss hören.

Was tun? Testament machen?

Überflüssig: Nach einem ins Nukleare eskalierenden militärischen Zusammenstoß zwischen Russland und der NATO wird es auch zu vererben nichts mehr geben …

Michael Wolffsohn, Historiker und emeritierter Professor der Universität der Bundeswehr in München – Sie trauen sich ja was, in einem Interview mit Blick auf die Palästinenser zu erklären, dass man „über deren Sache – differenziert und wohlwollend nachdenken und handeln muss“.

Andererseits behaupten Sie: „[…] in dem Moment, in dem die Hamas […] die Waffen niederlegte, würde das Elend der palästinensischen Zivilbevölkerung enden“. Wirklich? Durch die völlig unreziproke Kriegführung Israels sind im Gazastreifen bereits weit über 30.000 Menschen umgebracht worden, überwiegend Zivilisten. In Gaza-Stadt, wo vor dem Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 knapp 600.000 Menschen (Stand 2017) lebten, steht praktisch kein Stein mehr auf dem anderen. In Rafah, wohin die meisten geflohen sind, zeichnet sich ein ähnliches Ergebnis ab. Sollte man angesichts dessen den Hebel, um das Elend der palästinensischen Zivilbevölkerung zu beenden, nicht doch etwas differenzierter ansetzen?

Aber Sie meinen auch: Die „Entwaffnung der Hamas […] wäre gleichbedeutend mit einem Neuanfang des politischen Prozesses, an dessen Ende die palästinensische Selbstbestimmung in ihrer Staatlichkeit stehen könnte“. Wie sollte das gehen – mit einer israelischen Regierung, die die Hamas vor dem 7. Oktober als Antipoden zur palästinensischen Autonomiebehörde unter Präsident Abbas gepampert hat, auf dass die Palästinenser in Sachen eigener Staatlichkeit bloß nicht mit einer Stimme sprechen?

Adam Mara’ana, passionierter Schwimmer – Endlich einmal eine Meldung aus Israel, die nicht von Hamas-Terror und Gaza-Krieg handelt: Sie haben sich durch Ihre Leistung auf der 100-Meter-Rücken-Strecke für einen Start bei den bevorstehenden Olympischen Spielen in Paris qualifiziert und zeigten sich darüber verständlicherweise glücklich. Was diese Nachricht zu einer besonderen macht: Sie sind arabischer Staatsbürger Israels, und zwar der erste seit 1976, dem solches gelang. 48 Jahre oder elf Olympiaden sind also vergangen, ohne dass ein Fünftel der israelischen Bevölkerung in einer Olympiamission vertreten war. Es mag dafür unterschiedliche Gründe gegeben haben, aber unabhängig davon lässt sich aus dieser Tatsache auch auf die Stellung der arabischen Bevölkerung in der israelischen Gesellschaft schließen. Trotzdem und gerade deswegen: Glückwunsch!

Joachim Steinhöfel, Rechtsanwalt mit Mandanten wie Julian Reichelt (vormals Bild-Chef) – Sie vertreten die nachgerade exotische Auffassung, dass „die im Grundgesetz verbriefte Pressefreiheit vor allem gewährt [wird], um Machtkritik möglich zu machen. Nicht, um den Machthabern nach dem Mund zu reden“.

Auch dazu, warum „die Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien laut Umfragen zuletzt besonders gelitten hat“, haben Sie eine Meinung: „Die Aufsichtsgremien dort werden von aktuellen oder früheren politischen Mandatsträgern dominiert. Gerade während der Pandemie wurde da – anmaßend, belehrend und herablassend – in beschämender Weise die Melodie gesungen, die die Machthaber vorgaben.“

In letzterem Punkte sind wir ganz bei Ihnen, fragen uns jedoch: Warum Ihre Eingrenzung auf die Pandemie?

Was ist mit dem Ukraine-Krieg?

Und mit der Berichterstattung über China?

Und mit …?