Dieser still, bescheiden und gemessen auftretende Mensch – er personifizierte jenen frechen Humor, der heute im Handumdrehen zur bitteren Satire wird. Ob als Stückeschreiber und Bühnenbildner oder als politischer Tageskarikaturist, er agierte unverwechselbar immer auf einer Bühne. Auf seinen präzise gezeichneten Brettern, die die Welt bedeuten, da gab es eigentlich nur Hauptdarsteller. An die Macht strebende und Macht habende. Intriganten und Ignoranten. Männlich mannhaftes Personal meist. Das galt für diesen Internationalisten weltweit. Seine politischen Beziehungen reichten über Frankreich bis Mexiko, Kuba und Chile. Sein spröder Zeichenstil war wohl besonders typisch für eine Generation deutscher Satiriker im Zeichen der 68er Revolte.
Ich als aus der anderen Himmelsrichtung Wiedervereinigter war heilfroh, dass ich ihm im Winter 1989 in die offenen Arme lief. Das war eine Ausnahme, dass wir uns auf Anhieb gut verstanden. Er war es, der mir kameradschaftlich Hinweise zur nun maßgebenden anderen Lebenswelt gab. Er brachte mich in die IG Medien und in die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Er vermittelte die spezielle Versicherung für journalistische Arbeit. Da gab es nicht die West-Ost-Differenz, die auf so vielen anderen Feldern zu bedauern war. Das brachte uns beizeiten schon so früh freundschaftlich zusammen. Sein häusliches Domizil am westlichen Ende der Lietzenburger Straße war der Anlaufpunkt. Die Gegend bis zum Savignyplatz war mir durch meinen dort seit 1953 wohnenden Vater wohl bekannt – und bis 1961 oft besucht.
Die Krone der Gemeinsamkeit ergab bis 2019 über Jahrzehnte die zeichnerische Partnerschaft am Presseprojekt eines über Nacht total gewandelten Parteiorgans. Als im Mai 1990 der gestandene Hauskarikaturist des auf den Zeitungsmarkt geretteten Neuen Deutschlands, Klaus Arndt, dem Blatt durch plötzlichen Krebstod verloren ging, sprang Rainer mit mir alternierend in die dringend zu füllende Lücke. Einige unserer markantesten Wende-Karikaturen waren da schon präsent gewesen. Ab sofort ging es um die regelmäßige und zuverlässige Lieferung der tragenden politischen Tageskarikatur. Außer dem mehrere Jahre engagierten Neuling Wolf Schrader war leider kein Ostkarikaturist bereit, sich auf diesem noch zu heißen Pflaster zu engagieren.
Wir verständigten uns beizeiten über die Rollenverteilung. Er sprach im Gegensatz zu mir mehr die begehrten Westleser an, während ich ostwärts meine Fangemeinde hatte. Befreit von ideologischer Einengung und Bevormundung brachte mich der Wettbewerb um möglichst schnelle Aktualität mit zündenden Ideen auf Trab. Ich konnte zeichnerisch ein ideenreiches Marathon laufen. Und er hatte hier eine ihm bisher merkwürdigerweise nur im Ausland gelingende ständige Publizität. Denn Stern, Extradienst und Spandauer Volksblatt – das war seine frühere Vergangenheit.
Jeder von uns hatte seine Erlebnisse gehabt. Die einmal so produktive gemeinsame Arbeit an Charakter und Programm des Grips-Theaters im Hansaviertel mit seinem älteren Bruder Eckhart – nur bekannt als Volker Ludwig – war das Erfolgsmodell beider Leben. Es gelang ihm, schreibend und Bühne bauend ein linkes Erziehungsmodell zu etablieren. Seitenhiebe gegen das muffige elitäre Establishment inklusive. Beide waren nie so nur bundesdeutsch grundierte 68er wie die in der „Neuen Frankfurter Schule“ namhaften Männer, die einmal von Pardon gekommen waren. Seine französischen und lateinamerikanischen Freunde bedeuteten Rainer mehr. Er war deshalb vielleicht näher an unserer etwas anderen deutschen Mentalität. Die als ständiger Störfall gilt. Der hier in der Presse und im Sammlungsprojekt „Satiricum Greiz“ gepflegten Karikatur hat er auf seine Weise ein unverwechselbares Gesicht gegeben.
Der Karikaturist und Bühnenautor Rainer Hachfeld starb im Alter von 85 Jahren am 27. Mai 2024 in Berlin.
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