25. Jahrgang | Nummer 26 | 19. Dezember 2022

Deutscher Fußball

von Bruni Butzke

Satt, träge, selbstgerecht“, so lautet die Überschrift eines Essays im Berliner Tagesspiegel (9.12.2022). Darin wird die Leistung beziehungsweise Nicht-Leistung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar resümiert. Bekanntlich schied sie zum zweiten Mal hintereinander – wie 2018 – in der Gruppenphase aus. Der Autor ist Bob Hanning, Manager des Handball-Bundesligisten Füchse Berlin.

Es habe sowohl auf als auch neben dem Platz – also weder bei den Spielern noch bei dem Trainer – keinen Plan, keine Leistung und kein Konzept gegeben. Hanning konstatiert, er könne sich nicht „an einen ähnlich trostlosen Turnierauftritt“ einer deutschen National-Auswahl im Fußball erinnern. Ihren Auftritt kennzeichnet er so: „Ohne Feuer. Ohne Eifer. Ohne Ehrgeiz. Vom Gefühl her immer ein bisschen drüber, als wenn man sich für etwas Besseres hält.“

In diesem Sinne kritisierte Hanning den Umgang mit der „unsäglichen, weil völlig überhöhten und aus den Fugen geratenen Diskussion hierzulande“ in Sachen One-Love-Armbinde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) habe zwei Möglichkeiten gehabt: „ein klares Zeichen durch Boykott“ zu setzen oder den Versuch, vor Ort einen „Dialog anzustoßen, ohne uns dabei als Werte-Polizei aufzuspielen“. Dabei wurde alles auf der medialen Bühne ausgebreitet. Die deutsche Delegation habe jedoch weder das eine noch das andere beherzt getan, sondern „sich stattdessen für einen peinlichen Schlingerkurs entschieden“. So standen „Show und schöner Schein über dem glaubwürdigen Interesse, Veränderungen anzustoßen“.

Im Nachgang wäre anzumerken: Selbst der Gestus des Werte-Polizisten und der schöne Schein wurden durch die fehlende Leistung im Kerngeschäft, dem Fußball entwertet und ins Lächerliche gezogen. International Eindruck macht nur, wer auch im internationalen Vergleich Leistung bringt. So folgte wohl auch der peinliche Auftritt der Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit der Binde am Arm im Stadion eher dem Streben nach innenpolitisch verwertbaren Fernsehbildern, als dem Bemühen um einen ernsthaften Dialog. Hanning warnt davor, „den Sport als Moralapostel über gesellschaftliche Themen hochzustilisieren. Dinge, die die Politik mit ihrer perfiden Doppelmoral nicht hinbekommt, kann und darf der Sport nicht leisten (wollen).“ Eine solche „Überhöhung unseres Metiers“ hält er „für null zielführend“, wir können „uns bei diesen Themen nur verheben“.

Im Titel des Textes heißt es in der Unterzeile: „Das DFB-Team zeigt, wie unsere Gesellschaft momentan tickt.“ Hanning meint: „Wir haben bei der Weltmeisterschaft genau die Nationalmannschaft bekommen, die wir aktuell verdienen. Sie ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Das Resultat der Fußball-WM in Katar ist das Ergebnis einer jahrelangen Misswirtschaft, die im besten Fall auf Besitzstandswahrung aus ist, im Prinzip aber zu nichts als sukzessivem Abstieg führt.“ Bei der Mannschaft vermisse er Tugenden wie „Fleiß“. Da hat Bob Hanning wohl recht, verallgemeinert jedoch zu rasch.

Hier ist zunächst nachzutragen: Solche Tugenden wurden von den westdeutschen 1968ern seit je verteufelt, und das wurde mit deren Marsch durch die Institutionen Schule und Universität auch den nachwachsenden Generationen beigebracht. Die derzeitigen Debatten nach „Corona“ um „Work-Life-Balance“ zeigen dies überdeutlich. Viele junge Leute träumen davon, viel Geld als „Influencer“, Börsenspekulant oder Fußball-Spieler zu verdienen. Nur will kaum jemand als Dachdecker, Klempner oder Friseuse arbeiten, inzwischen auch nicht mehr als Arzt oder Krankenschwester.

Wenn von dem fehlenden Fleiß oder Arbeitseifer die Rede ist, trifft das eher nicht all diejenigen, die durch ihre alltägliche Arbeit dieses Land am Laufen halten. „Spiegelbild unserer Gesellschaft“, bezieht sich also genau betrachtet nicht auf jene. Sondern auf die akademisch halbgebildete, urbane, politisch korrekte obere Mittelschicht, die – oft in ererbtem Wohlstand aufgewachsen – in den Medien ihre vereinfachten Weltbilder zu verbreiten versucht und aus der sich mittlerweile mehrheitlich die „politische Klasse“ dieses Landes rekrutiert. Als „Moralapostel“ stehen sie in der Regel rasch bereit, für echte Leistungen stehen sie meist nicht.

Bob Hanning hat als Insider des professionellen Sportbetriebs eine kritische Betrachtung für eine Tageszeitung geschrieben. Soziologen und Politikwissenschaftler sollten das weiter präzisieren und vertiefen.