27. Jahrgang | Nummer 6 | 11. März 2024

Antworten

Wladimir Putin, freudig-aufgeregter Gratulant – Mit „Freude und Aufregung“ sahen Sie nach eigener Aussage dem diesjährigen Internationalen Frauentag entgegen. Immerhin war Ihnen das ein willkommener Anlass, sich mit einer Videobotschaft an die Frauen und Mädchen Russlands zu wenden. Dank Sputnik-International können auch wir Ihre wegweisenden frauenpolitischen Gedanken auf uns wirken lassen: „Mutterschaft ist eine glorreiche Aufgabe für Frauen. Eine schwierige und äußerst wichtige Aufgabe, aber auch eine Quelle von so viel Freude und Glück.“ Und Sie erklären uns, worin der Sinn dieser „Aufgabe“ liegt: „Dieses Jahr ist der Familie in Russland gewidmet. Bei der Bedeutung, dem Wesen der Familie geht es in erster Linie um die Fortführung des Lebens, die Fortführung des Stammbaums, der Geschichte jeder Familie und unseres ganzen Landes.“

Wir können das bestätigen: Unser Führer hatte das seinerzeit nicht anders gesehen. Noch kommen Ihre Militärs nicht an dessen Verlustquoten heran, aber rund 150.000 – andere Schätzungen sind weit höher angesetzt – gefallene Soldatinnen und Soldaten müssen schon irgendwie ersetzt werden. Und bis Odessa und Kiew ist es noch ein langer Weg. Warum stiften Sie eigentlich kein „Kreuz der heiligen Anna“, der Beschützerin der Schwangeren und der Familie? Wir hatten auch einmal ein „Mutterkreuz“. Das hatte sich bewährt. Nur war der Krieg halt zuende, ehe es seine segensreichen Wirkungen auf den Schlachtfelder hätte entfalten können… Aber Ihre Entourage plant ja nach gebetsmühlenratig wiederholten Aussagen einen langen Waffengang. Schließlich hat die Welt seit Jahrhunderten nichts anderes im Sinn, als Mütterchen Russland einzukreisen…

Stiften Sie! Zur Wahrung seiner berechtigten Sicherheitsinteressen wird Ihr rohstoffreiches Land doch wenige Kilogramm Goldblech erübrigen können.

 

Stefanie Babst, Militärexpertin, war acht Jahre lang die ranghöchste Frau innerhalb der europäischen NATO – Ihre Kritik am deutschen Bundeskanzler, der die Lieferung weitreichender Taurus-Marschflugkörper an Kiew ablehnt, um deutsche Soldaten nicht direkt in einen Krieg mit Russland zu verwickeln, könnte harscher nicht sein: Kiew brauche die Waffen für die „Rückeroberung“ des ukrainischen Territoriums. Die Gefahr eines Dritten Weltkrieg sei ein Narrativ von Verlierern und solchen, die es werden wollen: „Eskalationsvermeidung ist keine erfolgversprechende Strategie.“

Da werden Sie dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron wohl mindestens bildlich um den Hals gefallen sein, als er bei dem Treffen von mehr als 20 Staats- und Regierungschefs zur Intensivierung der Unterstützung der Ukraine Ende Februar in Paris Medienberichten zufolge durchblicken ließ, er schließe nunmehr auch den „Einsatz von Bodentruppen nicht aus“.

Gegenüber einer nuklearen Supermacht sind derartige Attitüden jedoch, mit Verlaub, kein Indiz für besonders ausgeprägtes strategisches Denkvermögen, und die Gefahr eines Dritten Weltkrieges ist vor allem das Narrativ von Leuten. die nicht durch atomaren Selbstmord enden wollen.

 

Karl Lauterbach, Hans Dampf in allen Medien – Bislang war wenigstens Tiktok noch ein von Leuten Ihrer weltweiten Bedeutung verschontes Medium. Junge Menschen zwischen Nord- und Südpol und allen Meridianen durften dort bislang einigermaßen unbehelligt, jeden, aber auch wirklich jeden Sinn und Blödsinn verzapfen. Das ist vorbei. Sie haben jetzt angekündigt, ebenfalls bald auf Tiktok zu erscheinen. Schließlich dürfe man „einflussreiche soziale Medien nicht der AfD überlassen“. Sie wollen jungen Leute erklären, „was wir eigentlich machen – und zwar in einer Sprache, die sie verstehen“. Mal ganz am Rande: das würde uns auch interessieren. Die Betonung liegt auf „eigentlich“…

Aber zunächst beabsichtigen Sie aufgrund „einer gewissen Glaubwürdigkeit“ – wie bitte? – vor den Gefahren von Cannabis „bei Kindern und Jugendlichen [zu] warnen“. Machen Sie das bloß nicht tanzend! Diese Sprache ist bei Tiktok durchaus üblich. Sie dürften ungeahnte Quoten erreichen. Allerdings verbunden mit der Frage: Weiß einer, was der raucht? Das will ich auch haben!“

 

Victoria „Toria“ Nuland, zuletzt Unterstaatssekretärin im US-Außenministerium – Die Bilder gingen um die Welt, als Sie 2013 auf dem Kiewer Maidan höchstselbst regierungsfeindlichen Kräften den Rücken stärkten und eigenhändig Kekse verteilten. Nun hat ihr Chef, US-Außenminister Antony Blinken, am 5. März überraschend und ohne Angabe von Gründen Ihre Demission verkündet. Er tat es mit wärmsten Worten: „Was Toria wirklich außergewöhnlich macht, ist die Leidenschaft, mit der sie für das kämpft, woran sie am meisten glaubt: Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und die Fähigkeit Amerikas, diese Werte auf der ganzen Welt zu inspirieren und zu fördern. […] Aber es ist Torias Führung in der Ukraine, die Diplomaten und Studenten der Außenpolitik in den kommenden Jahren studieren werden.“

Nu ja, ob der Ukraine-Konflikt auch ohne Ihr langjähriges segensreiches Wirken seinen bekannten katastrophalen Verlauf genommen hätte und bis zum russischen Angriffskrieg eskaliert wäre, mögen künftige Historiker entscheiden. Uns werden Sie auf alle Fälle als Akteurin in Erinnerung bleiben, die da, wo andere bloß rumeierten, gern klare Kante zeigte. So als Sie im Februar 2014 dem US-Botschafter in Kiew zwar nicht öffentlich, aber doch abgehört und dann geleakt, ihre Meinung zum knieweichen Agieren der Westeuropäer zur Kenntnis gaben: „Fuck the EU.“ Und als das Hamburger Nachrichtenmagazin DIE ZEIT 2015 immer noch scheinheilig die Frage stellte: „Haben die Amis den Maidan gekauft?“, da hatten Sie die Antwort schon längst gegeben: „Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um der Ukraine zu helfen, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie zu garantieren.“ Erst kürzlich vernahmen wir erneut eine Klarstellung von Ihnen – dieses Mal zur belebenden Wirkung der US-Militärhilfe an die Ukraine für die einheimische, also die US-amerikanische Wirtschaft: „[…] nebenbei bemerkt, wir dürfen nicht vergessen, dass der Großteil dieses Geldes direkt in die USA zurückfließt, um diese Waffen herzustellen.“

Toria, wir werden Sie vermissen!

Aber vielleicht tauchen Sie ja in einem der einschlägigen Think Tanks wieder auf und publizieren demnächst knackige Essays. Wie Ihr Gatte Robert Kagan. Dann wäre Ihnen unsere Aufmerksamkeit auch weiterhin gewiss – siehe Blättchen 26/2023 und 2/2024.

 

Thomas Fasbender, Berliner Zeitung Die Einlassung des französischen Präsidenten Macron, wonach unter den Unterstützer-Ländern der Ukraine zwar „keinen Konsens über die Entsendung von Bodentruppen“ gebe, aber „alles […] möglich“ sei, „wenn es uns hilft, unser Ziel zu erreichen“, sowie die Gefahr eines Krieges zwischen der NATO und Russland haben Sie folgendermaßen kommentiert: „Man muss den Krieg nicht wollen – es reicht, ihn wissentlich-willentlich in Kauf zu nehmen, es darauf ankommen zu lassen. Ihn vielleicht sogar herbeizureden. Kein Historiker wird je vom derzeitigen Westen behaupten, er habe alles getan, den Krieg zu vermeiden.“

Wer wollte Ihnen da – außer den Wissentlich-Willentlichen und den Herbeiredenden natürlich – widersprechen!