Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 28. April 2008, Heft 9

Aprilscherze

von Thomas Heubner

Es war weniger boshafte Ostalgie denn pure Faulheit, daß Mandy und Dieter die uralten Abonnements bislang nicht gekündigt hatten. Mandys Mann war zwar weder in der einen noch in der anderen Truppe Mitglied gewesen, und die einstigen Trägerorganisationen aus unseligen DDR-Zeiten gab es längst nicht mehr – die SED und den VKSK (Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter) –, doch die Zeitungen kamen immer noch zu Meiers: das Neue Deutschland und Der Schrebergärtner.

So schlug Dieter auch an diesem 1. April die beiden Blätter erwartungsvoll auf, um zu sehen, welche Aprilscherze die Witzredakteure sich wieder ausgedacht hatten. Beim ND wurde er schnell fündig: Auf der Politikseite entbehrte natürlich die Meldung »Landrat im bayerischen Weilheim-Schongau war vor 1989 FDJ-Funktionär in Dresden« jeglichen Wahrheitsgehalts. »Die Veralberung ist leicht zu durchschauen«, kicherte Mandy, »eher hat Edmund Stoiber außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Gabriele Pauli, bevor einer aus dem Osten im tiefen Westen Kommunalkarriere macht«.

Schwieriger war die Sache mit dem Schrebergärtner. Im Artikel In eigener Sache wurde die Beurlaubung eines leitenden Redakteurs verkündet. Die Begründung: Er habe in zahlreichen Beiträgen nicht nur die ehemalige Kleingartenordnung der ehemaligen DDR verherrlicht, darunter das Verbot von Luftdruckwaffen, sondern in seiner Gartenlaube genächtigt, wo doch das bundesdeutsche Grundgesetz Übernachtungen aus Gründen der Volkshygiene verbiete.

Mandy und Dieter kannten den Redakteur aus gemeinsamer Laubenpieperzeit, bevor ihr Grundstück in der Kleingartenanlage am Ostkreuz an den Alteigentümer aus Bonn rückübertragen worden war. Im Kleingartenverein hatte er sofort durchgesetzt, daß als Apfelsorte nicht mehr der Gelbe Köstliche, sondern nur noch der Holsteiner Cox angebaut werden durfte und daß den Kleingärtnern das Verrichten ihre Notdurft auf ihrer Parzelle untersagt wurde. Er selbst aber schlich heimlich auf den Komposthaufen und ließ die Hosen herunter. Der Nachbar, besagter Redakteur, beobachtete das, schob eine Schaufel unter den Zaun und den Allerwertesten des Direktors und zog sie, nachdem ein duftendes Häufchen darauf gelandet war, unbemerkt zurück. Der Ex-Bonner vermißte voller Bestürzung das Ergebnis seiner Mühen und fühle sich vom wiehernden Lachen des Nachbarn bloßgestellt. Gleich am nächsten Tag wurde er in der Bundesbehörde zur Aufarbeitung des VKSK-Unrechtsregimes vorstellig und setzte die Beurlaubung des Redakteurs vom Schrebergärtner durch.

Diese Hintergründe standen wohlweislich nicht in der Zeitung, aber die Meiers wußten Bescheid. »Im Leben geht es nie um die Kleingartenordnung«, stellte Mandy fest, »sondern immer um die Wurst.«