26. Jahrgang | Nummer 20 | 25. September 2023

Petroselinum crispum

von Renate Hoffmann

„Petersilie Suppenkraut / wächst in unserm Garten, / unser Hannchen ist ’ne Braut, / soll nicht länger warten. / Roter Wein, weißer Wein / morgen soll die Hochzeit sein.“ – Doldenblütler, Heilpflanze, Geschmacksverbesserer, Spenderin von Mineralsoffen und Vitaminen, Dekorationszier und … Giftpflanze des Jahres 2023.

Wäre es die Tollkirsche gewesen oder der Fingerhut, Seidelbast, Nieswurz oder Schierling. Aber die Petersilie?! Bei wem wächst sie nicht im heimischen Kräutergarten? Wer hätschelt sie nicht im Blumentopf auf der Fensterbank in der Küche? Oder schnippelt sie nicht als feine Würze in die Nudelsuppe? Ein Plädoyer muss her!

Uraltes Gewächs. Bekannt, geschätzt, hervorgehoben bereits im Altertum. Die gescheiten Griechen hielten die Petersilie nicht nur für eine heilende, sondern auch für eine heilige Pflanze. Erfährt man von ihren therapeutischen Vorzügen, so ist die Zuweisung eines Glorienscheines gerechtfertigt.

Nach den berühmten Ärzten Dioskurides und Hippokrates und Galenos half das „Suppenkraut“ gegen Blasen- und Nierenbeschwerden und linderte Verdauungsstörungen. Ihr mittelalterlicher Kollege Paracelsus empfahl den erfolgreichen Einsatz von Petersilie bei Leber- und Milzerkrankungen, Kreislaufproblemen und Gedächtnisschwäche, auch bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Nicht zu vergessen die Anwendung während einer Mückenplage. Vor, während und nach dem Stich stellt sich der Erfolg ein. Sebastian Kneipp, der „Wasserdoktor“, beschreibt den wirksamen Einsatz von Petroselinum zur Bekämpfung der Wassersucht. Petersilie, das Allheilmittel gegen fast alle Gebrechen.

Die heilkundige Klosterfrau Hildegard von Bingen hält auch gleich bei Herz- und Kreislaufbeschwerden ein Heilmittel bereit. Den „Petersilienhonig-Trank“, erprobt, belebend, wohlschmeckend. „Wer im Herzen oder in der Milz oder in der Seite Schmerzen leidet, der trinke ihn oft und es heilt ihn.“

Recipe: Zehn Stängel Petersilie samt Blättern, zwei Esslöffel Weinessig, 80-150 Gramm Honig, ein Liter Rot- oder Weißwein. Petersilie fünf Minuten in Wein und Essig kochen, den Honig zufügen und nochmals kurz aufkochen lassen, durch ein feines Sieb abgießen. Trinken. Prosit. Es möge nützen.

Was das „Küchenkraut“ so attraktiv macht, sind seine lebenswichtigen Inhaltsstoffe. Dazu zählen, neben anderen, die Vitamine C und K, sowie Eisen, Kalium, Calcium und Beta-Carotin. Nicht verschwiegen werden sollen jedoch die bedenklichen Substanzen Apiol und Myristicin, derenthalben die Petersilie in die Klasse der Giftpflanzen aufgenommen wurde. Da man aber die aromatische Pflanze nicht en masse verzehren wird, überwiegen ihre unbedenklichen Eigenschaften.

Einlage: Wenn in Schillers „Kabale und Liebe“ die Rede ist von „Gift in der Limonade“, so geschah dies nicht durch Zugabe von Petersilie!

Zur Küchentauglichkeit. Sie bleibt unbenommen. In alten und neuen Kochbüchern hat die Petersilie eine bevorzugte Stellung. Emma Allerstein bietet im „Bürgerlichen Kochbuch, vorzüglich für das Haus“ von 1896 an: Petersilie als Gemüse, gebraten, Petersilienkartoffeln, Petersilien-Soße und -Suppe.

Eine besondere Rolle spielt Petroselinum in der Stadt Frankfurt am Main. Diese nämlich verfügt über zwei Vorzüge: Johann Wolfgang Goethe und die „Grüne Soße“. In letzterer – einer kalten Kräutersoße – zählt Petersilie zu den sieben ausgewählten Würzpflanzen, die den Grundgeschmack der Spezialität bilden. Dazu gehören, außer dem „Suppenkraut“ noch Kerbel, Kresse, Pimpinelle, Borretsch, Sauerampfer und Schnittlauch. Die Kräuter fein zerkleinern, das Eigelb hartgekochter Eier durch ein Sieb streichen, das Grünzeug dazu geben und beides gut verrühren; mit Salz, Pfeffer, Senf und einem Schuss Essig abschmecken, neutrales Speiseöl bis zur Sämigkeit unterheben. Fertig ist die „Frankfurter Grüne Soße“. Man reiche sie zum Beispiel mit halbierten, hartgekochten Eiern und Salzkartoffeln und garniere den Tellerrand mit Petersilie. Guten Appetit.

Nachtrag: Eine Legende behauptet, Catharina Elisabeth, geborene Textor, die Goethemutter, sei die Erfinderin der „Grünen Soße“ gewesen. Und J.W.G. habe die Spezialität zu seiner Lieblingsspeise erkoren. Das erste beglaubigte Rezept stammt allerdings aus dem Jahr 1860, da war der dichtende Sohn längst bei den Göttern. Auch fanden sich bisher in seinen Briefen, Notizen und literarischen Werken keinerlei Hinweise auf diese Aussage.