27. Jahrgang | Nummer 9 | 22. April 2024

Antworten

Wolfgang Kubicki, FDP-Vize und Bundestagsvizepräsident – In einem Interview haben Sie dieser Tage geäußert: „Meine Erfahrung im Osten ist: Wenn ich den Leuten erklären kann, warum ich bestimmte Dinge anders sehe als sie, dann respektieren sie das.“

Na, wenn das mal kein schöner Anfang ist!

Und wenn nun die Menschen im Osten die gleiche Erfahrung in den entgegengesetzten Landesteilen auch mal des Öfteren machen dürften, dann wüchse vielleicht doch noch zusammen, was bisher nicht so recht zusammenpassen will.

 

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin – Vor ein paar Tagen fand im Bundeskanzleramt eine Veranstaltung statt, die „Kultur in Ost und West – ein anderer Blick“ betitelt war. Da gaben Sie doch tatsächlich coram publico zum Besten, sie hätten kürzlich ein ostdeutsches Bücherregal besichtigt und festgestellt: Da stehen ganz andere Bücher drin als im Westen. Dieser Sachverhalt war Ihnen erkennbar völlig neu – 34 Jahre nach dem Beitritt der DDR.

Werteste, da können Sie aber von Glück sagen, dass Ignoranz keine physischen Schmerzen verursacht. Anderenfalls müssten  Sie ja eine 800er Ibu nach der anderen einwerfen …

 

Friedrich Merz (heute CDU-Chef), Robert Habeck (heute Bundeswirtschaftsminister), Karl Lauterbach (heute Bundesgesundheitsminister), Joachim Gauck (vormals Bundespräsident) – Die Corona-Pandemie ist bei vielen immer noch in unguter Erinnerung. Ihnen gemeinsam hatten es damals insbesondere die Ungeimpften angetan. Sie, Herr Merz, wollten die im Rahmen einer flächendeckenden 2G-Regelung gänzlich aus dem öffentlichen Leben ausschließen: „Kein Ungeimpfter mehr im Büro, kein ungeimpfter Fußballspieler mehr auf dem Rasen, kein ungeimpfter Abgeordneter mehr im Bundestag, kein ungeimpfter Student mehr im Hörsaal.“ Sie, Herr Habeck, waren zwar nicht ganz so forsch, appellierten aber zumindest an jene, die Ihrer Meinung nach „zu lahm […], sich impfen zu lassen“, waren: „Also Leute: Spritze in den Arm.“ Ihnen, Herr Lauterbach, genügte es nicht, „den Ungeimpften nur auf die Nerven zu gehen“: „Ich bin ein ganz klarer Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht.“ Und für Sie, Herr Gauck, waren Ungeimpfte schlicht „Bekloppte“.

Jetzt wollte die Berliner Zeitung von Ihnen allen wissen, wie sie angesichts des heutigen Erkenntnisstandes – zum Beispiel schützt die Impfung andere nicht vor Ansteckung – zu Ihren damaligen Äußerungen stehen. Die Print-Ausgabe des Blattes informierte am 9. April, was Sie (bis dahin) geantwortet hatten – unisono nichts.

Wahrscheinlich halten Sie es einfach mit dem Motto: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ (Das wird gern, aber zu Unrecht, Konrad Adenauer zugeschrieben.)

 

André Mielke, Lieblingskolumnist – Nach einem Blick in die von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) kürzlich präsentierte Kriminalstatistik für 2023 sind sie gleichwohl „tiefenberuhigt“, obwohl „die Zahl straftatverdächtiger Ausländer zwischen 14 und 18 Jahren um ein Drittel gewachsen ist, während delinquente deutsche Altersgenossen stagnierten“. Denn Sie haben sich die Statistik von einheimischen Experten erläutern lassen: „Die Zahl der Ausländer habe nun mal zugenommen, sagte ein Tagesthemen-Kommentator. ‚Ins Verhältnis gesetzt‘ seien die Zahlen ‚alles andere als dramatisch‘“. Vor allem aber haben Sie die Hoffnung auf eine elegante Lösung: „Das nur in Statistiken existierende Problem kriminellerer Ausländer wird gewiss auch statistisch behoben, durch schnelle Einbürgerungen“.

PS: Hinzu kommt, wie Sie schreiben, dass die Gesamtkriminalität 2023 um 8,6 Prozent gestiegen sei. „Verhielte sich dieses Wachstum proportional zu dem der Einwohnerzahl, hätten sich allein 2023 sieben Millionen Neuankömmlinge in Deutschland niedergelassen. Nach dieser Rechenübung entspannte ich mich vollends.“

Unbedingt! Da sind wir ganz bei Ihnen!

 

Michael Tsokos, Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner – Ihr Rückblick auf das Zusammenspiel von Politik und Medizinern während der Corona-Pandemie lässt einem die Haare zu Berge stehen: „Dass alle zu den Corona-Toten gezählt wurden, die zum Todeszeitpunkt zwar ‚Corona positiv‘ waren, aber bei einem Verkehrsunfall starben oder auch ertrunken sind, ist ja schon völlig irrsinnig. Man hätte einen klaren Blick dafür haben müssen, ob mit oder an – das hatte die Politik bewusst nicht. […] Und die Mediziner sind mehrheitlich im Gleichschritt mitmarschiert […]“.

Da sollte das betont optimistische Motto „Follow the science!“ („Folge der Wissenschaft!“) vielleicht besser ersetzt werden durch „Distrust even science!“ („Misstraue selbst der Wissenschaft!“)? Doch wo kämen wir da hin …