26. Jahrgang | Nummer 25 | 4. Dezember 2023

Geschenke

von Renate Hoffmann

Vorweihnachtszeit. Eigentlich sind es besinnliche Tage, die auch das Backwunder in Gang setzen mit Zimtsternen, Lebkuchen, Stollen, Früchtebrot und dem köstlichen Sortiment der Weihnachtsplätzchen – sowie den von ihnen aufsteigenden Düften, die alle Wohnbereiche durchziehen (sofern man Lust verspürt, sich selbst ans Werk zu machen).

Der Christbaum wird besorgt. In diesem Jahr soll er der schönste sein. Bunte Kugeln, Glocken, Flügelwesen werden hervorgeholt, um ihn zu schmücken. Man könnte wieder vorlesen. Zum Beispiel Friedrich Wolfs beliebte „Weihnachtsgans Auguste“; oder auch Musik hören, vielleicht das Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli. – Eigentlich sollten es besinnliche Tage sein … wären da nicht die Geschenke.

Elf Monate im Jahr bieten sich an, Geschenkideen umzusetzen und Familie, Freunde und geschätzte Personen damit zu beglücken. Meistens jedoch bleibt es beim guten Vorsatz. Nun soll in den Dezembertagen das Versäumte nachgeholt werden. Unruhe drängt sich in die Besinnlichkeit: Sind die Besorgungen noch zu bewältigen? Hat man das Richtige gewählt? Bloß keine Angstkäufe!

Eine Frau, die es meisterlich verstand, Gaben auszusuchen, die den Beschenkten Freude bereiten würden oder ihnen von Nutzen sein konnten, war Catharina Elisabeth Textor, verehelichte Goethe (1731-1808) aus Frankfurt am Main. Von ihren Freunden auch Frau Aja genannt (nach einer Figur aus dem Volksbuch über die Haimonskinder), Dichtermutter, Großmutter und den Kindern sehr zugetan. Temperamentvoll, gefragte Gesprächspartnerin, mit Humor begabt, lebensklug, unkonventionell und ohne Umschweife geradeheraus. Der befreundete Dichter Christoph Martin Wieland urteilt: „Frau Aja ist die Königin aller Weiber, die Herz und Sinnen des Verständnisses haben.“

Die beste Schilderung ihrer Lebensart gibt sie selbst: „Von Person bin ich ziemlich groß und ziemlich korpulent, – habe braune Augen und Haar, – […] Ordnung und Ruhe sind Hauptzüge meines Charakters, – daher thu’ ich Alles gleich frisch von der Hand weg, – das Unangenehmste immer zuerst …“ Und an anderer Stelle: „Zwar habe ich die Gnade von Gott, daß noch keine Menschenseele mißvergnügt von mir weggegangen ist – weß Standes, alters, und Geschlechts sie auch geweßen ist – Ich habe die Menschen sehr lieb …“

Die Familie in Weimar, Johann Wolfgang, die Schwiegertochter Christiane und August („Augst“), der Enkel, liegt der Frau Rat Goethe besonders am Herzen. Pakete praktischen und lukullischen Inhalts reisen aus der großen Stadt Frankfurt in die kleine thüringische Residenzstadt Weimar. Wünsche werden erfragt: „Lieber Sohn! […] ich mögte deinem Augst gern eine kleine Freude auf die Christtage machen – dazu mußt du mir behülflich seyn – Hoßen und Weste aus hübschen Winterzeug – wenn das beliebt würde, so müßte aber der Schneider befragt werden wieviel er dazu braucht …“

Bei Gelegenheit erbittet J. W. G. für seinen Sprössling eine Guillotine als Spielzeug. Mutter Aja ist entsetzt: „den 23ten Dezemb. 1793: Lieber Sohn! Alles was ich dir zu gefallen thun kan, geschieht gern und macht mir selbst Freude – aber eine solche infame Mordmaschine zu kaufen – das thue ich um keinen preiß – wäre ich Obrigkeit die Verfertiger hätten an Halseißen gemußt – und die Maschine hätte ich durch den Schinder offentdlich verbrennen laßen – Was! die Jugend mit so etwas abscheuliches spielen zu laßen – ihnen Mord und Blutvergießen als einen Zeitvertreib in die Hände geben – nein da wird nichts draus.“ Punktum!

Die Weihnachtspakete erreichen rechtzeitig und unbeschadet (was nicht immer gewährleistet ist) die Goethesche Häuslichkeit in Weimar. Gefahren lauern überall. Und der Weg ist weit, etwa 272 Fahrkilometer. Was aber bei der Sendung zum Christfest 1803 geschah, überstieg jegliche Grenze. An Christiane: „Daß das Christkindlein von Ihnen und dem lieben Augst Beyfall erhalten hat, war mir sehr erfreulich – daß aber die Schurcken den Confect gefreßen haben hat mich geärgert.“ – Der „Confect“ bestand aus allerlei Frankfurter Süßigkeiten und den vorzüglichen „Brenten“ aus Frau Ajas Küche.

Da die „Schurken“ den Confect aufgefressen haben, folgt hier das Rezept für die „Brenten“, zum Ausprobieren: „250 Gramm Mandeln, 250 Gramm Puderzucker, 1 Eiweiß, 1 Esslöffel Rosenwasser, etwas Mehl. – Mandeln abziehen, zerkleinern und zusätzlich fein cuttern. Mit den übrigen Zutaten in eine Pfanne geben und auf kleiner Hitze abrühren, bis die Masse sich von der Pfanne löst. Auf einer mit Mehl leicht bestäubten Arbeitsfläche ausrollen, in Streifen schneiden oder Plätzchen ausstechen oder portionsweise in Modeln drücken.“

Gutes Gelingen und besinnliche Adventstage wünscht – R. H.

 

Einige Zitate stammen aus: Seng, Joachim (Hrsg): Briefe der Frau Rat Goethe, Insel Verlag,

Berlin 2022, 142 Seiten, 14,00 Euro.